Название: Sexy Versager
Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961641314
isbn:
Er verließ das Bahnhofsgebäude mit der hässlichen Schalenverkleidung, nur um sich unter der noch hässlicheren Beton-Eisenbahnbrücke wiederzufinden. Drei Straßen und drei Minuten bis zur Arbeit. Zwei. Eine.
»Du bist zu spät«, begrüßte Jördis ihn, als er seine Tasche fallen ließ und sich auf den Schreibtischstuhl warf.
Wortlos loggte er sich ein und setzte sein Headset auf.
»Die merken das.« Jördis war nervös wie eine gefangene Spitzmaus. »Die können das sehen. Sie erfassen die Zeit.«
»Sind doch nur zwei Minuten«, brummte er und stützte sich auf der grauen Plastikplatte ab, die ihm als Schreibtisch diente.
Viel zu klein, kaum Platz für seinen Collegeblock und den Roman, den er zwischen den Anrufen las. Die Tische im Online-Sekretariat standen in Dreiergruppen zusammen. Sie nannten die Gruppen »Stationen«.
An jeder Station war Platz für drei Mitarbeiter, die dort telefonierten, oder vielmehr versuchten, wütende Kunden zu beruhigen. Elf Stationen ragten aus dem Teppichboden, wie Felsen aus einem bleigrauen Meer. Dreiunddreißig Mitarbeiter hätten in diesen Raum gepasst. Viel zu viele Menschen.
Glücklicherweise war heute Sonntag und es war ziemlich leer. Ben mochte Ruhe. Und die Wochenendzulage. Und die Nachtzulage, die er nachher auch einstreichen würde. Es dämmerte bereits.
»Sie könnten dich feuern«, flüsterte Jördis.
»Ist doch eh ein Scheißjob«, murrte Ben. »Wie viele haben heute schon geheult?«
»Nur zwei«, sagte Jördis. »Emily und … und ich. So ein Typ, der zu FitnessBuddys Porz wollte. Der war … der war ziemlich gemein. Der hat mich zu blöd zum Leben genannt und ein hohles Miststück.«
»Ach, scheiße.« Ben wusste nie, wie er Mitleid ausdrücken sollte. Er überlegte, ihr den Rücken zu tätscheln. Aber wer wollte schon von ihm getätschelt werden?
»Nicht so schlimm«. Eine offensichtliche Lüge. Sie schaffte es nicht mal, zu lächeln. »Dafür haben wir einen neuen Kollegen.« Sie senkte ihre Stimme. »Einen süßen neuen Kollegen. Da hinten, bei Anike und Bärbel.«
Ben sah sich um.
Kacke.
Nicht der, schrie er innerlich. Nicht dieser schmierige Schleimer!
Marek Kucera saß ganz hinten, strahlend schön und glattpoliert wie ein Kiesel. Und glücklicherweise halb verborgen von einer Trennwand, wegen der Ben ihn nicht direkt entdeckt hatte. Bärbel, ihre Supervisorin, erklärte ihm gerade etwas. Im Flüsterton, mit glänzenden Augen. Natürlich.
Alle Mädels flogen auf Marek Kucera. Diesen Sack. Aber das war es nicht, was Ben an ihm störte. Er hasste ihn, weil er wie die hübschere Ausgabe von Dennis Alfred aussah. Und, weil er genau den gleichen miesen Charakter hatte. Und, weil er überall beliebt war und weil er Ben gleich am ersten Tag als Bauer beschimpft hatte.
Gerade, als Ben noch Hoffnungen gehabt hatte, dass in Hamburg alles anders werden würde, lief ihm dieser Spacko über den Weg. Am ersten Tag des ersten Semesters des Chemiestudiums, als sie alle auf den Stufen vor der Uni gesessen hatten, um sich kennenzulernen. Ben war furchtbar schlecht darin, Leute kennenzulernen. Er hatte während des ersten Semesters nicht eine Freundschaft geschlossen. Marek dafür hundert. Mindestens.
Er beobachtete Marek. Beobachtete, wie er der Supervisorin aufmerksam zuhörte, nickte, seine weißen Zähne blitzen ließ. Dieses reiche Söhnchen. Was machte der hier? Musste er etwa Geld verdienen? Seine Eltern steckten ihm doch bestimmt alles in den Arsch, oder?
Am liebsten hätte er ihn danach gefragt. Aber schon kam ein Anruf durch und Ben musste sein Sprüchlein aufsagen.
2. Brötchen verdienen
»Guten Tag, Sie sprechen mit der Firma FitnessBuddys Porz. Mein Name ist Marek Kucera, wie kann ich Ihnen helfen?«
Gut, er hatte es richtig vorgelesen. Marek sah auf den Bildschirm vor sich, auf dem die gewünschte Begrüßung stand. Okay. Das Headset kratzte an den Ohren, aber ansonsten war der Job einfach. Den Anrufern erzählen, bei welcher Firma sie angeblich gelandet waren, versuchen, durchzustellen, und wenn das nicht klappte: Ihre Nachricht aufnehmen, die Rückrufnummer notieren und dann eine E-Mail mit allen Informationen an FitnessBuddys Porz schicken.
»Unsere Kunden sind Unternehmen aus ganz Deutschland, die sich keine Sekretärin leisten möchten. Wir leiten die Anrufe auf uns um und tun so, als würden wir in ihren Vorzimmern sitzen. Entweder verbinden wir oder geben die Anruferinformationen an den Kunden weiter.«
So hatte Bärbel es ihm erklärt.
»Ich will mit Herrn Berger sprechen«, sagte eine leicht gereizt wirkende Stimme am anderen Ende des Hörers.
Marek lächelte zuvorkommend. Der Anrufer konnte ihn nicht sehen, aber das Lächeln hörte man heraus. Auch das hatten sie ihm erklärt. Dreimal. Ob man ihm ansah, wie dumm er war?
»Herr Berger befindet sich gerade in einem Meeting«, sagte er. »Aber er ruft Sie gern zurück. Was darf ich ihm ausrichten?«
Kein Problem, so ein Job. Selbst, wenn man so langsam kapierte wie Marek …
»Sie dürfen ihm ausrichten, dass er ein verficktes Arschloch ist!«, brüllte der Anrufer. »Und ein beschissener Betrüger! Ich klag dem den Arsch ab, darauf kann er sich verlassen! Das können Sie ihm ausrichten!«
»Äh … gerne.« Was? Marek sah sich nach Hilfe suchend um. Aber Bärbel telefonierte gerade selbst und der andere Platz war leer.
»Was ist denn das Problem?, fragte er, obwohl sie ihm eingeschärft hatten, die Anrufe so schnell wie möglich zu erledigen.
»Das Problem?« Lautes Schnaufen. »Ich sag Ihnen, was das Problem ist! Vor fünf Monaten … FÜNF MONATEN hab ich bei ihm den Fitbodymaster3000 bestellt, und bis heute ist nichts angekommen! Vor fünf Monaten! Ich will mein Geld zurück!«
Marek hörte ein klagendes Fiepen in seinen Ohren.
»Ah, gut. Das richte ich ihm … gern aus.«
»Einen Scheiß richten Sie aus! Ich hab schon zwanzigmal angerufen und nie ist was passiert! Ihre saubere Kollegin hat auch immer behauptet, dass er zurückruft! Sie verbinden mich jetzt mit ihm! Sofort!«
»Aber … okay, ich versuche es gern«, sagte Marek. »Einen Moment, bitte.«
Er klickte auf den Button »Verbinden«. Hörte ein Tuten. Das System versuchte, ihn zu Herrn Berger durchzustellen. Marek sah zu Bärbel hinüber, die gerade das Headset vom Ohr streifte und sich dort kratzte.
»Bärbel«, wisperte er. Bärbel sah sich um und schenkte ihm ein Lächeln. »Ich hab hier jemanden dran und der Typ ist total sauer. Er meint, er wartet seit fünf Monaten auf ein Fitnessgerät oder so.«
Ein Schatten flog über Bärbels Gesicht. Ihr Mund lächelte nur noch breiter, aber in ihren Augen wurde es trüb.
»FitnessBuddys СКАЧАТЬ