Название: Geist Gottes - Quelle des Lebens
Автор: Heinrich Christian Rust
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition IGW
isbn: 9783862567607
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J. Moltmann betrachtet die Beseitigung des Filioque-Zusatzes aus dem Glaubensbekenntnis als notwendig, zumal es erheblich zum Bruch zwischen der West- und Ostkirche im Jahre 1056 n. Chr. beigetragen hat. Diese misslungene Interpretationsformel des „filioque“ sollte besser durch eine konsensfähige Interpretation ersetzt werden, dass der Heilige Geist vom Vater allein ausgeht, aber im Sohn ruht und leuchtet. So differenziert Moltmann zwischen der zeitlichen Sendung und dem Ursprung des Geistes.92 Das geschichtliche Trinitätskonzept hingegen schreibt die einzelnen Werke der Heilsgeschichte den einzelnen Personen zu. Die Schöpfung wird dem Vater zugeordnet, die Versöhnung dem Sohn und die Heiligung dem Heiligen Geist. Schon Joachim von Fiore (12. Jh.) sprach von drei unterschiedlichen Reichen, die zwar ineinander greifen, aber voneinander getrennt zu sehen sind; ebenso vertrat Thomas von Aquin (1225–1274) die Auffassung der verschiedenen heilsgeschichtlichen Epochen93. Eine modalistische Zuteilung der einzelnen Heilsepochen zu einer der trinitarischen Personen ordnet zwar dem Geist eine „eigene“ Heilszeit zu, macht jedoch ein gleichzeitiges Zusammenwirken der trinitarischen Personen in den verschiedenen Heilszeiten kaum theologisch darstellbar.
Das eucharistische Trinitätsmodell ist geradezu eine Umkehrung der monarchischen Ordnung. In der Eucharistie wird der Geist herabgerufen (Epiklese) und er ermöglicht die Verherrlichung des Vaters und des Sohnes. Der Heilige Geist wird hier als ein handelndes Subjekt verstanden, das für die Verherrlichung und die eschatologische Vereinigung Gottes mit der ganzen Schöpfung verantwortlich ist. Hier ist der Geist die handelnde Person, während dem Vater und dem Sohn eine geradezu passive Rolle in der Gegenwart zugeordnet wird.
Mit dem doxologischen Trinitätskonzept definiert J. Moltmann ein Modell, in dem der dreieinige Gott „um seiner selbst willen“ angebetet wird.94 Ausgehend vom Glaubensbekenntnis, demzufolge der Geist zugleich mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verehrt wird, führt diese Anbetung zu einer Begegnung mit dem Dreieinen, einem Versinken in die Betrachtung Gottes. J. Moltmann nennt diese Erfahrung „Ekstase“, sinnliche und augenblickliche Wahrnehmung der ewigen Gegenwart Gottes95. Erst durch eine derartige doxologische Trinitätserfahrung wird die Voraussetzung geschaffen, um das Wirken und Werk des Geistes in der Heilsgeschichte zu erkennen und zuzuordnen. Moltmanns scharfe Kritik an der westlichen Trinitätslehre bezieht sich auf ihre Neigung zu einer binitarischen Auffassung Gottes. Diese äußert sich darin, dass der Heilige Geist nicht als eine trinitarische Person anerkannt, sondern nur als eine Wesensart oder eine Energie der Trinität gedeutet wird. Derartige Züge einer Binität nimmt Moltmann bei Karl Rahner, Hendrikus Berkhof und auch bei Heribert Mühlen wahr. Die trinitarische Gemeinschaft als eine soziale Trinität zu beschreiben, bleibt sicher eine große Herausforderung. Es wird meiner Ansicht nach hier immer ein rationales Defizit bleiben. Die trinitarische Gemeinschaft wird weniger durch dogmatische Denkmodelle, als vielmehr in der Spiritualität, der Anbetung aufgespürt. Somit kann ich den doxologsichen Ansatz von Moltmann nur begrüßen in der Hoffnung, dass dieser weitergeführt werden kann.
Um das Miteinander und Ineinander trinitarischer Gemeinschaft und Einheit zu kennzeichnen, hat sich der Begriff der „Perichorese“ als hilfreich erwiesen. Dieser Begriff bringt die wechselseitige ewige Beziehung göttlicher Gemeinschaft zur Geltung. Perichorese bezeichnet die vollständige gegenseitige Durchdringung, die zu einer Einheit oder Verschmelzung führt. Der Begriff ist abgeleitet von dem griech. perichorein (wörtlich: „herumgehen, durchwandern“). Chorein bedeutet ursprünglich „schwingen“. Es ist eine dynamische Relation. In der Christologie bezeichnet die Perichorese die wechselseitige Durchdringung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus.
In der Trinitätslehre wurde der Begriff zunächst eingesetzt, um das statischruhende Ineinander-Sein der göttlichen Personen zu beschreiben. Erstmals gebrauchte Gregor von Nazianz das Verb perichorein in einem theologischen Kontext. Er bezeichnet damit die dynamische Einheit der drei Hypostasen. Weiterhin finden wir den Begriff bei Johannes von Damaskus, der damit die trinitarische Einheit wie eine Art Wohngemeinschaft beschreibt. Er kennzeichnet damit die Einheit, die über eine Ähnlichkeit hinausweist. In der griechisch-orthodoxen Tradition wird Perichorese schließlich auf das Verhältnis von Gott und Mensch ausgedehnt. Besonderen Einfluss bis in die Gegenwart kommt dabei der Lehre von Gregor Palamas zu: Durch die göttliche Gnade erfüllt das Licht den Menschen und es vollzieht sich dabei der Vorgang der Perichorese, der Verschmelzung und Durchdringung. Nur so ist für Palamas die Rede von dem Sein in Christus (Joh 15) nachvollziehbar. In der jüngeren Theologie hat Karl Barth den Begriff der Perichorese aufgenommen, die bewirkt, „dass die göttlichen Seinsweisen sich gegenseitig so vollkommen bedingen und durchdringen, dass eine auch immer in den beiden anderen wie die beiden anderen auch in ihr stattfinden“.96 Jürgen Moltmann stellt mit der Verwendung des Begriffs stark das dynamische Einheitsmotiv heraus. „In der Kraft ihrer ewigen Liebe existieren die göttlichen Personen so intim miteinander, füreinander und ineinander, dass sie sich selbst in ihrer einmaligen, unvergleichlichen und vollständigen Einheit konstituieren.“97 Diese perichoretische Einheit sei aber eine einladende, weltoffene Einheit. Sie bildet geradezu die göttliche DNA für die Gemeinschaft, wie sie sich im angebrochenen Reich Gottes darstellen kann und soll. In dieser Gemeinschaft achtet einer den anderen höher als sich selbst (Röm 12,10). Perichorese kennzeichnet eine Art von Existenz, die immer auch den anderen mit einbezieht, ohne ihn zu vereinnahmen. Sie ist wie ein Gegengewicht zu einem Individualismus, der sich selbst genügt. In ähnlicher Weise verwendet Hans Urs von Balthasar den Begriff. Das trinitarische Wesen Gottes ist in sich kein starrer Identitätsblock, sondern eine sich bewegende Relation.98 Gisbert Greshake sieht in dieser geradezu schwingenden und spielerischen Relation den Archetyp des Lebens als Gemeinschaft, in der „Einheit und Unterschiedlichkeit völlig und gleichzeitig zum Ausdruck kommen“.99 Ebenso proklamiert Richard Rohr100 dieses trinitarische Miteinander als ein Modell des Zusammenlebens in einer Welt, die Individualismus und Nationalismus überwinden möchte. Die trinitarische Gemeinschaft ist in ihrer Perichorese nicht nur ein Archetyp des Zusammenlebens, sondern sie ist auch die sich aktiv mitteilende Gemeinschaft, die durch die Einwohnung des göttlichen Geistes Menschen dazu befähigt, in Liebe und Gerechtigkeit Miteinander und füreinander einzustehen. Sie wird auch in der Anthropologie als ein im Menschen angelegtes Gemeinschaftsmuster verstanden, das zu einer hingebungsvollen Liebe und Barmherzigkeit in jedem Menschen angelegt ist.101
1.3Das Wesen des Geistes
Die Ausführungen zur trinitarischen Gemeinschaft wirken auf viele Christen aller Denominationen zuweilen sehr abstrakt. Man könnte den Eindruck bekommen, dass sich die Diskussion über „Binität oder Trinität“, über „Person oder perichoretische Gemeinschaft“ doch wohl kaum auf die Spiritualität bzw. die konkrete Glaubensäußerung auswirken würde. Sicher muss nicht jeder Gläubige auch die ganzen Diskussionen kennen, aber dennoch wird sich die Auffassung über die Trinität Gottes auch ganz konkret im persönlichen und gemeindlichen Glaubensleben niederschlagen. In den folgenden Ausführungen möchte ich den Versuch wagen, das Wesen des Geistes in seiner trinitarischen Einheit und Beziehung zu beleuchten. Das soll allerdings nicht in einer theoretischen Weise geschehen, sondern anhand von einzelnen Erfahrungen, die verdeutlichen können, wie komplex die Theologie und persönliche und gemeindliche Spiritualität miteinander korrespondieren.
a.Beweger und Bewahrer
„Können Sie diesen Satz mit voller Überzeugung beten: Heiliger Geist, mach du mit mir, was du willst!“ – Diese Frage stellte ich am Ende einer Predigt während einer Konferenz. Völlig entsetzt sprach mich anschließend eine ältere Pastorenfrau an. „Stellen Sie sich vor, was dann los ist! Der Geist ist doch ein Beweger. Der bringt dann alles durcheinander! Wir aber haben heute eine so gute Ordnung in unseren Gemeinden, die hat Gott uns doch auch geschenkt. Wir brauchen СКАЧАТЬ