Die große Fälschung. P. M.
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Название: Die große Fälschung

Автор: P. M.

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die große Fälschung

isbn: 9783947380398

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СКАЧАТЬ Welt«, beginnt er zu leise, »ist in einem schlechten Zustand.«

       »Lauter!«

      »Die Welt«, setzt Theodoros mit überschlagender Stimme nochmals an, »ist in einem erschreckenden Zustand. Das Übel, das vor viertausend Jahren begonnen hat, steckt immer weitere Teile des Planeten an. Das Geschwür der Herrenklüngel ist eine entfesselte Landplage geworden. Sie terrorisieren mit ihren bewaffneten Banden ihre eigenen und benachbarte Bevölkerungen. Angst beherrscht das Leben und macht unterwürfig und abhängig. Diejenigen, die die Lebensmittel produzieren, werden ruiniert, damit die Herren weiterhin ihre Heere unterhalten können – angeblich, um sie zu schützen. So verkommt die Landwirtschaft, und bei der geringsten Dürre oder Kälte entstehen Missernten und Hungersnöte. In der Not suchen die Bauern Trost bei den Kirchen. Doch diese stecken mit den weltlichen Herren unter einer Decke, seien es nun Kaiser oder Kalifen. Die, die plagen, und die, die trösten, sind dieselben. Die, die das Jammertal beklagen, stellen es absichtlich her. Eine perverse, lähmende Situation ohne Ausweg. Sie kann nicht verbessert, nur zerschlagen werden. Was ihr hier versucht, ist schon oft versucht worden. Wir kennen es aus unserer eigenen Geschichte. Ursprünglich war Monemvasia eine Fluchtburg der peloponnesischen Bauern. Wir flohen vor Byzantinern, Normannen, Sarazenen, vor Piraten und Banditen. Der Fels vor der Küste von Lakonien war gut gewählt. Er ist nur über einen schmalen Damm zugänglich, und die Stadt ist praktisch uneinnehmbar. So überlebten wir als freie Stadtrepublik – und wurden sogar reich. Ganz ähnlich übrigens wie Venedig. Doch wir blieben isoliert, und unser Reichtum lockt die großen Herren immer wieder. Sie lassen uns nicht in Ruhe. Die Sarazenen und Normannen planen neue Belagerungen, der Vertrag mit Basilios kann jederzeit gekündigt werden. Verzweifelt versuchen wir, uns im Handelsbereich unentbehrlich zu machen. Doch eigentlich möchten wir lieber ruhig unsere Weinberge pflegen, unsere Oliven ernten, unsere Weizenfelder bestellen. Die Stadt, in die wir geflüchtet sind, ist unser vergoldeter Käfig geworden. Als Städter werden wir untergehen. Unseren Mitbürgern wird das, was ihr hier in Tuckstett macht, sofort einleuchten. Doch darf euer Experiment nicht enden wie unseres. Es darf nicht isoliert werden. Diesmal brauchen wir Kontakte in allen Ecken und Enden der Welt, auch in Arabien, bevor wir uns als Feinde auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen. Vor uns liegen weitere tausend Jahre Krieg, wenn es uns diesmal nicht gelingt. Wir sind für Auschwitz und Hiroshima verantwortlich, wenn wir es nicht schaffen.«

      »Wo liegen Auschwitz und Hiroshima?«, fragt eine ältere Frau scheinheilig.

      »Das sind Prophezeiungen«, antwortet Leo, »die besagen, dass Menschen millionenweise wie lästiges Ungeziefer getötet und verbrannt werden.«

      Er blickt Theodoros halb strafend, halb mitwisserisch an. Die Firma scheint wirklich die Kontrolle über die erlaubten Gesprächsstoffe verloren zu haben. Namen wie Auschwitz und Hiroshima werden sie linguistisch furchtbar herrichten müssen, damit sie in tausend Jahren nicht mehr erkennbar sein werden. Es gibt allerdings Leute in der Desinformationsabteilung, die solche Knacknüsse nur zu gerne übernehmen.

      »Wir haben gute Beziehungen mit Alexandria, Damaskus, Susa, Tunis, Antiochia«, erklärt der besonnene Ioannis. »Wir werden sie benützen, um Kontakte zu euch herzustellen.«

      »Und wie steht’s mit den Ungarn, Russen, Warägern, Petschenegen und Bulgaren?«, fragt Lambert, der Kesselmacher.

       »Auch da können wir einiges unternehmen, denn überall haben wir Kontore und Kontaktpersonen.«

      »Am besten wäre es«, meint Theodoros wieder, »wenn einige von euch uns auf der Rückreise begleiteten. So könnt ihr selber mit den Leuten reden und euch in Monemvasia von unserer Aufrichtigkeit überzeugen.«

      Sogleich meldet sich ein halbes Dutzend meist jüngerer Leute. Das Reisebüro Tuckstett hat soeben seine Geschäfte aufgenommen. Wenn noch mehr abreisen, ist im Frühling niemand mehr da, um die kaiserlichen Heere abzuwehren.

      Die Monemvasier haben eine gute Geschichte, aber ganz glauben mag ich ihnen nicht. Sie sind Konkurrenten Venedigs. Venedig ist mit dem Kaiser verbündet – er ist sogar Pate des Sohns des Dogen. Der Kaiser wiederum hat Streit mit Byzanz, dem er Süditalien abnehmen will. Monemvasia ist mit Byzanz verbündet. Dieses kann ein Interesse daran haben, die kaiserlichen Heere in dessen eigenem Land zurückzuhalten. Otto kann nicht gut in Apulien, das noch Langobardien heißt, einfallen, wenn er mit Rebellen in Franken und Schwaben beschäftigt ist. Sind also die Malvasier Agenten von Byzanz? Die politische Großwetterlage fördert das Vertrauen in sie nicht gerade. Vielleicht versucht die Firma uns darin logisch einzuordnen: eine byzantinische Verschwörung in Mitteleuropa?

      Während einige unserer Leute mit Ioannis, Alexis und Chrisostomos ihre Reisen planen, finden Unna, Hilda, Lambert und andere sich mit Theodoros am Kaminfeuer zusammen.

      Wir probieren noch einmal den Monemvasier, den ich zu süß finde und der mich melancholisch stimmt. Sehr pflaumig, leicht modrig, ein Hauch von Rhabarber. Doch – unbestreitbar – ein abgerundetes Tröpfchen.

      »Nun, Theo, wie siehst du die Sache wirklich?«, wende ich mich an den Mann, der uns aus dunklen Augen anblickt.

      »Ja«, meint Unna, »wie schätzt du unsere Chancen ein?«

      Sie trägt ein weißes Gewand mit weißem Fellkragen und darüber eine schwere Goldkette mit einem Schlangenamulett. Wie schon oft versuche ich aus ihrem Gesicht auf ihr Alter zu schließen: dreißig, vierzig, fünfzig?

      »Ihr seid wahnsinnig«, erwidert Theodoros mit einem mitleidigen Lächeln.

      Wir lassen diese Worte auf uns arme Psychopathen wirken. Er schaut uns nachdenklich, vorsichtig, an. Er weiß, dass man Verrückte nicht provozieren sollte, sonst rasten sie aus. Da wir nichts sagen, erklärt er uns die Sache im Einzelnen:

       »Ihr seid daran, Veranstalter und Opfer eines so ungeheuerlichen Massakers zu werden, dass es nicht einmal in die Geschichte wird eingehen dürfen. Zehntausende werden abgeschlachtet werden, weil ihr in eurem Übermut der Firma einen Streich spielen wollt. Ihr seid alle auf der Entlassungsliste – das ist euch wohl klar. Ja, mehr noch, auf der Liquidationsliste. Das habe ich aus direkter Quelle vom Sicherheitsdienst. Bis jetzt ist es mir gelungen, sie hinzuhalten. Ich habe versucht, ihnen eure seltsamen Geschäftspraktiken zu erklären – mit Zitaten aus Lehrbüchern und Kursunterlagen. Zudem habt ihr unwahrscheinliches Glück gehabt. Auf Grund rätselhafter Pannen ist die Geschäftsleitung über das volle Ausmaß eurer Sabotageaktionen nicht im Bild. Auf ihren Operationskarten gibt es einige weiße Flecken. Es scheint, als ob viele Feldagenten mit euch sympathisierten. Offenbar werdet ihr von gutmütigen Idealisten, sentimentalen Abteilungsleitern, die in der Midlife-Crisis stecken …«

      »Die Welt ist in der Midlife-Crisis, mein Guter«, versetzt Unna lachend, »an beiden Enden des Jahrtausends.«

      »Was hat die Firma uns zu bieten?«, meint Lambert, der blonde Kesselmacher mit dem dünnen Bärtchen. »Offenbar sind sowohl Agenten wie Agierte in der Krise. Niemand glaubt den Versprechungen der Firma mehr, weder heute noch morgen. Sie hat keine attraktive Zukunft mehr zu bieten. Aber schau dich hier um. Was können tausend Jahre Entwicklung da noch verbessern?«

      Theo schaut sich gehorsam um. Er sieht eifrig plaudernde Gruppen, beobachtet das laute Eintreffen einer Delegation aus Prag, eine Auseinandersetzung in einer Ecke, gerötete Gesichter, eine entfesselte Mode. Es wird eine Schale mit Hafer-Honig-Plätzchen herumgereicht. Während wir arme Irre zugreifen, fährt Theo beschwörend fort:

       »Ganz bezaubernd, wirklich schön, das Leben, wie es sein soll. Eure kleine Realität wird viele anstecken und überzeugen, aber sie ist СКАЧАТЬ