Название: Über die Grenze
Автор: Майя Лунде
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783825162023
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Plötzlich stand Papa da. Er drückte sich an Otto vorbei. »Ich dachte, wir hätten dir gesagt, dass du nicht mehr hierherkommen sollst?«, sagte er zu Johan.
»Aber ich dachte …«
»Du kannst deinem Vater einen schönen Gruß bestellen und ihm sagen, dass wir keine Kinder von Nazis bei uns zu Hause haben wollen«, unterbrach ihn Papa. Er nickte Richtung Auto, in dem Dypvik saß.
Johan antwortete nicht. Er drehte sich um und ging mit hängendem Kopf zurück zu seinem Vater.
Dypvik kam heraus und öffnete seinem Jungen die Tür. Er hatte seine dunkelblaue Uniform an. Er half Johan in den Wagen und tätschelte ihm den Kopf. Dann wandte er sich uns zu. Er warf Papa einen schrecklichen Blick zu, der schlimmer war als Ottos Schlangenblick. Papa starrte zurück. Während sie sich ohne ein Wort ansahen, schien etwas zwischen diesen beiden erwachsenen Männern zu passieren – etwas, das mein Herz erstarren ließ. Dann knallte die Wagentür zu, und Dypvik und Johan fuhren davon.
Papa schloss die Tür langsam und streckte Otto eine Hand entgegen.
»Otto, mein Junge, du verstehst doch, dass …«
Doch Otto drehte sich jäh um und lief hinauf in unser Zimmer.
Ich blieb mitten im Flur stehen und begriff nicht allzu viel. Aber rund um mein Herz war es immer noch kalt.
»Der Vater von Johan ist Mitglied in der Nationalen Sammlung, der NS«, sagte Papa zu mir. Als ob das alles erklärte.
»Du weißt doch, dass die NS mit den Deutschen zusammenarbeitet?«
Ich nickte.
»Deshalb wollen wir nichts mit ihnen zu tun haben«, fuhr er fort.
»Aber Johan ist doch Ottos bester Freund!«
»Nein«, sagte Papa. »Nicht mehr. Ihr dürft nicht mit Kindern von Nazis spielen. Verstehst du das?«
Ich nickte langsam, obwohl ich nicht sicher war, ob ich es wirklich ganz verstand. Johan hatte so traurig ausgesehen und Otto auch. Keiner von beiden wollte, dass es so war.
Papa strich mir mit seiner großen Hand über das frisch geschnittene Haar.
»Ich finde, es ist schön geworden«, sagte er, und ich mochte ihn wieder etwas mehr. Dann seufzte er tief aus dem Bauch heraus und ging hinauf in den ersten Stock. Ich hörte, wie er an unsere Zimmertür klopfte.
Bislang hatten Otto und Johan immer allein in einer Ecke des Schulhofs gestanden. Sie hatten nur einander, die zwei, aber das war besser, als niemanden zu haben. Nun durften sie nicht einmal mehr zusammen sein, sondern nur noch jeder für sich – in seiner Ecke.
»Darfst du nie wieder mit Johan spielen?«, fragte ich Otto, nachdem Papa lange mit ihm geredet hatte.
Er lag auf seinem Bett und starrte die Wand an.
»Nicht, solange Krieg ist«, sagte er mit belegter Stimme.
»Nur, weil Dypvik Mitglied der NS ist?«, fragte ich.
»Ja, das ist der wichtigste Grund. Aber vielleicht auch noch wegen etwas anderem.«
Otto drehte sich mir zu.
»Und was?«
»Wegen einer Sache, die Mama und Papa am Laufen haben.«
»Hä? Haben die was am Laufen?«
»Du musst doch gemerkt haben, dass sie zurzeit irgendwie komisch sind.«
»Nein. Oder – doch. Heute waren sie jedenfalls komisch … Ich durfte nicht in den Keller und …«
»Nicht nur heute«, unterbrach er mich. »Sie sind fast nie zu Hause. Sie stehen plötzlich beim Mittagessen auf. Es rufen massenhaft Leute an, die wir nicht kennen.«
»Patienten?«
Otto schüttelte den Kopf, aber er wollte offensichtlich nicht mehr dazu sagen.
»Sag doch!«
Otto wand sich in seinem Bett.
»Kümmer dich nicht darum, Gerda.«
»Warum nicht?«
»Wir sollen uns darüber keine Gedanken machen.«
»Aber ich mache mir jetzt Gedanken darüber. Mit dem ganzen Kopf.«
Er setzte sich auf, und plötzlich wirkte er fast böse.
»Sie tun etwas, was sie nicht tun sollten. Etwas, was gefährlich und dumm ist. Etwas, was die Deutschen nicht mögen.«
Hä? Kämpften Mama und Papa gegen die Deutschen?
Ich warf Otto einen Blick zu. Sein Mund war ein Strich, die Augen waren dunkel und groß. Aber Otto war nicht böse – er hatte Angst. Angst wegen der Sache, die Mama und Papa am Laufen hatten.
Mein Herz klopfte, ich hatte schweißnasse Hände. Mein Mund war bestimmt auch ein Strich. Aber ich wollte nicht so sein wie Otto, ich wollte keine Angst haben. Denn Mama und Papa kämpften gegen die Deutschen. Das war ja fast wie in einer Abenteuergeschichte. Sie kämpften wie Musketiere gegen Graf Schwarzblut. Ein geheimer Kampf, um die Deutschen aus Norwegen zu verjagen. Mein großer, dünner Papa im Arztkittel und mit Schwert in der Hand, Mama mit Pfeil und Bogen. Diese Vorstellung half – mein Herz beruhigte sich.
Und vielleicht waren die Stimmen im Keller Teil dieses Abenteuers?
Die Antwort darauf bekam ich schneller, als ich erwartet hatte. Nämlich bereits in derselben Nacht.
Der Geisterjunge
Klara hatte schon Feierabend und war nach Hause gegangen. Wir hatten unsere Pyjamas angezogen, Hafergrütze gegessen und uns schlafen gelegt – Otto mit gefalteten Händen auf der Bettdecke, seine Brille zusammengeklappt auf dem Nachtschrank. Ich lag zusammengerollt wie ein Würstchen im Schlafrock in all dem Bettzeug.
Ich träumte von Graf Schwarzblut. Wir fochten einen wackeren Schwertkampf. Er stieß sein Schwert gegen meines.
Ich sprang herum, um ihm zu entkommen, aber er folgte mir. Also musste ich die Beine in die Hand nehmen und Deckung suchen.
Füße hämmerten gegen den Boden. Graf Schwarzblut war direkt hinter mir. Ich lief so schnell ich konnte, doch er holte auf. Ich hörte nur meine Schritte.
Dann erwachte ich jäh. Ich hatte das Gefühl, immer noch zu laufen, denn das Laufgeräusch war mir aus dem Traum gefolgt. Aber – ich lag doch in meinem Bett? Trotzdem hörte ich die Schritte auf der Erde.
Dunk, dunk, dunk. Dann wurde es ganz still. Schließlich СКАЧАТЬ