Frau Jenny Treibel. Theodor Fontane
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Название: Frau Jenny Treibel

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783961182886

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СКАЧАТЬ so sind Sie geblieben. Aber mit Corinna bin ich nicht zufrieden. Sie spricht so modern und verleugnet ihren Vater, der immer nur in einer schönen Gedankenwelt lebte ...«

      »Nun ja, ja,« sagte der Professor. »Man kann es so nennen. Aber ich denke, sie wird sich noch wieder zurückfinden. Freilich, einen Stich ins Moderne wird sie wohl behalten. Schade. Das war anders als wir jung waren, da lebte man noch in Phantasie und Dichtung«

      Er sagte das so hin, mit einem gewissen Pathos, als ob er seinen Secundanern eine besondere Schönheit aus dem Horaz oder aus dem Parcival (denn er war Classiker und Romantiker zugleich) zu demonstrieren hätte. Sein Pathos war aber doch etwas theatralisch gehalten und mit einer feinen Ironie gemischt, die die Commerzienrätin auch klug genug war, herauszuhören. Sie hielt es indessen trotzdem für angezeigt, einen guten Glauben zu zeigen, nickte deshalb nur und sagte: »Ja, schöne Tage, die nie wieder kehren.«

      »Nein,« sagte der in seiner Rolle mit dem Ernst eines Großinquisitors fortfahrende Wilibald. »Es ist vorbei damit; aber man muß eben weiter leben.«

      Eine halbverlegene Stille trat ein, während welcher man, von der Straße her, einen scharfen Peitschenknips hörte.

      »Das ist ein Mahnzeichen,« warf jetzt die Commerzienrätin ein, eigentlich froh der Unterbrechung. »Johann unten wird ungeduldig. Und wer hätte den Mut, es mit einem solchen Machthaber zu verderben.«

      »Niemand,« erwiderte Schmidt. »An der guten Laune unserer Umgebung hängt unser Lebensglück; ein Minister bedeutet mir wenig, aber die Schmolke ...«

      »Sie treffen es wie immer, lieber Freund.«

      Und unter diesen Worten erhob sich die Commerzienrätin und gab Corinna einen Kuß auf die Stirn, während sie Wilibald die Hand reichte. »Mit uns, lieber Professor, bleibt es beim alten, unentwegt.« Und damit verließ sie das Zimmer, von Corinna bis auf den Flur und die Straße begleitet.

      »Unentwegt,« wiederholte Wilibald, als er allein war. »Herrliches Modewort, und nun auch schon bis in die Villa Treibel gedrungen ... Eigentlich ist meine Freundin Jenny noch gerade so wie vor vierzig Jahren, wo sie die kastanienbraunen Locken schüttelte. Das Sentimentale liebte sie schon damals, aber doch immer unter Bevorzugung von Courmachen und Schlagsahne. Jetzt ist sie nun rundlich geworden und beinah' gebildet, oder doch, was man so gebildet zu nennen pflegt, und Adolar Krola trägt ihr Arien aus Lohengrin und Tannhäuser vor. Denn ich denke mir, daß das ihre Lieblingsopern sind. Ach, ihre Mutter, die gute Frau Bürstenbinder, die das Püppchen drüben im Apfelsinenladen immer so hübsch herauszuputzen wußte, sie hat in ihrer Weiberklugheit damals ganz richtig gerechnet. Nun ist das Püppchen eine Commerzienrätin und kann sich alles gönnen, auch das Ideale, und sogar »unentwegt«. Ein Musterstück von einer Bourgeoise.«

      Und dabei trat er ans Fenster, hob die Jalousien ein wenig und sah, wie Corinna, nachdem die Commerzienrätin ihren Sitz wieder eingenommen hatte, den Wagenschlag ins Schloß warf. Noch ein gegenseitiger Gruß, an dem die Gesellschaftsdame mit sauer-süßer Miene teilnahm, und die Pferde zogen an und trabten langsam auf die nach der Spree hin gelegene Ausfahrt zu, weil es schwer war, in der engen Adlerstraße zu wenden.

      Als Corinna wieder oben war, sagte sie. »Du hast doch nichts dagegen, Papa. Ich bin morgen zu Treibel's zu Tisch geladen. Marcell ist auch da, und ein junger Engländer, der sogar Nelson heißt.«

      »Ich was dagegen? Gott bewahre. Wie könnt' ich was dagegen haben, wenn ein Mensch sich amüsieren will. Ich nehme an, Du amüsierst Dich.«

      »Gewiß amüsier' ich mich. Es ist doch 'mal 'was anderes. Was Distelkamp sagt und Rindfleisch und der kleine Friedeberg, das weiß ich ja schon alles auswendig. Aber was Nelson sagen wird, denk' Dir, Nelson, das weiß ich nicht.«

      »Viel Gescheidtes wird es wohl nicht sein.«

      »Das thut nichts. Ich sehne mich manchmal nach Ungescheidtheiten.«

      »Da hast Du Recht, Corinna.«

      Zweites Kapitel

      Die Treibel'sche Villa lag auf einem großen Grundstücke, das, in bedeutender Tiefe, von der Köpnickerstraße bis an die Spree reichte.

      Früher hatten hier in unmittelbarer Nähe des Flusses nur Fabrikgebäude gestanden, in denen alljährlich ungezählte Centner von Blutlaugensalz und später, als sich die Fabrik erweiterte, kaum geringere Quantitäten von Berliner Blau hergestellt worden waren. Als aber nach dem siebziger Kriege die Milliarden ins Land kamen und die Gründeranschauungen selbst die nüchternsten Köpfe zu beherrschen anfingen, fand auch Commerzienrat Treibel sein bis dahin in der Alten Jakobstraße gelegenes Wohnhaus, trotzdem es von Gontard, ja nach einigen sogar von Knobelsdorff herrühren sollte, nicht mehr zeit- und standesgemäß, und baute sich auf seinem Fabrikgrundstück eine modische Villa mit kleinem Vorder- und parkartigem Hintergarten. Diese Villa war ein Hochparterrebau mit aufgesetztem ersten Stock, welcher letztere jedoch, um seiner niedrigen Fenster willen, eher den Eindruck eines Mezzanin als einer Bel-Etage machte. Hier wohnte Treibel seit sechzehn Jahren und begriff nicht, daß er es, einem noch dazu bloß gemutmaßten fridericianischen Baumeister zu Liebe, so lange Zeit hindurch in der unvornehmen und aller frischen Luft entbehrenden Alten Jakobstraße ausgehalten habe; Gefühle, die von seiner Frau Jenny mindestens geteilt wurden. Die Nähe der Fabrik, wenn der Wind ungünstig stand, hatte freilich auch allerlei Mißliches im Geleite; Nordwind aber, der den Qualm herantrieb, war notorisch selten, und man brauchte ja die Gesellschaften nicht gerade bei Nordwind zu geben. Außerdem ließ Treibel die Fabrikschornsteine mit jedem Jahre höher hinaufführen und beseitigte damit den anfänglichen Uebelstand immer mehr.

      * * *

      Das Diner war zu sechs Uhr festgesetzt; aber bereits eine Stunde vorher sah man Huster'sche Wagen mit runden und viereckigen Körben vor dem Gittereingange halten. Die Commerzienrätin, schon in voller Toilette, beobachtete von dem Fenster ihres Boudoirs aus all' diese Vorbereitungen und nahm auch heute wieder, und zwar nicht ohne eine gewisse Berechtigung, Anstoß daran. »Daß Treibel es auch versäumen mußte, für einen Nebeneingang Sorge zu tragen! Wenn er damals nur ein vier Fuß breites Terrain von dem Nachbargrundstück zukaufte, so hätten wir einen Eingang für derart Leute gehabt. Jetzt marschiert jeder Küchenjunge durch den Vorgarten, gerade auf unser Haus zu, wie wenn er mitgeladen wäre. Das sieht lächerlich aus und auch anspruchsvoll, als ob die ganze Köpnickerstraße wissen solle: Treibel's geben heut' ein Diner. Außerdem ist es unklug, dem Neid der Menschen und dem socialdemokratischen Gefühl so ganz nutzlos neue Nahrung zu geben.«

      Sie sagte sich das ganz ernsthaft, gehörte jedoch zu den Glücklichen, die sich nur weniges andauernd zu Herzen nehmen, und so kehrte sie denn vom Fenster zu ihrem Toilettentisch zurück, um noch einiges zu ordnen und den Spiegel zu befragen, ob sie sich neben ihrer Hamburger Schwiegertochter auch werde behaupten können. Helene war freilich nur halb so alt, ja kaum das; aber die Commerzienrätin wußte recht gut, daß Jahre nichts bedeuten und daß Conversation und Augenausdruck und namentlich die »Welt der Formen,« im einen und im andern Sinne, ja im »andern« Sinne noch mehr, den Ausschlag zu geben pflegen. Und hierin war die schon stark an der Grenze des Embonpoint angelangte Commerzienrätin ihrer Schwiegertochter unbedingt überlegen.

      In dem mit dem Boudoir correspondierenden, an der andern Seite des Frontsaales gelegenen Zimmer saß Commerzienrat Treibel und las das »Berliner Tageblatt«. Es war gerade eine Nummer, der der »Ulk« beilag. Er weidete sich an dem Schlußbild und las dann einige von Nunne's philosophischen Betrachtungen. »Ausgezeichnet ... Sehr gut ... Aber ich werde das Blatt doch bei Seite schieben oder mindestens das »Deutsche Tageblatt« darüber legen müssen. Ich glaube, Vogelsang giebt mich sonst auf. Und ich kann ihn, wie die Dinge mal liegen, nicht mehr entbehren, so wenig, daß ich ihn zu heute habe СКАЧАТЬ