Belgische Finsternis. Stephan Haas
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Название: Belgische Finsternis

Автор: Stephan Haas

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783960416487

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СКАЧАТЬ Rehnhofs gehört halb Raaffburg, auch das Bistro. Die haben Geld bis zum Abwinken«, sagte Lechat.

      »Ein Kontrollgang also«, sagte ich in Erwartung einer weiterführenden Erklärung.

      »Soviel ich weiß, vermietet Alvin Rehnhof das Bistro schon seit Ewigkeiten. Es liegt nah an der Tiefkühlfabrik, sodass die Belegschaft hier oft zu Mittag isst. Ein wesentlicher Grund für Rehnhof, dass das Ding weiter existiert«, erklärte Lechat und schaltete einen Gang hoch.

      Mein Hemd war durch die Klimaanlage beinahe ganz getrocknet, meine Haut fühlte sich an, als wäre sie mit einer dünnen Schicht Zuckerguss überzogen. Am liebsten wäre ich kurz unter die Dusche gesprungen. Aber wo? Ich hatte ja noch nicht mal einen Plan, wo ich heute schlafen würde. Außerdem hatte ich in der Eile am Morgen, nachdem mich Bender abgeholt hatte, völlig vergessen, Wechselklamotten mitzunehmen.

      »Übrigens, das Hotel ist voll. Ich werde aber gleich bei Wilma Ersfeld in der Schule nachfragen. Sie ist ein guter Mensch, der öfter Hilfsbedürftige aufnimmt«, sagte Lechat, der meine Gedanken gelesen haben musste. Hilfsbedürftig – wahrscheinlich passte die Beschreibung ganz gut zu mir.

      »Das ist sehr freundlich«, antwortete ich. »Können Sie mir auch sagen, wo man hier günstig Kleidung kaufen kann?«

      Er musterte mich von oben bis unten.

      »Haben Sie nichts dabei?«

      Glaubt er etwa, ich bin zum Shoppen nach Raaffburg gekommen?

      »Nein.«

      Er überlegte kurz, bevor er entschlossen weitersprach. »Ich bringe Ihnen was bei Wilma vorbei, falls Sie dort schlafen können. Brauchen Sie sonst noch was?«

      »Nein, sonst ist alles gut. Ich danke Ihnen.«

      Auch wenn ich nicht scharf darauf war, in seine Unterhosen zu schlüpfen, war ich ihm für seine Hilfe dankbar. Zahnbürste und Duschgel würde ich mir später selbst besorgen. Und sicher auch Unterwäsche.

      »Keine Ursache. Das kriegen wir schon hin, machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte Lechat mich wie ein Vater.

      Wir bogen in eine Straße mit mehreren Reihenhäusern, an deren Ende ich das Schild der Polizei erkennen konnte. Bevor wir jedoch im Präsidium auf Vanderhagen und Bender treffen sollten, wollte ich unbedingt noch in Erfahrung bringen, warum dieser Fall so viel Aufmerksamkeit auf sich zog.

      »Karls erwähnte am Telefon eine neue Spur. Worum handelt es sich dabei?«

      Lechat zupfte nervös an seiner Hemdtasche. »Ein Mädchen und ein Austauschschüler haben bei Aufräumarbeiten in der Schule den alten Schülerkalender des vermissten Jungen gefunden.« Lechat quetschte sich eine Zigarette zwischen die trockenen Lippen. »Der Austauschschüler hat sich vor lauter Angst in die Hosen gemacht«, fuhr er lachend fort.

      »Und?«, fragte ich ungeduldig.

      »Der Junge hat wenig Schulisches eingetragen, war wohl nicht der Fleißigste. Aber hier und da sind geheimnisvolle Kürzel vermerkt. Wir haben sie zwar noch nicht entschlüsselt, aber sie könnten interessant sein. Besonders der Eintrag, den er am Tag seines Verschwindens gemacht hat.«

      Lechat parkte den Wagen und zog die Handbremse.

      »GW«, sagte er und schaute mich mit seinen hervortretenden blauen Augen so an, als sei bereits alles gesagt.

      »Ja und? Gibt es jemanden, auf den die Initialen passen?«, fragte ich, nachdem wir uns fünf Sekunden lang stumm angeschaut hatten.

      »Ja. Gregory Weeber.«

      »Wo ist das Problem? Laden wir den Jungen vor!«, sagte ich, während mir einfiel, dass der Junge mittlerweile wohl ein Mann sein musste.

      »Das geht leider nicht. Der Junge ist tot.«

      7

      Die Temperatur in dem Großraumbüro des Polizeipräsidiums betrug siebenunddreißig Grad Celsius, sofern die digitale Wetterstation nicht log. Von der Mittagssonne aufgeheizte Luft drückte durch die weit geöffneten Fenster ins Gebäude. Sie brachte einen Geruch nach Chemie mit, ein Gemisch aus Öl und Bitumen, wahrscheinlich vom erhitzten Flachdach des Nachbargebäudes. Die Dimensionierung des Büros war ein Relikt aus Jahren, in denen Akten noch ausschließlich in Papier angelegt worden waren. Dunkelbraune Schränke standen ringsum an den Wänden und ragten bis zu der vergilbten Stuckdecke. Insgesamt wirkte das Büro abweisend und viel zu groß für die wenigen Personen, die hier angestellt waren. Jeder meiner Schritte auf dem grau gesprenkelten Linoleumboden aus den Achtzigern wurde von einem unangenehmen Quietschen begleitet.

      Bender und Vanderhagen saßen sich gegenüber, jeder klebte vor seinem Bildschirm. Bender sprang auf, als er uns sah, und rieb nervös die verschwitzten Hände an seinen hinteren Hosentaschen trocken.

      »Möchten Sie Kaffee?«, fragte er.

      »Nein danke, für mich nicht.«

      Allein der Gedanke an Heißgetränke wirkte bei mir wie ein doppelter Aufguss in der Sauna.

      »Wir setzen uns jetzt gemeinsam an den großen Tisch«, ordnete Lechat an und zeigte auf einen ovalen Eichentisch, der weiter hinten im Büro stand.

      »Sie auch!«, ließ er Vanderhagen wissen. Gleichzeitig wies er mir den Platz gegenüber von sich zu.

      Vanderhagen blickte Lechat missmutig hinterher und griff nach einer der grünen Mappen, die seinen Schreibtisch säumten.

      »Glauben Sie, dass wir nichts Besseres zu tun haben, als uns um einen Fall zu kümmern, der seit fünfzehn Jahren im Schrank liegt?« Während Vanderhagen sprach, gab er vor, in die Akte vor sich vertieft zu sein, und blieb an seinem Schreibtisch sitzen. Abwartend beobachtete Lechat, wie Bender ihm zunächst Kaffee einschenkte und dann neben ihm Platz nahm. Kaum saß er, sprang er wieder hastig auf und flüsterte mir zu: »Sie wirklich nicht?«

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Letzten Freitag wurde bei den Weigels eingebrochen. Das hat jetzt erst mal Priorität«, murmelte Vanderhagen. Nervös tippelte er mit dem Zeigefinger auf der Computermaus herum.

      Lechat schaute ihn nicht an. Seine leicht hervortretenden Augen richteten sich auf das Blatt Papier vor ihm. Er las jedoch nicht, er überlegte, das spürte man. Dann, nachdem er noch einmal tief Luft geholt hatte, erhob er seine schleppende Stimme.

      »Sie kommen jetzt, oder ich schließe Sie von den gesamten Ermittlungen aus!«

      Hat er mich nicht gerade den Verantwortungswisch unterschreiben lassen?

      Egal. Ich merkte, dass Lechats Fokus auf etwas Wichtigerem lag. Auf dem, was er uns gleich erzählen wollte. Das damals Geschehene schockierte ihn offenbar noch heute.

      Mürrisch kam Vanderhagen zu uns an den Tisch und zerrte den Stuhl neben mir so rabiat zurück, als wollte er den Boden umpflügen. Dann setzte er sich, ohne die grimmige Miene abzulegen.

      »Vom 7. Februar bis zum 30. Juni 2003 trieb in Raaffburg ein Monster sein Unwesen. Ivo Heming schlug insgesamt fünfmal zu. Fünfmal Mutter und Sohn. Mit einer Axt trennte er den Opfern Kopf, Hände und Füße ab. Danach versteckte er die Körperteile.«

      Lechat СКАЧАТЬ