Название: Sprachenübergreifendes Lernen
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823302711
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[D]ie Spracherfahrung eines Menschen [erweitert sich] in seinen kulturellen Kontexten […], von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker (die er entweder in der Schule oder auf der Universität lernt oder durch direkte Erfahrung erwirbt).
Auf Grundlage des GeR wurden 2004 die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Hauptschul- und den mittleren Bildungsabschluss formuliert (KMK, 2004). Neben dem Erwerb interkultureller Kompetenz als oberstem Lernziel (ebd., S.6) soll der Unterricht in der ersten Fremdsprache die Grundlage für die Bewältigung mehrsprachiger Situationen schaffen, indem am Ende der Sekundarstufe I „die kommunikativen, interkulturellen und methodischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler für ihr Handeln in mehrsprachigen Situationen […] verlässlich ausgebildet worden sind“ (ebd.). In den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die allgemeine Hochschulreife (KMK, 2012) wird neben der Förderung individueller Mehrsprachigkeit auch das ‚Lernen des Lernens‘ als bedeutsam hervorgehoben: „Dem schulischen Fremdsprachenunterricht kommt eine besondere Bedeutung für die Entwicklung von Mehrsprachigkeit und im Hinblick auf lebensbegleitendes Sprachenlernen zu“ (KMK, 2012, S.9, vgl. auch HKM, 2016, S.10). Die Bildungsstandards von 2004 und 2012 heben also im Einklang mit dem GeR sowohl auf die Förderung von individueller Mehrsprachigkeit als auch von Sprachlernkompetenz ab.
2.2 Förderung individueller Mehrsprachigkeit durch Interkomprehension
Grundsätzlich muss man allerdings feststellen, dass im GeR kaum Konkretes zur Entwicklung von Mehrsprachigkeit gesagt wird. Die Kompetenzbeschreibungen beziehen sich nur auf eine Zielsprache, sodass der GeR keine methodischen Hilfen bietet, um Synergien zwischen den Sprachen herzustellen1. Als Ergänzung zum GeR versteht sich der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (Candelier et al., 2012), der Deskriptoren für mehrsprachige Kompetenz beinhaltet. Zentral sind die Kompetenz, sprachlich und kulturell im Kontext von Alterität zu kommunizieren, und die Kompetenz zum Aufbau und zur Ausweitung eines mehrsprachigen und interkulturellen Repertoires. Um diese Kompetenzen zu fördern, bieten sich mehrsprachigkeitsdidaktisch-basierte Lehr-/Lernverfahren, wie z.B. Interkomprehension an. Bei Interkomprehension handelt es sich um „das Verstehen einer fremden Sprache, ohne diese zuvor formal erlernt zu haben“ (Meißner, 2004, S.97). Dabei wird das Ziel verfolgt, das „synergetische Potential“ zu nutzen, das zwischen Sprachen und Kulturen liegt (vgl. Meißner, 2002, S.27). Konkret geschieht dies durch Erkennen sog. Transferauslöser, also z.B. Lexemen, die Lernende in der unbekannten Zielsprache dank ihrer Vorkenntnisse in der Ausgangssprache oder Brückensprache verstehen. So ermöglicht beispielsweise das Französische als Brückensprache „das schnellere Erlernen anderer moderner romanischer Sprachen, des Lateinischen und sogar des Englischen“ (HKM, 2011, S.13). Die motivationalen Auswirkungen des interkomprehensiven Ansatzes sind erheblich (vgl. z.B. Bär, 2010). Die zu erschließende Zielsprache wird in weiten Teilen als verstehbar erlebt, sodass die Selbstwirksamkeit der Lernenden gestärkt wird. Zugleich führt der Rückgriff auf Vorwissen zu einer Aufwertung der Brückensprache (vgl. Meißner, 2008a, S.85), die nun als Schlüssel zum Verstehen anderer Sprachen begriffen wird. Außerdem können dem Sprachenlernen weniger zuträgliche lernerseitige Vorstellungen revidiert werden (vgl. Meißner, 2010, S.136). Denn interkomprehensiv-basierte Lernverfahren lassen Einsichten in Sprachlernprozesse zu, da SchülerInnen „eine hohe Sensibilität für die eigenen Lernwege entwickeln“ (Meißner, 2008b, S.41). Dies erklärt die Nähe zu Konzepten wie dem der Sprachlernkompetenz, die im folgenden Kapitel umrissen wird.
2.3 Sprachlernkompetenz
Aus fremdsprachendidaktischer Perspektive gilt das lebenslange Lernen als eines der übergeordneten Lernziele: “Language teaching should above all seek to make learners autonomous, i.e. teach them to learn languages by themselves by developing a reflective approach to how they learn“ (Beacco, 2007, S.67). Lernende sollen kommunikative Erfahrungen auch außerhalb des schulischen Fremdsprachenunterrichts zum Sprachenlernen nutzen können. Grundvoraussetzung hierfür ist eine reflexive Haltung gegenüber dem Sprachenlernen, die darauf abzielt, Sprachlernprozesse bewusst zu gestalten und eigenständig zu initiieren, was unter dem Begriff der Sprachlernkompetenz (SLK) gefasst werden kann. Die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache weisen SLK als eigenen Kompetenzbereich aus (vgl. KMK, 2012, S.11)1. SLK umfasst die Fähigkeit und Bereitschaft der Lernenden, das eigene Sprachenlernen zu analysieren, um daraus Erkenntnisse für die Planung und Durchführung weiterer Sprachlernprozesse zu ziehen, „wobei die Schüler auf ihr mehrsprachiges Wissen und auf individuelle Sprachlernerfahrungen zurückgreifen“ (ebd., S.25). Es wird unterschieden zwischen dem grundlegenden und dem erhöhten Niveau2 (ebd., S.25f.). Das grundlegende Niveau beinhaltet die Fähigkeit
den Sprachlernprozess zu reflektieren und zu optimieren (S 1),
die eigenen rezeptiven und produktiven Kompetenzen zu prüfen und z. B. durch geeignete Strategien zu erweitern (S 2),
eine Selbsteinschätzung der sprachlichen Kompetenzen vorzunehmen und diese als Grundlage für die Planung weiterer Lernprozesse zu nutzen (S 3),
Begegnungen mit / in der Fremdsprache für das Sprachenlernen nutzbar machen zu können (im Gespräch mit Angehörigen der Zielsprache, durch TV, Internet, …) (S 4),
durch Erproben sprachlicher Mittel die eigene Kompetenz zu festigen und dafür auch auf Kompetenzen zurückzugreifen, die in anderen Sprachen erworben wurden (S 5).
Anhand der Standards für SLK wird ersichtlich, dass deren Verständnis „auf einer Lernkonzeption beruht, die Fremdsprachenlernen als einen aktiven und reflexiven Konstruktionsprozess des lernenden Subjekts modelliert“ (Martinez & Meißner, 2017, S.225). Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lernersprache findet sich bspw. in Standard 5 wieder, der die Erprobung sprachlicher Mittel mit dem Ziel der Festigung und unter Fruchtbarmachung von Vorwissen beschreibt. So kann die Aktivierung des mehrsprachigen Vorwissens zur Bedeutungserschließung bei der Rezeption zielsprachlicher Texte hilfreich sein, was allerdings impliziert, dass dies als Strategie wahrgenommen und bewusst eingesetzt wird (vgl. ebd., S.228). SLK ist also maßgeblich an der Förderung individueller Mehrsprachigkeit beteiligt und beinhaltet neben deklarativem und prozeduralem Wissen auch eine persönlichkeitsbezogene Komponente, wie Martinez & Meißner (2017, S.221) festhalten:
SLK bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Fremdsprachen zu lernen. Dies impliziert, den eigenen Fremdsprachenlernprozess (selbst) steuern und kontrollieren zu können. SLK umfasst neben der Entfaltung entsprechender (Lern-)Strategien Einsichten in attitudinale sowie motivationale Faktoren. SLK ist entscheidend nicht nur für die Ausbildung der individuellen Mehrsprachigkeit, sondern auch des lebenslangen Lernens und der Pflege von Fremdsprachenkenntnissen.
In diesem Kapitel wurde die sog. individuelle Mehrsprachigkeit als Grundlage der mehrsprachigen СКАЧАТЬ