Ein reines Wesen. Isabella Archan
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Название: Ein reines Wesen

Автор: Isabella Archan

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Willa Stark

isbn: 9783956022326

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СКАЧАТЬ konnte ein Anzeichen eines möglichen Erwachens sein. Der behandelnde Arzt war trotzdem skeptisch geblieben. Alles immer mit einem Fragezeichen und einem Konjunktiv versehen, bei Komapatienten gab die Medizin keine klaren Prognosen.

      Nicht zuviel Hoffnung, dachte auch Harro auf seinem harten Sessel.

      Er schloss die Augen. Hörte den Geräuschen zu, lauschte nach den Atemzügen von Willa. Siebenundzwanzig Tage oder siebenundzwanzig Jahre spielten dabei keine Rolle.

      Es klopfte.

      Harro schreckte aus seinen trüben Gedankenspielen hoch.

      »Herein, herein.«

      Es war Zeit für die Nachtschwester und Zeit, dass er nach Hause ging.

      Statt jemand vom Krankenhauspersonal, betrat eine große schlanke Frau das Krankenzimmer. Sie blieb an der Tür stehen.

      »Tine? Was machst du hier?«

      Tine Latisch war die Sektionsleiterin aus dem Institut. Harro hatte sie vor drei Jahren befördert. Sie waren Kollegen und seit langer Zeit Freunde.

      »Hey, Harro. Mir wurde erlaubt, dass ich zu dir hineinhusche. Eine Minute habe ich. Alles klar bei dir?«

      Er nickte und hievte sich mit einem Ächzen aus dem Stuhl. Seine Beine waren gefühllos, sein Rücken hingegen schmerzte.

      »Ich wusste gar nicht, dass du Willa kennst, Tine.«

      Sie lächelte verlegen.

      »Ich komme deinetwegen.«

      »Warum das denn?«

      Leichter Unmut stieg in Harro hoch. Seine Mitarbeiter machten sich vermehrt Sorgen um ihn, weil er, neben seinem stressigen Job, jede freie Minute im Krankenhaus verbracht. Tine betreute manchmal Kater Jimmy, wenn er es nicht schaffte, zwischen Dienstschluss und Krankenwache nach Hause zu fahren.

      »Harro, so geht es nicht weiter.«

      Tine blieb stehen. Kam nicht näher. Ihr Blick ging zur schlafenden Willa und wieder zurück zu ihrem Chef.

      »Du machst dich kaputt.«

      »Das geht keinen etwas an.«

      »Doch Harro. Vielleicht nicht in deinem Privatleben, obwohl ich auch als eine gute Freundin zu dir spreche, aber sehr wohl im Kollegenkreis. Meinst du, wir merken nicht, wie zerstreut du bist? Anwesend, aber nicht wirklich mit deinem Verstand bei uns. Müller und Lehrkamm wollten dir schon raten, eine Auszeit zu nehmen.«

      »Ich habe keinen Tag gefehlt.«

      »Trotzdem bist du nicht einsatzfähig. Wie lange mag es noch dauern, bis sich in deinen Berichten Fehler einschleichen, du etwas übersiehst?«

      »Was erwartest du von mir, Tine? Soll ich hinschmeißen? Kündigen? Die Leitung Müller oder diesem Schleimer Lehrkamm übertragen?«

      »Nein, Harro. Du sollst den Dingen ihren Lauf lassen. Willa liegt im Koma. Dass du hier sitzt und ununterbrochen grübelst, lässt sie nicht aufwachen.«

      Aber vielleicht auch nicht sterben, dachte er.

      »Harro, sie ist gut aufgehoben hier. Sie wird versorgt. Und du, du kommst jetzt mit mir und wir gehen einen Happen essen.«

      Harros Ärger verschwand so schnell, wie er erschienen war. Natürlich hatte Tine recht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Willa erwachte, änderte sich nicht durch seine Anwesenheit. Er streckte sich, seine Gelenke knackten. Er schüttelte seine Beine aus.

      »Einverstanden, lass uns gehen.«

      Tines Lächeln wurde breiter.

      »Gut so.«

      »Ich will mich noch verabschieden, ja? Dann komme ich nach.«

      »Ich warte am Haupteingang auf dich. Aber nicht ewig.«

      »Klar.«

      Sie nickte und verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

      Der Regen prasselte und die Geräte summten, das stetige Piepen veränderte sich nicht. Willa lag in ihrem Bett wie Dornröschen, dieser Vergleich fiel ihm wieder ein. Keine hundert Jahre, aber Wochen, sogar Monate, mochte es noch dauern, wenn nicht doch das Schlimmste eintrat. Willa hätte ihn wie Tine ermutigt, sein Leben wieder aufzunehmen. Seiner Arbeit mit Konzentration nachzugehen. Keine Frage.

      Für eine Minute konnte sich Harro dennoch nicht bewegen. In seinem Kopf schrie er, brüllte er: Willa! Wach auf! Sofort! Oder ich gehe.

      Die Tür wurde erneut geöffnet. Harro aus seiner Starre katapultiert. Sein Herzschlag beschleunigte sich, jetzt war er tatsächlich verärgert.

      »Tine, ich habe dir doch gesagt, ich komme gleich nach.«

      »Verzeihen Sie«, es war nicht Tine Latisch, die ins Zimmer kam, sondern einer der Krankenpfleger. »Sie sind doch vom Rechtsmedizinischen Institut?! Der Leiter, Doktor deNärtens, nicht?«

      »Ja, der bin ich.«

      Der junge Mann räusperte sich.

      »Ich habe die letzten Tage öfters darüber nachgedacht, Sie anzusprechen.« Er wirkte verlegen. »Also, um auf den Punkt zu kommen: Ich war auf der Universität, bei einem Ihrer Vorträge. Vor dem Sommer. Sie hatten über die neuen Möglichkeiten der Todeszeitbestimmung mit digitalen Hilfsmitteln referiert. Es war öffentlich zugänglich und deshalb konnte ich dabei sein. Es war toll.«

      »Kommen Sie bitte zur Sache.«

      »Verzeihen Sie. Ich habe Dienstschluss und wollte die Gelegenheit beim Schopf packen und Sie etwas fragen. Könnte ich aus meinem Job heraus einen weiteren Werdegang an der Rechtsmedizin machen? Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Es ist okay, als Pfleger zu arbeiten.«

      »Ich verstehe Sie durchaus richtig, junger Mann.« Harro überlegte kurz. »Eine meiner Mitarbeiterinnen, Tine Latisch, hat ihren Beruf ebenso über den zweiten Bildungsweg in Angriff genommen. Im Moment wartet sie am Haupteingang. Eigentlich auf mich, aber sie beide könnten stattdessen einen Happen essen gehen und sich dabei unterhalten. Eine großgewachsene hübsche Frau. Sprechen Sie sie an, erzählen Sie ihr, was ich eben vorgeschlagen habe. Okay?«

      »Wenn Sie meinen? Geht das denn?«

      »Klar doch. Ich werde doch noch etwas länger hier bleiben.«

      Der Pfleger ließ sich von Harro aus dem Zimmer schieben.

      Zwei Fliegen mit einer Klappe, dachte Harro.

      Ihm war bewusst, dass Tine sich den Abend anders vorgestellt hatte, aber er konnte Willa nicht verlassen. Noch nicht. Vielleicht würde er in einer halben Stunde zu den beiden dazu stoßen. Tine konnte ihm per SMS mitteilen, in welches Lokal es sie verschlagen hatte. Er würde nachkommen. Hungrig war er ohnehin nicht. Unfassbar, wo er sonst all seine Probleme und seinen Stress mit Essen löste.

      Hoffnung, dachte er, Hoffnung ist eine wundervolle Betrügerin.

      Er setzte sich zurück auf die СКАЧАТЬ