Leopold Figl. Birgit Mosser-Schuöcker
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Название: Leopold Figl

Автор: Birgit Mosser-Schuöcker

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783902998651

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СКАЧАТЬ Nicht gegen den allmächtigen „Führer“, nicht für das ohnmächtige Österreich. Den Kollegen, die genauso hektisch telefonieren, geht es nicht besser. Manchmal hört Leopold Figl Gesprächsfetzen, manchmal wiederholt ein fassungsloser Minister das soeben Gehörte: „Keine Ermutigung“, „Zeitgewinn“ oder „nicht erreichbar“. Auch auf Italien, das sich bislang als Freund und Beschützer Österreichs gebärdet hat, ist kein Verlass. Der italienische Außenminister Ciano lässt ausrichten, dass er „nichts dazu zu sagen habe“. Er folgt damit dem „Duce“, der der armen Witwe des ermordeten Dollfuß auf den Kopf zusagte, dass er nichts unternehmen werde.

      Leopold Figl nimmt seine Brille ab und vergräbt das Gesicht in seinen Händen. Das ist das Ende. Die Welt interessiert sich nicht für das Schicksal Österreichs. Niemand hilft. Das kleine Österreich ist keinen Krieg wert. „Entschuldigen S’, Herr Ingenieur, aber wir müssen da ein Kabel verlegen. Der Herr Bundeskanzler hält eine Ansprache!“, sagt ein Kanzler-Sekretär und deutet an, dass er Platz machen soll.

      »Und zum Schluss musste g’schwind ein Mikrofon her, und Schuschnigg hat die Abschiedsrede gehalten. Wir waren einsam und verlassen. Ich werde das nie vergessen. Und ich habe nach 1945 als Kanzler des Öfteren den Großmächten gesagt: ›Das, was ihr damals versäumt habt, müsst ihr jetzt gut machen.‹«14 Der ehemalige »Schutzhäftling« ist einer der wenigen österreichischen Politiker, der es wagen kann, den Alliierten einen Vorwurf zu machen.

      An jenem schicksalshaften 11. März ist Leopold Figl also unter den Zuhörern im Kanzleramt, als Kurt von Schuschnigg ins Mikrofon spricht, dass die Österreicher der »Gewalt weichen« und dass man »auch in dieser ernsten Stunde nicht deutsches Blut zu vergießen gesonnen« sei. Vermutlich haben ihn die Worte des Kanzlers, wie Millionen Menschen, tief bewegt. Nachdem das »Gott schütze Österreich« verhallt ist, verlassen Figl und Reither das Kanzleramt. Hier gibt es nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu tun. Jeder muss jetzt auf seine Weise mit dem Kommenden, dem Unausweichlichen, zurechtkommen. Automatisch lenken die beiden Niederösterreicher ihre Schritte in die Bauernbund-zentrale in der Schenkenstraße. Die Funktionäre erwarten sie schon mit hängenden Köpfen. Es ist die letzte Aufgabe des Landeshauptmannes und des Reichsbauernbunddirektors, den verstörten Männern zu erklären, was es zu erklären gibt. Dann ist auch diese deprimierende Pflicht erledigt. »Wir gingen traurig aus dem Haus, und waren wohl die letzten, die noch an Österreich geglaubt haben und die mit dem Gelöbnis aus dem Haus gingen, Österreicher und Bauernbündler bleiben zu wollen …«15, erinnert sich Leopold Figl später. Ein Gelöbnis, das in den kommenden Jahren auf eine schwere Probe gestellt werden wird.

      Als Leopold Figl durch das abendliche Wien nach Hause geht, hat sich seine Heimatstadt schon verändert. Noch hat die Wehrmacht die Grenze nicht überschritten, noch sind die Flugzeuge mit SS und Gestapo nicht gelandet, doch der Sieg der Nationalsozialisten ist bereits sichtbar, spürbar. Häuser sind plötzlich mit Hakenkreuzfahnen beflaggt, Polizisten tragen Armbinden mit dem gleichen Symbol. Es sind einheimische Beamte, keine Besatzer. Vielleicht ist Leopold Figl einem jener SA-Trupps begegnet, die schon durch die Straßen ziehen und »Deutschland erwache! Juda verrecke!« skandieren. Vielleicht hat Leopold Figl auf diesem Weg zum ersten Mal ein Gefühl verspürt, das ihn in den nächsten sieben Jahren nicht mehr verlassen wird: Ohnmacht.

      Teil II: Ohnmacht

      3. KAPITEL

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      Das erste Lebenszeichen aus dem KZ Dachau: eine Karte vom 17. April 1938.

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      Die Verhaftung: 12. März 1938

      Das Warten ist das Härteste. Leopold Figl dämpft seine Zigarette aus. Sein Blick wandert zu Hansl, der am Fenster steht und die Straße beobachtet. Niemand hat dem Kind erklärt, warum die Stimmung in der Wohnung so angespannt ist. Warum der Vater Papiere verbrennt und noch mehr raucht als gewöhnlich. Warum die Mutter so schweigsam ist und sich manchmal verstohlen über die Augen wischt. Warum der Sekretär des Vaters und eine fremde Frau im Wohnzimmer sitzen. Und warum die Erwachsenen ihn und die kleine Liesl immer wieder mit ernsten Blicken mustern. Niemand hat etwas zu Hansl gesagt, aber der Bub hat genug von den Erwachsenen aufgeschnappt, um zu begreifen: Fremde Männer werden kommen und den Vater mitnehmen.

      „Wenigstens die Kleine versteht es noch nicht“, denkt Leopold Figl. Liesl sitzt auf dem Boden und spielt mit ihrer Lieblingspuppe. Bei dem Gedanken an die Kinder krampft sich sein Magen zusammen. Sie werden den Vater brauchen, und er wird nicht da sein. Hilde wird stark sein müssen. Sie wird Hansl und Liesl Vater und Mutter zugleich sein müssen. Es klopft an der Türe, laut und herrisch. Obwohl Leopold Figl darauf gewartet hat, zuckt er zusammen. Es ist so weit. Schweigend erhebt er sich. Der Weg zur Wohnungstüre ist kurz, zu kurz. Sie sollen seine Angst nicht spüren, die Nazis. Der Hausherr atmet noch einmal tief durch, dann öffnet er. Drei Männer in Zivil. Sie tragen lange Mäntel und eine Hakenkreuz-Armbinde. „Sind Sie der Reichsbauernbunddirektor Leopold Figl?“, fragt einer der drei noch an der Türe. „Ja“, sagt der Angesprochene und nickt knapp. Was sonst sollte er antworten. Sie drängen ihn ins Wohnzimmer. Der Älteste, der offenbar ihr Anführer ist, schnarrt: „Wir haben einen Haft- und einen Haussuchungsbefehl!“ und zückt zwei maschingeschriebene Papiere. Bevor Leopold Figl Gelegenheit hat, die Schreiben zu lesen, steckt der Gestapo-Beamte sie wieder weg. Unterdessen beginnen die beiden anderen damit, die Wohnung zu durchsuchen. Sie werden nichts finden, ein kleiner Triumph. Die jungen Männer suchen routiniert und brutal. Es genügt nicht, das Ehebett zu durchwühlen. Sie schlitzen auch die Matratze auf. Es genügt nicht, Bilder abzunehmen. Sie reißen sie auch aus dem Rahmen. Bis auf ihr Gepolter herrscht Totenstille in der Wohnung. Der Anführer lässt Leopold Figl nicht aus den Augen. Wird er protestieren, der Herr Reichsbauernbunddirektor? Oder Schwäche zeigen?

      Während die fremden Männer die Wohnung durchwühlen, weicht Hansl seinem Vater nicht von der Seite. Sie sollen ihn nicht mitnehmen, den Papa. Der Gestapo-Mann schaut den Sechsjährigen streng an. Immer diese Gefühlsduselei mit den Kindern. „Sollen die Leute doch an ihre Bälger denken, bevor sie sich gegen den Führer stellen“, denkt er verbissen und schiebt den Kleinen grob von seinem Vater weg. Leopold Figl wird blass. Sie sollen ihn mitnehmen, aber Hilde und die Kinder endlich in Frieden lassen. Er will etwas sagen, doch sein Sekretär kommt ihm zuvor: „Lassen Sie doch wenigstens das Kind in Ruhe!“, protestiert Fritz Eckert. Die Augen des Gestapo-Mannes werden schmal. „Name?“, herrscht er Eckert an und beginnt in seinen Papieren zu blättern. „Schade, dass Sie nicht auf meiner Liste stehen!“, sagt er schließlich. Der Verhaftete atmet auf. Er hat es Eckert ja am Vormittag gesagt. Er soll nach Hause gehen, er gefährdet sich doch nur selbst. Aber der Gute hat irgendetwas von Treue, die man halten muss, geredet und ist einfach mitgegangen. Fast hätte er sich damit seine eigene Verhaftung eingehandelt, denkt sein Chef traurig. „Los, verabschieden Sie sich jetzt!“ Die Herren von der Gestapo haben das Interesse an der Figl’schen Wohnung verloren. Ein Händedruck für Eckert, ein flüchtiger Kuss für Hilde. Von den Kindern hat sich Leopold Figl schon verabschiedet, als sie noch unter sich waren. Nur keine Emotionen zeigen vor diesen Leuten. Schon sind sie im Stiegenhaus, schon schlägt die Türe des Polizeiwagens zu. Es ist gut, dass Leopold Figl nicht weiß, was ihm bevorsteht.

      Der spätere Bundeskanzler teilt sein Schicksal mit über 70 000 Österreichern. Schon in den ersten Tagen der Nazi-Herrschaft werden Juden, Monarchisten, Kommunisten, Politiker und Intellektuelle des Ständestaates verhaftet. Als der »Führer« am 15. März auf dem Heldenplatz vor der Geschichte den Eintritt seiner Heimat in das Deutsche Reich meldet, sind die Wiener Gefängnisse schon überfüllt.

      Leopold Figl sitzt an diesem Tag mit fünf Leidensgenossen in einer Einzelzelle im Polizeigefängnis an der Rossauer Lände, der sogenannten »Liesl«. Die Beamten, die Figl bewachen, haben СКАЧАТЬ