Название: Der Geist des Llano Estacado
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783780213174
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„Ich sage es Euch, auch ohne dass Ihr darum bittet. Ich habe nämlich sehr viel dagegen, dass Ihr aus Taylorsville kommt.“
„Warum? Habt Ihr Feinde dort?“
„Keinen einzigen. Aber erklärt mir doch einmal, wohin Ihr wollt!“
„Hinauf nach Fort Elliot.“
„Hm! Da geht wohl der nächste Weg hier bei mir vorüber?“
„Nein, aber ich hörte so viel Liebes und Gutes von Euch, dass es mich im Herzen verlangte, Euch kennenzulernen.“
„Das wünscht ja nicht, Mister Burton, denn es könnte Euch nicht gut bekommen! – Doch weiter! Wo habt Ihr denn Euer Pferd?“
„Mein Pferd? Ich habe keins. Ich komme zu Fuß.“
„Oho! Versucht ja nicht, mir das weis zu machen! Ihr habt das Tier hier irgendwo versteckt und ich vermute stark, dass es kein ehrenhafter Grund ist, der Euch dazu veranlasst hat. Hier reitet jeder Mann, jede Frau und jedes Kind. Ohne Pferd gibt es in dieser Gegend kein Fortkommen. Ein Fremder, der sein Ross versteckt und dann leugnet, eins zu besitzen, führt sicherlich nichts Gutes im Schilde.“
Der Mormone schlug die Hände beteuernd zusammen und rief: „Aber, Mister Helmers, ich schwöre Euch, dass ich wirklich kein Pferd besitze. Ich gehe auf den Füßen der Demut durchs Land und habe noch nie in einem Sattel gesessen.“
Da erhob sich Helmers von der Bank, trat zu dem Fremden hin, legte ihm die Hand schwer auf die Schulter und fuhr ihn an: „Mann, das sagt Ihr mir, der ich so lange Jahre hier an der Grenze lebe? Meint Ihr denn, ich sei blind? Ich sehe ja, dass Ihr Euch die Wolle von den inneren Seiten Eurer Hose geritten habt. Ich sehe die Sporenlöcher in Euern Stiefeln, und...“
„Das ist kein Beweis, Sir!“, fiel ihm der Mormone in die Rede. „Ich habe die Stiefel alt gekauft. Die Löcher waren bereits drin.“
„So! Wie lange tragt Ihr sie denn nun bereits?“
„Seit zwei Monaten.“
„Dann wären die Löcher längst mit Staub oder Schmutz gefüllt. Oder macht Ihr Euch etwa das Vergnügen, sie täglich neu auszubohren? Es hat in letzter Nacht geregnet. Eine so weite Fußwanderung hätte Eure Stiefel über und über beschmutzt. Dass sie so sauber sind, ist ein sicherer Beweis, dass Ihr geritten seid. Übrigens riecht Ihr nach Pferd, und da, da schaut einmal her! Wenn Ihr einmal wieder die Sporen in die Rocktasche steckt, so sorgt dafür, dass nicht ein Rad davon außen am Saum hängen bleibt!“ Er deutete auf ein Sporenrad aus Messing, das aus der Tasche des Fremden hervorsah.
„Diese Sporen habe ich gestern gefunden“, verteidigte sich der Mormone.
„So hättet Ihr sie lieber liegen lassen sollen, da Ihr sie ja doch nicht braucht. Übrigens geht es mich nichts an, ob Ihr reitet oder auf Schusters Fregatte segelt. Meinetwegen könnt Ihr auf Schlittschuhen durch die Welt laufen. Wenn Ihr zahlen könnt, sollt Ihr Essen und Trinken haben. Dann aber macht Euch wieder fort! Über Nacht kann ich Euch nicht behalten. Ich nehme nur Leute, die keinen Verdacht erregen, bei mir auf.“
Helmers trat ans Fenster, sagte einige halblaute Worte hinein, kehrte dann wieder an seinen Platz zurück und kümmerte sich scheinbar nicht weiter um den Fremden. Der Mormone setzte sich an den nächsten Tisch, legte sein Bündel darauf, faltete kopfschüttelnd die Hände und senkte ergeben das Haupt, ruhig wartend, was man ihm bringen werde. Er gab sich das Aussehen eines Mannes, dem unverdient ein Leid geschehen ist.
Hobble-Frank hatte der Unterhaltung aufmerksam zugehört. Jetzt, da sie beendet war, beachtete er den Mormonen nicht weiter. Anders aber verhielt sich Bloody-Fox.
Der Jüngling hatte gleich beim Erscheinen des Fremden die Augen weit geöffnet und dann den Blick nicht wieder von ihm gewandt. Er hatte sich nicht gesetzt und war willens gewesen, die Farm zu verlassen. Sein Pferd stand ja noch neben ihm. Jetzt griff er sich nach der Stirn, als bemühe er sich vergeblich, sich auf etwas zu besinnen. Dann ließ er die Hand sinken und nahm langsam dem Farmer gegenüber Platz, sodass er den Mormonen genau beobachten konnte. Er gab sich Mühe, das nicht merken zu lassen, aber er konnte die innere Spannung nicht verbergen.
Da trat eine ältliche, wohlbeleibte Frau aus der Tür. Sie brachte Brot und ein gewaltiges Stück gebratene Rindslende herbei. „Das ist meine Frau“, erklärte Helmers dem Hobble-Frank in deutscher Sprache, während er mit dem Mormonen Englisch gesprochen hatte. „Sie versteht ebenso gut Deutsch wie ich.“
„Freut mich ungeheuer“, meinte Frank, indem er ihr die Hand reichte. „Es ist gar lange Zeit her, dass ich mich zum letzten mal mit einer Lady um die deutsche Muttersprache herumbewegte. Seien Sie mir also herzlich gegrüßt, meine liebliche Frau Helmers! Hat sich Ihre Wiege vielleicht auch im Vater Rhein oder in der Schwester Elbe geschaukelt?“
„Wenn auch das nicht“, entgegnete sie lächelnd. „Man pflegt auch drüben in der Heimat die Wiegen nicht ins Wasser zu stellen. Aber eine geborene Deutsche bin ich doch.“
„Na, das mit dem Rhein und der Elbe war natürlich nich so wörtlich gemeint. Ich drücke mich mehrschtenteels gewählt und vornehm aus. Was mich anlangt, so habe ich meinen ersten wonnevollen Atemzug in der Nähe von Elbflorenz getan, was der mathematische Geograf Dresden nennt.“
Die gute Frau wusste nicht, was sie dem eigentümlichen Kerlchen antworten sollte. Sie sah ihren Mann fragend an und Helmers kam ihrer Verlegenheit zu Hilfe, indem er erklärte: „Der Herr ist ein lieber Kollege von mir, ein Forstmann, der drüben sicher eine gute Laufbahn gemacht hätte.“
„Ganz gewiss!“, fiel Frank schnell ein. „Die Forstwissenschaft war die Leiter, auf der ich mit Armen und Beinen emporgeklimmt wäre, wenn mich nich mein Fatum hinten angepackt und herüber nach Amerika gezogen hätte. Ich hoffe, wir werden uns schnell und gut kennenlernen, meine ergebenste Frau Helmers!“
„Davon bin ich überzeugt!“, entgegnete sie ihm zunickend.
„Übrigens ist mein Bier jetzt alle. Könnte ich noch eins bekommen?“
Sie nahm sein Glas, um es ihm nochmals zu füllen. Bei dieser Gelegenheit brachte sie für den Mormonen Brot, Käse, Wasser und ein kleines Gläschen voll Brandy mit. Er begann sein einfaches Mahl, ohne sich darüber zu beschweren, dass er kein Fleisch erhalten hatte.
Jetzt kam Bob der Neger herbei. „Masser Bob sein fertig mit Pferden“, meldete er. „Masser Bob auch mit essen und trinken!“
Da fiel sein Blick auf den Heiligen der letzten Tage. Er blieb stehen, musterte den Mann einige Augenblicke und rief dann: „Was sehen Masser Bob! Wer hier sitzen! Das sein Massa Weller, der Dieb, der haben gestohlen Massa Baumann all sein viel Geld!“
Der Mormone fuhr von seinem Sitz auf und starrte den Schwarzen erschrocken an.
„Was sagst du?“, fragte Frank, indem er auch aufsprang. „Dieser Mann soll jener Weller sein?“
„Ja, er es sein. Masser Bob ihn genau kennen. Masser Bob ihn haben damals sehr gut ansehen.“
„Lack-a-day! Das wäre ja eine allerliebste Begegnung. Was sagt denn Ihr dazu, Mister Tobias Preisegott Burton?“
Der Mormone hatte seinen augenblicklichen Schreck überwunden. Er machte eine СКАЧАТЬ