Название: Sherlock Holmes' Buch der Fälle
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955012410
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»Es geschah auf einer Yachtreise im Mittelmeer. Obwohl es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte, bezahlte jeder die Passage selbst. Ohne Zweifel waren sich die Veranstalter über den wahren Charakter des Barons erst im klaren, als es zu spät war. Der Schurke nahm die Lady für sich ein, und das mit solchem Erfolg, daß er voll und ganz ihr Herz gewonnen hat. Die Feststellung, daß sie ihn liebt, drückt den Sachverhalt nur unzureichend aus. Sie ist vernarrt in ihn, sie ist von ihm besessen. Außer ihm gibt es nichts auf der Welt. Sie will kein Wort gegen ihn hören. Alles wurde bereits unternommen, um sie von ihrer Verrücktheit zu kurieren, aber vergeblich. Kurz, sie beabsichtigt, ihn nächsten Monat zu heiraten. Da sie volljährig ist und einen eisernen Willen hat, ist guter Rat teuer, wie man sie daran hindern könnte.«
»Weiß sie von der österreichischen Episode?«
»Der schlaue Teufel hat ihr von jedem schmutzigen öffentlichen Skandal seiner Vergangenheit erzählt; aber immer so, daß er sich dabei als unschuldigen Märtyrer darstellt. Sie nimmt ihm seine Version uneingeschränkt ab und will von keiner anderen hören.«
»Meine Güte! Aber ist Ihnen nun der Name Ihres Klienten nicht doch noch unabsichtlich entschlüpft? Zweifellos handelt es sich um General de Merville.«
Unser Besucher ruckte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Ich könnte Sie ja täuschen, indem ich es behauptete, Mr. Holmes; aber es wäre nicht die Wahrheit. De Merville ist ein gebrochener Mann. Der unbeugsame Soldat wurde von diesem Vorfall vollständig demoralisiert. Er hat den Mut, der ihn auf dem Schlachtfeld nie im Stich ließ, verloren und ist zu einem schwachen, zitternden Greis geworden, der völlig unfähig ist, es mit einem brillanten, kräftigen Halunken wie diesem Österreicher aufzunehmen. Mein Klient ist jedenfalls ein alter Freund – einer, der den General seit vielen Jahren genau kennt und an diesem jungen Mädchen, schon seit sie noch Kinderkleidchen trug, väterliches Interesse nimmt. Er kann nicht tatenlos mit ansehen, wie sich diese Tragödie vollzieht. Für Scotland Yard gibt es hierbei keinerlei Handhabe. Es war sein Vorschlag, Sie zu konsultieren; aber dies geschah, wie ich schon erwähnt habe, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er persönlich nicht in die Sache hineingezogen würde. Ich zweifle nicht daran, Mr. Holmes, daß Sie mit Ihren hervorragenden Fähigkeiten die Spur zu meinem Klienten mühelos zurückverfolgen könnten, aber ich muß Sie bitten, es als Ehrensache zu betrachten, daß Sie dies unterlassen und sein Inkognito nicht verletzen.«
Holmes lächelte verschmitzt.
»Ich glaube, das kann ich mit Sicherheit versprechen«, sagte er. »Ich möchte hinzufügen, daß mich Ihr Problem interessiert und daß ich bereit bin, mich damit zu befassen. Wie kann ich mit Ihnen in Verbindung bleiben?«
»Man findet mich über den Carlton Club. Aber für Notfalle gibt es einen privaten Telephonanschluß: XX.31.«
Holmes notierte die Nummer und saß, noch immer lächelnd, mit dem geöffneten Notizbuch auf dem Knie da.
»Und die gegenwärtige Adresse des Barons, bitte?«
»Vernon Lodge, in der Nähe von Kingston. Es ist ein großes Haus. Er hatte bei einigen ziemlich anrüchigen Spekulationen Glück und ist ein reicher Mann, was ihn natürlich zu einem noch gefährlicheren Gegner macht.«
»Hält er sich gegenwärtig zu Hause auf?«
»Ja.«
»Können Sie mir abgesehen von dem, was Sie mir bereits mitgeteilt haben, noch weitere Informationen über den Mann geben?«
»Er hat kostspielige Neigungen. Er ist Pferdezüchter. Eine kurze Zeit lang spielte er Polo in Hurlingham, aber dann erregte diese Prager Affäre Aufsehen, und er mußte damit aufhören. Er sammelt Bücher und Gemälde. Er hat auch eine ausgeprägte künstlerische Seite. Er ist, soviel ich weiß, eine anerkannte Autorität für chinesische Keramik und hat darüber bereits ein Buch geschrieben.«
»Ein vielseitiger Geist«, sagte Holmes. »Das haben alle großen Verbrecher so an sich. Mein alter Freund Charlie Peace9 war ein Violinvirtuose. Wainwright10 war kein übler Künstler. Ich könnte noch viele anführen. Nun gut, Sir James, Sie können Ihrem Klienten ausrichten, daß ich mein Augenmerk auf Baron Grüner richten werde. Mehr kann ich jetzt nicht sagen. Ich besitze ein paar eigene Informationsquellen und glaube, wir werden Mittel und Wege finden, die Sache in Gang zu setzen.«
Als unser Besucher gegangen war, saß Holmes so lange in tiefen Gedanken da, daß es mir vorkam, als habe er meine Anwesenheit vergessen. Aber schließlich fand er unvermittelt auf den Boden der Wirklichkeit zurück. »Na, Watson, schon eine Idee?« fragte er.
»Ich würde es für das beste halten, wenn Sie einmal mit der jungen Lady selbst sprächen.«
»Mein lieber Watson, wenn ihr armer alter gebrochener Vater sie nicht umstimmen kann, wie soll dann ich, ein Fremder, es schaffen? Falls jedoch alle Stricke reißen, hat der Vorschlag etwas für sich. Aber ich glaube, wir müssen den Hebel woanders ansetzen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß Shinwell Johnson uns dabei weiterhilft.«
Ich hatte in diesen Memoiren noch keine Gelegenheit, Shinwell Johnson zu erwähnen, weil ich meine Darstellungen nur selten den späteren Phasen der Karriere meines Freundes entnommen habe. Er wurde während der ersten Jahre dieses Jahrhunderts zu einem wertvollen Gehilfen. Johnson, ich sage es mit Bedauern, machte sich zuerst als sehr gefährlicher Schurke einen Namen und büßte zweimal eine Strafe in Parkhurst11 ab. Schließlich bereute er und verbündete sich mit Holmes, indem er als sein Agent in Londons riesiger Unterwelt agierte und zu Informationen gelangte, die sich oft als lebenswichtig erwiesen. Wäre Johnson ein Polizeispitzel gewesen, hätte man ihn bald entlarvt; aber da er sich nur auf Falle einließ, die nicht gleich vor Gericht kamen, wurden seine Aktivitäten von seinen Kumpanen niemals bemerkt. Der Glanz seiner beiden Verurteilungen verschaffte ihm Zutritt zu jedem Nachtclub, jeder Absteige und jeder Spielhölle der Stadt, und seine scharfe Beobachtungsgabe sowie sein rascher Verstand machten ihn zu einem idealen Agenten für die Beschaffung von Informationen. Und just an diesen Mann gedachte Sherlock Holmes sich nun zu wenden.
Es war mir nicht möglich, Holmes' unmittelbar anschließende Schritte zu verfolgen, da ich meinerseits einige dringende berufliche Verpflichtungen hatte; aber ich traf ihn, wie verabredet, noch am gleichen Abend im Simpson's, wo wir an einem kleinen Tisch am Vorderfenster saßen, auf den dahinrauschenden Lebensstrom des Strand12 hinabblickten und er mir einiges von dem erzählte, was inzwischen geschehen war.
»Johnson ist schon auf der Pirsch«, sagte er. »Er wird in den dunkleren Schlupfwinkeln der Unterwelt wohl manchen Unrat auflesen, denn genau dort unten, inmitten der schwarzen Wurzeln des Verbrechens, müssen wir auf die Geheimnisse dieses Mannes Jagd machen.«
»Wenn aber die Lady nicht glauben will, was längst bekannt ist, warum sollte dann irgendeine neue Enthüllung von Ihnen sie von ihrem Vorsatz abbringen?«
»Wer weiß, Watson? Frauenherz und Frauensinn sind dem Manne unlösbare Rätsel. Sie mögen einen Mord verzeihen oder rechtfertigen; aber irgendein geringeres Vergehen kann ihr Herz zernagen. Baron Grüner sagte mir ...«
»Er sagte Ihnen!«
»Ach so, natürlich, ich hatte Ihnen ja nichts von meinen Plänen erzählt. Tja, Watson, ich liebe nun mal die direkte Auseinandersetzung mit meinem Gegner. Ich stehe ihm gerne Auge in Auge gegenüber und deute mir selbst den Stoff, aus dem er gemacht ist. Nachdem ich Johnson seine Instruktionen erteilt hatte, nahm ich eine Droschke nach Kingston und traf den Baron in höchst leutseliger Stimmung an.«
»Wußte СКАЧАТЬ