Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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»Jetzt los, gehen wir.«
Sie stiegen die Treppe hinauf, ohne sich beim Portier zu melden, der sie auch gar nicht bemerkt hatte. Einer von den Beamten blieb auf der Straße, um den Eingang zu überwachen.
Die vier Männer blieben im Flur des zweiten Stockwerks stehen. Georges presste zunächst sein Ohr gegen die Tür, dann hielt er seine Augen an das Schlüsselloch. Er hörte nichts und sah auch nichts. Er klingelte.
Der Kommissar sagte zu seinen Leuten:
»Ihr bleibt hier draußen und wartet, bis ich euch rufe.«
Sie warteten. Nach zwei, drei Minuten zog Georges von Neuem mehrere Male an der Klingel. Sie hörten im Inneren der Wohnung ein Geräusch. Dann näherte sich ein leiser, kaum hörbarer Schritt. Jemand kam heran, offenbar, um hinauszuspähen. Der Journalist klopfte nun heftig mit seinem gekrümmten Finger gegen die hölzerne Täfelung der Tür.
Eine Stimme, eine verstellte Frauenstimme, fragte:
»Wer ist da?«
Der Polizeioffizier rief:
»Öffnen Sie im Namen des Gesetzes.«
Die Stimme wiederholte:
»Wer sind Sie?«
»Ich bin der Polizeikommissar, öffnen Sie oder ich lasse die Tür erbrechen.«
»Was wollen Sie?« fragte die Stimme wieder.
Du Roy rief:
»Ich bin es. Es ist zwecklos, uns entrinnen zu wollen.«
Die leichten Barfußschritte huschten fort; nach ein paar Sekunden kamen sie wieder.
Georges sagte:
»Wenn Sie nicht öffnen wollen, erbrechen wir die Tür.«
Er drückte die Türklinke aus Messing nieder und stemmte mit seiner Schulter gegen die Tür. Da keine Antwort erfolgte, stieß er so heftig und gewaltsam dagegen, dass das alte Schloss dieser möblierten Wohnung nicht standhielt und nachgab. Die Schrauben flogen aus dem Holz, und der junge Mann wäre beinahe auf Madeleine gefallen, die nur mit Hemd und Unterrock bekleidet, mit nackten Beinen und zerzaustem, aufgelöstem Haar im Vorraum mit einer Kerze in der Hand stand.
»Da ist sie, wir haben sie.«
Und er stürzte in die Wohnung hinein. Der Kommissar nahm seinen Hut ab und folgte ihm. Die junge Frau schritt verwirrt und erschrocken hinter ihnen her und beleuchtete ihnen den Weg.
Sie gingen durch das Speisezimmer, der Tisch war noch nicht abgedeckt und die Reste der Mahlzeit standen darauf; leere Champagnerflaschen, eine offene Gänseleberpastete, Hühnerknochen und zur Hälfte aufgegessene Brotstücke. Auf dem Anrichtetisch standen zwei Teller mit leeren Austernschalen.
Im Schlafzimmer war alles durcheinander geworfen, als wenn ein Kampf stattgefunden hätte. Ein Damenkleid lag über einer Stuhllehne. Ein paar männliche Unterhosen hingen auf dem Arm eines Lehnstuhls, ein Bein rechts, eins links. Vier Stiefel, zwei große und zwei kleine, lagert auf der Seite neben dem Bett herum. Es war ein Schlafzimmer einer möblierten Wohnung mit ganz gewöhnlichen Möbeln; ein widriger und fader Geruch eines Hotelzimmers schwebte in der Luft, ein Geruch, der aus den Gardinen, aus den Matratzen, aus den Wänden und aus den Polstermöbeln zu dringen schien; ein Menschendunst aller derer, die in dieser öffentlichen Schlafstelle geschlafen oder gewohnt hatten, sei es nur einen Tag oder ein halbes Jahr, und die von ihrem eigenen Geruch etwas zurückgelassen hatten; und diese Ausdünstungen erzeugten, gemischt mit denen ihrer Vorgänger, letzten Endes einen undefinierbaren süßlichen und unausstehlichen Gestank, der in allen solchen Schlupfwinkeln derselbe ist.
Ein Teller mit Kuchen, eine Flasche Chartreuse und zwei noch halbvolle Gläschen standen auf dem Kamin. Eine bronzene Standuhr war mit einem Herrenhut verdeckt.
Der Kommissar drehte sich schnell um und sah Madeleine scharf in die Augen:
»Sie sind Madame Claire Madeleine Du Roy, die legitime Gattin des hier anwesenden Schriftstellers Herrn Prosper Georges Du Roy.«
Sie sprach mit erstickter Stimme:
»Jawohl.«
»Was treiben Sie hier?«
Sie antwortete nicht.
Der Beamte fuhr fort:
»Was treiben Sie hier? Ich finde Sie außerhalb Ihres Hauses, fast entkleidet, in einer möblierten Wohnung. Warum sind Sie hergekommen?«
Er wartete einige Augenblicke. Sie schwieg noch immer.
Dann fuhr er fort:
»Wenn Sie es mir nicht sagen wollen, Madame, werde ich gezwungen sein, es festzustellen.«
Man sah im Bett die Gestalt eines menschlichen Körpers, die sich unter der Bettdecke verborgen hielt. Der Kommissar trat heran und rief:
»Mein Herr.«
Der Mann im Bett rührte sich nicht. Er schien den Anwesenden den Rücken zu drehen, den Kopf unterm Kissen vergraben. Der Offizier berührte die Decke, wo die Schulter zu sein schien, und wiederholte:
»Mein Herr, ich bitte Sie, mich nicht zu zwingen, zu Tätlichkeiten überzugehen.«
Doch der eingehüllte Körper blieb genau so unbeweglich, als wenn er tot wäre.
Du Roy trat hastig ans Bett, zog die Decke zurück und riss das Kopfkissen fort; das totenblasse Gesicht Laroche-Mathieus wurde sichtbar.
Er neigte sich über ihn und sagte mit zusammengepressten Zähnen, zitternd vor Begierde, ihn an der Kehle zu packen und zu erdrosseln:
»Haben Sie wenigstens den Mut, Ihre Gemeinheit СКАЧАТЬ