Название: Sophienlust Box 15 – Familienroman
Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Sophienlust Box
isbn: 9783740970642
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Nach einer Stunde vergeblichen Suchens kamen die Männer zurück. Jochen rief noch immer Corinnas Namen. »Es hat keinen Zweck mehr«, sagte der Anführer der Bergwacht zu ihm. »So, wie es aussieht, müssen wir das Schlimmste annehmen.«
»Sie meinen …« Jochen musste noch einmal Luft holen, um die erschreckende Wahrheit aussprechen zu können. »Sie meinen, Corinna ist abgestürzt?«
In den Augen des erfahrenen Bergretters standen Mitleid und Trauer, als er Jochens Worte bestätigte. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Wenn Ihre Verlobte sich noch hier oben befände, hätten wir sie finden müssen. Meine Männer haben den ganzen Berggipfel abgesucht.«
»Aber vielleicht …, vielleicht haben wir nicht gründlich genug gesucht.« Doch innerlich wusste Jochen genau, dass seine Hoffnung unsinnig war. Der Gipfel lag frei da. Es gab keine kleineren Schluchten, Nischen oder Höhlen. Nur die große, verderbenbringende Tiefe.
Jochen schlug die Hände vors Gesicht. Er schämte sich seines Schmerzes nicht. Doch plötzlich riss ihn ein Gedanke hoch. Er starrte die Männer der Bergwacht an, wobei sich in seinen verzweifelten Gesichtsausdruck ein Hoffnungsschimmer einschlich. »Es gibt noch eine Möglichkeit!«, rief er aus. Seine Worte überschlugen sich fast.
Die Männer der Bergwacht zuckten verständnislos mit den Schultern. Sie wussten nicht, was Jochen meinte. Nur einer von ihnen ahnte, woran Jochen dachte. Er war in dem Dorf am Fuße der Berge groß geworden und kannte praktisch jeden Stein in dieser Umgebung. »Sie meinen die Felsvorsprünge an der Vorderseite des Berges?«, fragte er.
Jochen nickte eifrig. »Ja, ich habe sie durchs Fernglas vom Dorf aus gesehen. Sie wirkten sehr klein, aber es wäre doch möglich …« Er konnte vor Erregung nicht weitersprechen.
Der Bergwachtmann nickte. »Sie sind groß genug, dass sich ein Mensch darauf halten kann«, bestätigte er.
In einem wilden Hoffnungstaumel riss Jochen das Seil aus dem Rucksack.
Doch einer der Männer zerstörte seine geringe Hoffnung mit einer Tatsache, die stimmte. »Die Felsvorsprünge liegen nicht unterhalb der normalen Aufstiegsroute.«
Jochens Züge erstarrten. Er wusste, was das bedeutete. Wenn Corinna den normalen Aufstieg zum Gipfel benutzt hatte und gefallen war, konnte sie gar nicht auf einem dieser Vorsprünge hängengeblieben sein. Er begriff auf einmal, wie gering diese letzte Chance war, die er entdeckt hatte. Doch so schnell gab er dieses Fünkchen Hoffnung nicht auf.
»Es wäre doch möglich, dass sie vom Weg abgekommen ist«, gab er zu bedenken.
Der Anführer der Bergwachtgruppe wiegte den Kopf. »Als wir Ihre Verlobte sahen, befand sie sich noch auf dem richtigen Weg. Aber möglich wäre es trotzdem, dass sie sich später verlaufen hat. Doch dann hätte sie eigentlich unsere Rufe hören müssen.«
Dasselbe sagte sich Jochen auch. Trotzdem wollte er nicht aufgeben. »Ich seile mich zu den Felsvorsprüngen ab«, erklärte er mit Bestimmtheit und rollte sein Seil bereits auf.
Doch der Führer der kleinen Truppe hielt ihn zurück. »Ihre Idee ist gut, aber lassen Sie mich das machen. Sie sind zu nervös.«
Doch Jochen schüttelte eigensinnig den Kopf. Er hatte die fast kindliche Einbildung, dass er Corinna finden würde, wenn er selbst etwas riskierte. »Es ist meine Verlobte. Daher fällt auch mir die Aufgabe zu, ihr zu helfen. Wenn ich es noch kann.«
Die Männer nickten schweigend. Sie verstanden ihn. »Gut, wir werden Sie von hier oben sichern.«
Von da an wurde nichts mehr gesprochen. Mit schnellen und geübten Handgriffen schlugen die Männer einige Haken in den harten Fels, schlangen Jochens Seil darüber und sicherten es doppelt ab.
Jochen selbst seilte seinen Körper an, sodass er buchstäblich in dem festen Seil hing. Das war auch notwendig, denn seine Hände brauchte er für andere Dinge. Er musste, während die Männer ihn Stück für Stück hinunterließen, noch einige Haken in die fast überhängende Wand schlagen.
»Fertig?«
Jochen nickte. Mit angespannten Gesichtern standen die Männer der Bergwacht über ihm, als Jochen die steile Wand hinunter buchstäblich ins Nichts schwebte. Und obwohl er völlig schwindelfrei war, wagte er es doch nicht, nach unten zu blicken. Zu grausam gähnte die schwarze Tiefe unter ihm. Nicht auszudenken, wenn Corinna dort hinuntergestürzt war. Doch er verbot sich derartige Gedanken augenblicklich. Er benötigte jetzt seine ganze Kraft und Konzentration.
»Langsamer!«, kommandierte der Bergwachtführer von oben. »Nicht so hastig, das ist gefährlich!« Sie gaben das Seil jetzt nur noch Zentimeter für Zentimeter frei.
Noch bevor Jochen den ersten Felsvorsprung mit seinen Füßen erreichte, sah er, dass er leer war. Sein Magen krampfte sich zusammen.
»Was ist?«, wollten die Männer von oben wissen.
»Nichts. Leer«, antwortete Jochen rau, doch nur er selbst wusste, wie viel Grausamkeit und Schmerz sich in diesen beiden Worten verbarg.
»Weiter! Seil nachgeben«, kommandierte er nach oben, sodass das Seil Stück für Stück mit ihm in die Tiefe glitt. Seine Fußsohlen stemmte er senkrecht gegen die Wand. Der zweite Vorsprung war so winzig, dass gerade nur seine beiden Füße darauf Platz fanden. Hier hätte sich ohnehin niemand halten können.
Und dann entdeckte er unter dem jetzt überhängenden Felsen einen breiteren Vorsprung, auf dem ein dunkler Schatten zu erkennen war. Sein Herz begann zu rasen. »Mehr Seil«, schrie er nach oben und arbeitete sich nach rechts hinüber, obwohl auch das gefährlich war. Er hätte in der gleichen Linie bleiben müssen, in der die Männer über ihm standen und das Seil hielten, das noch zusätzlich im Boden verankert war.
Stück für Stück schwebte er durch die Luft auf den Vorsprung zu. Er starrte so intensiv in das überschattete Dunkel, dass seine Augen zu brennen begannen. Doch dann war er sicher. Kein Zweifel, dort lag ein Mensch. Seine Augen hatten sich jetzt auch an das ungewisse und schon dämmerige Licht gewöhnt.
Corinna, schrie sein Herz. Doch seine Lippen brachten keinen Laut hervor. Als er nur noch einen Meter über dem Vorsprung schwebte, erkannte er sogar ihr Gesicht. »Liebste«, schluchzte er auf, hatte sich aber gleich darauf wieder in der Gewalt.
Noch einige Zentimeter, noch einmal, und dann berührten seine Füße den Fels, auf dem sie lag. Erst jetzt erkannte er, dass die Hälfte ihres Körpers bereits über den Fels hinweghing. Eine einzige falsche Bewegung –?und sie musste unweigerlich in die Tiefe stürzen.
Ungeheuer vorsichtig setzte Jochen seine Füße neben ihrem Körper auf. »Corinna, Liebste, hörst du mich?«
Sekundenlang durchzuckte ihn eisiger Schreck. Dann erkannte er, dass sie nur bewusstlos war. Doch gleichzeitig mit diesem Erkennen begriff er, wie schwierig, wenn nicht unmöglich es sein würde, die Bewusstlose hinaufzuziehen, das wäre Mord gewesen. Mit Sicherheit würden sie dann beide in die Tiefe stürzen.
Also gab es keinen anderen Weg, als sich selbst wieder hinaufziehen zu lassen und Verstärkung zu holen. Jetzt sah er auch den Karabinerhaken in der Wand, an dessen Seil Corinna hing. So vorsichtig war sie zumindest gewesen. Höchstwahrscheinlich verdankte sie dieser ungenügenden Absicherung sogar ihr Leben.
Jochen СКАЧАТЬ