Название: Philosophisches Taschenwörterbuch
Автор: Voltaire
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783159617657
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Dort gibt es überhaupt keine von der Maschine verschiedene Seele. Doch wer bewegt den Blasebalg der Tiere? Ich habe es Euch bereits gesagt, derjenige, der die Sterne sich bewegen lässt. Der Philosoph, der gesagt hat Deus est anima brutorum,* hatte recht: Doch hätte er dabei nicht stehenbleiben sollen.
BIEN. SOUVERAIN BIEN – Das Gute. Das höchste Gut
In der Antike hat man sehr viel über das höchste Gut gestritten; genauso gut hätte man fragen können, was das absolute Blau ist oder das ideale Ragout, die reinste Form des Gehens oder des Lesens usw.
Jeder sieht das Gute dort, wo er vermag, und bekommt so viel davon, wie er – auf seine Art – bekommen kann.
Quid dem, quid non dem, renuis tu quod jubet alter.
Castor gaudet equis, ovo prognatus eodem pugnis. *
Das höchste Gut ist das, was uns in solchem Ausmaß ergötzt, dass es uns vollständig unfähig macht, noch irgendetwas anderes zu empfinden, ganz so, wie das größte Übel dasjenige ist, das so weit geht, uns aller Gefühle zu berauben. Dies sind die beiden Extreme der menschlichen Natur, und beide dauern sie nur einen kurzen Augenblick.
Es gibt weder extreme Wonnen noch extreme Qualen, die das ganze Leben andauern können: Das höchste Gut und das größte Übel sind beides Trugbilder.
Wir haben dazu die schöne Fabel von Krantor; er lässt den Reichtum, die Wollust, die Gesundheit und die Tugend bei den Olympischen Spielen erscheinen, und sie alle wollen den Apfel* haben. Der Reichtum sagt: »Ich bin das höchste Gut, denn mit mir kauft man alle Güter.« Die Wollust sagt: »Der Apfel gehört mir, denn man will den Reichtum nur haben, um mich zu besitzen.« Die Gesundheit versichert, dass es ohne sie keine Wollust gibt und dass der Reichtum überflüssig ist. Schließlich stellt es die Tugend so dar, dass sie über den drei anderen stehe, denn trotz Gold, Vergnügungen und Gesundheit könne das Leben erbärmlich sein, wenn man sich schlecht verhalte. Die Tugend bekam den Apfel.
Die Fabel ist sehr sinnig, doch ist sie keineswegs eine Antwort auf die absurde Frage nach dem höchsten Gut. Die Tugend ist kein Gut, sie ist eine Pflicht, sie ist von anderer Art, gehört zu einer höheren Ordnung; sie hat nichts mit schmerzvollen oder angenehmen Empfindungen zu tun. Wird der tugendhafte Mensch, den seine Koliken und die Gicht plagen, ohne Unterstützung, ohne Freunde, von einem wollüstigen Tyrannen, dem es seinerseits gut geht, des Notwendigsten beraubt, verfolgt und in Ketten gelegt, so ist er sehr unglücklich. Der unverschämte Verfolger aber, der auf seinem purpurnen Bett seine neue Geliebte streichelt, ist sehr glücklich. Sagen Sie, dass der verfolgte Weise seinem unverschämten Verfolger vorzuziehen ist, dass Sie den einen schätzen und den anderen verabscheuen, aber geben Sie zu, dass der Weise in seinen Ketten rasend wird vor Wut. Wenn der Weise das nicht zugibt, täuscht er uns – und ist ein Schwindler.
TOUT EST BIEN – Alles ist gut
Das gab einen schönen Tumult in den Fakultäten und sogar bei den Leuten, die ihre Vernunft gebrauchen, als Leibniz, Platon paraphrasierend, seine Konstruktion der besten aller möglichen Welten errichtete und sich vorstellte, dass alles zum Besten stehe.* Er saß da im Norden Deutschlands und beteuerte, dass Gott nur eine einzige Welt erschaffen konnte. Platon hatte ihm zumindest die Freiheit gelassen, fünf davon zu erschaffen:* aus dem Grunde nämlich, dass es nur fünf regelmäßige feste Körper gibt, den Tetraeder oder die dreiflächige Pyramide mit gleicher Grundfläche, den Würfel, den Hexaeder, den Dodekaeder, den Ikosaeder. Aber da unsere Welt nicht die Form eines dieser fünf Körper Platons hat, musste er Gott eine sechste erlauben.
Lassen wir nun den göttlichen Platon beiseite. Leibniz, der bestimmt ein besserer Geometer war als er und ein gründlicherer Metaphysiker, erwies also der Menschheit den Dienst, ihr klarzumachen, dass wir sehr zufrieden sein müssen und dass Gott nicht mehr für uns tun konnte, da er notwendigerweise von allen möglichen Lösungen die ausgewählt hatte, die unwidersprochen die beste ist.
»Und was wird dann aus der Erbsünde?«, schrie man ihm entgegen. »Es wird daraus werden, was daraus werden kann«, sagten Leibniz und seine Freunde, aber für die Öffentlichkeit schrieb er, dass die Erbsünde notwendigerweise zur besten aller Welten dazugehöre.*
Was! Man wird aus einem Ort der Freuden verjagt, wo man ewig hätte leben können, wenn man nicht einen Apfel gegessen hätte? Was! Im Elend elende Kinder zeugen, die alles erdulden müssen und andere alles werden erdulden lassen? Was! Alle Krankheiten durchmachen, allen Kummer verspüren, unter Schmerzen sterben und zur Erfrischung eine Jahrhunderte währende Ewigkeit in der Hölle schmoren; ist dieses Los wirklich das Beste, was es gab? Das ist nicht allzu gut für uns; und inwiefern kann das für Gott gut sein?
Leibniz erkannte, dass es darauf keine Antwort gab, deshalb schrieb er dicke Bücher, worin er sich selbst nicht auskannte.
Zu leugnen, dass es das Böse gibt, das kann sich lachend ein Lukullus erlauben, dem es gut geht und der mit seinen Freunden und seiner Geliebten im Apollo-Saal bei einem guten Essen sitzt; aber er braucht nur den Kopf aus dem Fenster zu strecken, da sieht er die Unglücklichen, und wenn er Fieber hat, gehört er selbst zu ihnen.
Ich zitiere nicht gern, normalerweise ist das ein schwieriges Geschäft; man vernachlässigt, was der zitierten Stelle vorausgeht und was ihr folgt, und man setzt sich tausend Streitereien aus. Dennoch muss ich jetzt den Kirchenvater Laktanz zitieren, der in seinem 13. Kapitel von Über den Zorn Gottes Epikur Folgendes sagen lässt: »Entweder will Gott diese Welt von dem Bösen befreien und kann es nicht, oder er kann es und will es nicht, oder er kann es nicht und will es auch nicht, oder schließlich er kann es und will es. Wenn er es will und nicht kann, ist es Ohnmacht, was der Natur Gottes widerspricht; wenn er es kann und nicht will, ist es Bosheit, und das widerspricht seiner Natur nicht weniger; wenn er es nicht will und nicht kann, ist es Bosheit und Ohnmacht zugleich; wenn er es will und kann (was von diesen Möglichkeiten die einzige ist, die auf Gott zutrifft), woher kommt dann das Böse auf der Welt?«*
Das Argument ist einleuchtend, deshalb antwortet Laktanz darauf sehr schlecht, wenn er sagt, dass Gott das Böse will, uns aber die Vernunft gegeben hat, mit der man das Gute bewirkt. Man muss zugeben, dass diese Antwort im Vergleich zu dem Einwand ziemlich schwach ist, denn sie setzt voraus, dass Gott uns die Vernunft nur verleihen konnte, indem er das Böse schuf; und dafür haben wir nun eine hübsche Vernunft!
Der Ursprung des Bösen war immer ein Abgrund, den niemand ergründen konnte. Das ist es, was so viele antike Philosophen und Gesetzgeber dazu brachte, ihre Zuflucht bei der Lehre von den zwei Prinzipien zu suchen, wovon das eine gut, das andere schlecht war. Bei den Ägyptern hieß das schlechte Prinzip Tiphon, bei den Persern Ahriman. Wie man weiß, übernahmen die Manichäer* diese Theologie, aber da diese Leute niemals weder mit dem guten noch dem schlechten Prinzip gesprochen hatten, muss man ihren Worten keinen Glauben schenken.
Unter den Absurditäten, die es auf dieser Welt im Überfluss gibt und die man zu der Unzahl unserer Übel hinzufügen kann, ist es kein geringer Unfug, dass man zwei allmächtige Wesen annahm, die sich darum schlagen, wer von beiden mit seinem Einsatz mehr in dieser Welt erreiche, und die wie die beiden Ärzte bei Molière einen Vertrag aushandeln: »Überlassen Sie mir das Brechmittel, dann überlasse ich Ihnen den Aderlass.«*
Bereits im ersten Jahrhundert der Kirche behauptete Basilides, den Platonikern folgend, dass Gott es seinen niedersten Engeln überlassen habe, unsere Erde zu erschaffen, und dass diese, da sie nicht geschickt waren, die Dinge so gemacht hätten, wie wir sie sehen. Diese theologische Fabel zerfällt durch den ausgezeichneten Einwand zu Staub, dass es der Natur СКАЧАТЬ