Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Die Sonne brannte den Ausflüglern heiss aufs Gesicht, der Staub drang ihnen unaufhörlich in die Augen und zu beiden Seiten der Strasse dehnten sich endlose kahle schmutzige und stinkende Felder aus. Man hätte denken sollen, dass ein Aussatz sie verwüstet und bis auf die Häuser ausgesogen habe, denn die halbverfallenen und unbenutzten Gerippe der Häuser, oder besser gesagt die kleinen halbvollendeten Bauten, deren Eigentümer wegen Geldmangel aufgehört hatten, streckten ihre vier nackten dachlosen Mauern gen Himmel.
Hier und da stiegen aus der kahlen Fläche mächtige Fabrikschornsteine empor, die einzigen Wahrzeigen menschlichen Lebens in dieser starren Gegend, wo die Frühlingswinde einen Duft von Teer und Petroleum nebst einem anderen noch unangenehmeren, mit sich führten.
Endlich kam man zum zweiten Mal über die Seine; und auf der Brücke nun gab es ein allgemeines Staunen. Der Strom erglänzte im Sonnenlichte eine Dunstwolke zog sich von ihm aus zum Tagesgestirn empor, und mit stillem Behagen sog man hier in der wohltuenden Ruhe die frische reine Luft ein, die nun endlich von dem Schwarzen Rauch der Fabrikschlote und dem Dunst der Werkstätten frei war.
Bei einem Vorübergehenden hatte man den Namen des Ortes hier erfahren: Es war Bezons.
Der Wagen hielt und Herr Dufour las die einladende Aufschrift einer Garküche: »Restaurant Poulien, Ragouts und Braten; Gesellschaftszimmer, Garten mit Schaukel. Nun, Madame Dufour, gefällt Dir das? Wirst Du Dich entschliessen?«
Madame las nun auch: »Restaurant Poulin, Ragouts und Braten; Gesellschaftszimmer, Garten mit Schaukel.« Dann schaute sie das Haus lange an.
Es war ein reinliches ländliches Gasthaus am Rande der Strasse. Durch die offene Tür sah man die blanken Zinnschüsseln des Schenktisches, vor welchem zwei Arbeiter im Sonntagsgewande standen. Endlich hatte Madame sich entschieden:
»Ja, es ist gut hier, und ausserdem hat man Aussicht.« sagte sie.
Der Wagen bog in einen geräumigen mit großen Bäumen bepflanzten Hof ein, der sich bis hinter das Gasthaus ausdehnte und von der Seine nur durch den Leinpfad getrennt war.
Man stieg ab. Der Mann sprang zuerst herunter und öffnete die Arme um seine Frau aufzufangen. Der von zwei Eisenstangen gehaltene Fusstritt war ziemlich nahe über dem Boden, sodass sie den unteren Teil eines Beines sehen ließ, dessen ursprüngliche Feinheit jetzt unter einem ziemlichen Fettansatz verschwand, der ihre Schenkel bedeckte. Herr Dufour, den die Landluft aus seiner gewohnten Schläfrigkeit geweckt hatte, kniff sie in die Wade, dann fasste er sie unter die Arme und ließ sie langsam wie ein großes Packet zur Erde gleiten.
Sie klopfte mit den Händen auf ihr Seidenkleid um den Staub zu entfernen und sah sich dann ihre Umgebung näher an.
Madame Dufour war eine Frau von ungefähr sechsunddreissig Jahren, wohlgenährt, üppig und von munteren Sinnen. Sie atmete etwas schwer, indem das zu eng geschnürte Corset sie bedrückte, und die hochaufgeschnürte starke Brust stieg wie eine wogende Masse fast bis zu ihrem Doppelkinn empor. Hierauf schwang sich das junge Mädchen, indem es seine eine Hand auf die Schulter des Papa stützte, ohne weitere Hilfe aus dem Wagen. Der Bursche mit dem Flachskopf hatte einen Fuss auf das Rad gesetzt und dieses als Trittbrett benutzt. Jetzt half er Herrn Dufour, die Großmutter auszuladen.
Hierauf wurde das Pferd abgespannt und an den nächsten Baum gebunden; der Wagen fiel vornüber und fand seine Stütze in der Schere. Die beiden Männer zogen ihre Röcke aus, wuschen sich die Hände in einem nahe stehenden Tränkeimer und begaben sich nach Vervollständigung ihrer Toilette wieder zu den Damen, die bereits auf den Schaukeln Platz genommen hatten.
Fräulein Dufour versuchte sich stehend ohne Hilfe zu schaukeln; indess wollte ihr der rechte Schwung nicht gelingen. Sie war ein hübsches Mädchen von achtzehn bis zwanzig Jahren, eines jener Wesen, deren Anblick auf der Strasse einen plötzlich reizt und nicht selten eine unruhige, aufgeregte Nacht verursacht. Groß, von schlanker Taille und breiten Hüften, hatte sie einen sehr bräunlichen Teint, sehr große Augen und tiefschwarze Haare. Ihr Kleid ließ die Fülle ihrer Körperformen deutlich hervortreten, namentlich bei den charakteristischen Bewegungen der Hüften, mit denen sie sich jetzt in Schwung zu bringen versuchte. Mit den ausgestreckten Armen hatte sie die Seile in Höhe ihres Kopfes erfasst und ihre Brust hob sich unwillkürlich bei jedem Stoss, den sie sich gab. Ihr Hut, den ein Windstoss fortgeschleudert hatte, lag hinter ihr, und wie nun die Schaukel endlich doch anfing sich höher zu heben, zeigten sich bei jedem Schwunge derselben ihre niedlichen Beine bis zum Knie. Die beiden Männer schauten lachend diesem Schauspiel zu und liessen sich das Gesicht durch den Windhauch fächeln, den ihre flatternden Kleider hervorriefen. Dieser Luftzug schien ihrer Nase ein angenehmeres Gefühl zu bereiten, als der Duft von Alkohol.
Madame Dufour sass auf der andren Schaukel, und stöhnte fortgesetzt in einförmigem Tone:
»Cyprian, komm und schaukle mich; komm doch und schaukle mich, Cyprian!« Schliesslich ging er hin, nachdem er die Ärmel wie zu einem schwierigen Stück Arbeit aufgestülpt hatte und setzte seine Frau mit unendlicher Mühe in Bewegung.
Die Stricke umklammernd, streckte sie die Füsse geradeaus, um nicht den Boden zu streifen, und ergötzte sich an der einschläfernden Hin- und Herbewegung der Schaukel. Ihre Formen zitterten bei dieser Beschäftigung fortwährend wie Gellee auf einer Schlüssel. Aber als die Schwingungen stärker wurden bekam sie heftige Furcht. Jedes Mal, wenn es nach unten ging, stiess sie einen gellenden Schrei aus, wodurch alle Dorfjungen herbeigelockt wurden; und sie bemerkte hinter der Gartenhecke eine Anzahl Burschenköpfe, welche sich vor Lachen fast ausschütten wollten.
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