Название: Schreiben und Lesen im Altisländischen
Автор: Kevin Müller
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Beiträge zur nordischen Philologie
isbn: 9783772001116
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der altnorwegische Wortschatz entlang dieser beiden Schriftlichkeiten sprachlich, materiell und schriftlich unterscheidet, wobei es zahlreiche Schnittmengen im Wortschatz und auch im Gebrauch der Schriftsysteme gibt. Trotzdem lassen sich eine stereotype literacy und runacy als Ausgangspunkt nehmen.
Bei der Erforschung des Schreibens im lateinischen Alphabet ist vor allem die Autorschaft der Texte von Interesse. Lönnroth (1964: 58, 84) beschäftigt sich im Zusammenhang der Schreiber- und Verfassertätigkeit isländischer Laien auch mit dem Wortschatz des Schreibens in verschiedenen Quellen, v.a. in Prologen und der Sturlunga saga. Wie im Lateinischen lässt sich der Wortschatz im Altisländischen in zwei Gruppen, Schreiben und Verfassen, einteilen. Zu ersterer zählt Lönnroth die Verben rita, ríta und skrifa, auf deren möglichen Bedeutungsunterschiede er nicht näher eingeht. Rita kommt zudem in der Kausativkonstruktion láta rita ‚schreiben lassen; etwas Geschriebenes in Auftrag geben‘ vor, deren Subjekt der Auftraggeber (beställare) ist. Dieser Auftrag wurde dann von einem oder mehreren Schreibern ausgeführt, wofür Lönnroth (1964: 54, 58, 84) zahlreiche Beispiele nennt. Zudem ist rita im Briefverkehr synonym mit senda ‚senden‘, d.h. es erfährt eine metonymische Verschiebung und darf nicht als ‚aufschreiben‘ verstanden werden. Die Verben der letzteren Gruppe unterscheiden sich semantisch voneinander: setja saman entspricht dem lateinischen componere und steht für die kompilatorische und redaktionelle Tätigkeit, während dikta in den ältesten Belegen ‚vorschreiben‘ später ‚verfassen, stilistisch ausformen‘ bedeutet und somit semantisch lat. dictare entspricht (vgl. Lönnroth 1964: 17). Von dictare ist auch segja fyrir beeinflusst und bedeutet einerseits ‚bestimmen, vorschreiben‘, andererseits ‚diktieren, verfassen‘, wobei es schwierig zu entscheiden ist, welche dieser beiden Bedeutungen in den einzelnen Belegen zutrifft (vgl. Lönnroth 1964: 18, 59, 82). Dies ist bei Quellenbelegen zur Autorentätigkeit gerade entscheidend, denn bei der Bedeutung ‚bestimmen, vorschreiben‘ wäre das Subjekt von segja fyrir der Auftraggeber und nur bei ‚diktieren, verfassen‘ der Autor.
Einen expliziten „semantic approach“ wagt Steblin-Kamenskij (1966: 24–28) bei der Untersuchung des altnordischen Autorenbegriffs, in dessen Rahmen er sich auch mit der Bedeutung der altnordischen Verben des Schreibens auseinandersetzt. Dabei stützt er sich hauptsächlich auf Wörterbücher und einzelne Belege. Er unterscheidet zwar zwischen den Konzepten SCHREIBEN und VERFASSEN, überträgt diese aber zu wenig konsequent ins Englische, so dass bei der Verwendung von write nicht in allen Fällen klar ist, ob es sich um ‚aufschreiben‘ oder ‚verfassen‘ handelt. Obwohl er das mittelalterliche Schreiben als scribal activity versteht, übersetzt er setja saman als writing und compiling, so dass auch da unklar bleibt, ob das Subjekt von setja saman ein Schreiber oder Verfasser ist. Zu write zählt er die Verben rita (ríta), skrifa, setja saman, setja á bók, samsetja. Segja fyrir, sitja yfir, ráða fyrir und láta rita identifiziert er mit dictate und compose. Das Verb dikta verengt er auf Latin composition. Setja saman scheint hingegen eine engere Bedeutung ‚kompilieren‘ zu haben und dikta ‚verfassen auf Latein‘.
Auf Steblin-Kamenskijs Untersuchung stützt sich Tómasson (1988: 181–184) in seiner Arbeit zu den Prologen isländischer Sagaschreiber (formálar íslenskra sagnaritara) im Kapitel zur „Arbeit oder Schöpfung“ (vinna eða sköpun) dieser Sagaschreiber. Er stellt darin fest, dass der Grenzraum zwischen Schreiber und Kompilator dünn sei. Zu einem ähnlichen Schluss kommt Würth (2007) in ihrer Untersuchung zu mittelalterlichen Übersetzungen ins Altnordische, nämlich dass je nach Situation Teile wörtlich übersetzt, andere geändert wurden. Sie bezeichnet diese Arbeitsweise als Patchwork-Produktion. Dies entspricht im Übrigen dem mittelalterlichen Kopierverständnis, bei dem keine vollständige und exakte Abschrift angestrebt wurde (vgl. Ludwig 2005: 85). Vermutlich wurden die vier Rollen Bonaventuras auch gar nicht so klar getrennt. Dies bedeutet natürlich nicht, dass diese verschiedenen Arbeitsweisen nicht lexikalisch unterschieden wurden, was ebenfalls die oben erwähnte Paarformel scribat et dictat demonstriert.
Es lässt sich so weit festhalten, dass zu den bei Spurkland (1994, 2004) schon СКАЧАТЬ