Название: Der unschickliche Antrag
Автор: Andrea Camilleri
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: E-Book-Edition ITALIEN
isbn: 9783803141736
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Montelusa, am 10. Oktober 1891
Hochwerthester Kollege und Freund!
Gestern, als der Tag sich dem Sonnenuntergänge neigte, hatte ich – im Verlaufe des herrlichen Privatempfanges, den Seine Hochgeschätzte Eminenz, Monsignor Gregorio Lacagnìna, neuer Bischof und Oberhirte von Montelusa, für uns gegeben hat –, sicherlich durch den Anblick des Himmels inspiriert, die Kühnheit, Euch, wenngleich nur in allgemeinen und äußerst verkürzten Begriffen, auf den Zustand der Verwirrung hinzuweisen, der sich – teils aus rein familiären Gründen, teils aus solchen, die mit dem mir auferlegten Hohen Amte als Repräsentant des Italienischen Staates in dieser, erlauben Sie mir die Behauptung, so weh sie mir auch tut, in dieser rechtlosen, zutiefst niederträchtigen Provinz unseres Vielgeliebten Italiens – wie ein Zangengriff in diesen letzten Monaten um mich gelegt hat. Soweit es meine Familienangelegenheiten betrifft, könnte ich sie, wenn Ihr kein Bergamaske, sondern Neapolitaner wäret wie ich, auf einen Nenner bringen, indem ich Euch fünf Nummern aufschriebe (59, 17, 66, 37, 89), und schon hättet Ihr ein klares und unmittelbares Bild von dem, was sich ereignet hat.
Meine zweite Gattin Agostina (Eleuteria, meine erste Gattin, verstarb vor nunmehr zehn Jahren an Cholera Morbus), Agostina also, wesentlich jünger als ich, wurde mir bald schon untreu (59) mit einem falschen Freunde (17) und beging hinter meinem Rücken schändlichen Betrug (66). Da ich nun aber von Salerno nach Montelusa versetzt wurde, machte sie sich, die verstockte Wortbrüchige, um ihren Buhler nicht zurückzulassen, auf die Flucht (37) und bleibt unauffindbar (89).
Unter den Wenigen, denen ich mich anvertraut habe, gibt es Niemanden, der in diesem überaus bitteren Vorfall nicht die tiefen Ursachen für ein Unwohlsein und einen Verdruß sähe, welche mir die täglichen Lebens- und Thätigkeitsverrichtungen schwer machen. Aber so ist es nun einmal.
Zu allem Überflusse habe ich, bei meiner Ankunft in der Präfektur von Montelusa, das Amt in den Fängen von Gerüchten, Vorspiegelungen, Ränken, Lügen, Verdächtigungen und Intrigen vorgefunden, die alle nur ein Ziel hatten: mir noch mehr Schaden zuzufügen, unbeirrt.
Zudem kann ich nicht umhin, Erwägungen über die politischen Verhältnisse der Insel (vor allem aber dieser schauerlichen Provinz) anzustellen, die ganz einem mit dicken, bedrohlichen Regenwolken verhangenen Himmel vergleichbar ist, Vorbote heraufziehender Unwetter.
Wie Ihr sehr wohl wißt, stürmen aufrührerische, verstockte Aufwiegler völlig unbehelligt über die Insel, Bakuninanhänger, Malonanhänger, Radikale, Anarchisten, Sozialisten, und säen überall mit vollen Händen die triste Saat von Aufruhr und Haß aus.
Was nun macht der fleißige, wachsame Bauersmann?
Wenn er in einem bis zum Rand mit köstlichen Früchten gefüllten Korb einen faulen Apfel sieht, zögert er nicht, denselben augenblicklich wegzuwerfen, damit dieser die anderen nicht anstecke und die Fäulnis sich nicht weiter ausbreite.
Andererseits denkt mancher höheren Ortes, daß es keiner Vorkehrungen bedürfe, die andere als repressiv auffassen könnten; doch indessen, während man noch redet und diskutiert, treibt der böse Same Wurzeln, die sich stark, aber leider auch unsichtbar entwickeln.
Und so haben sie denn eine ausgeprägte Fähigkeit darin, ihre trüben Absichten oftmals hinter dem Anschein zivilisierten Zusammenlebens zu verbergen.
So schauen Sie sich, zum Beispiel, diese drei Briefe eines gewissen Genuardi Filippo an, die ich Ihnen in Abschrift beifüge.
Seit drei Monaten lassen sie mich kein Auge mehr schließen. Welche Arglist! Wieviel verwegener Hohn!
Wieso, habe ich mich gefragt, versteift er sich darauf, mich Parascianno zu nennen, wo doch mein Zuname Marascianno lautet?
Darüber habe ich lange nachgedacht, zuweilen sogar, das gebe ich zu, die Pflichten meines Amtes vernachlässigend, doch am Ende kam ich der Sache auf den Grund.
Indem dieses unflätige Subjekt das »M« meines Nachnamens mit dem »P« vertauscht, spielt er in Wirklichkeit auf etwas Doppeldeutiges an. Doch, doch, denn in unserer Mundart bedeutet »parascianno« (oder mitunter auch »paparascianno«) das gleiche wie »barbagianni«, und es dürfte auch Ihnen bekannt sein, daß man damit eine Person bespitznamt, die alt ist und einem auf die Nerven geht.
Doch bis hierhin – transeat. Gehen wir darüber hinweg.
In seiner luziferischen Bosheit jedoch begnügt sich dieser Genuardi nicht mit Anspielungen, sondern geht zu ehrenrühriger Beleidigung über.
Im trivialsten Jargon der neapolitanischen Unterwelt beschreibt man mit »parascianno« (oder eben auch »paparascianno«) ein männliches Glied von animalischen Ausmaßen.
Letzten Endes also nennt mich dieses unflätige Subjekt, durch die scheinbar harmlose Vertauschung eines Konsonanten, so etwas wie »Du riesenviechgroßer Schwanz!«.
Und noch etwas: Warum wird mit jedem Briefe sein Servilismus gegenüber meiner Person immer deutlicher?
Worauf will er hinaus? In welchen Hinterhalt schleift er mich?
Ich bin hier, um Euere großzügige Hilfe zu erbitten. Könntet Ihr Informationen über die politische Gesinnung dieses Genuardi bei dem einen oder anderen Euerer Untergebenen in Vigàta erfragen?
Ich meinerseits werde ein Gleiches bei den Carabinieri thun.
Mit Dankbarkeit und aufrichtiger Freundschaft, Ihr allerergebenster
Vittorio Marascianno
P. S. Wie Ihr gewiß bei Eurer hohen Intelligenz und Finesse bemerkt haben werdet, wollte ich absichtlich kein Papier mit Briefkopf der Königlichen Präfektur verwenden. Ich bitte Euch daher, zu dem gleichen Kniffe zu greifen, sofern Ihr eine Antwort für mich habt.
(Vertraulich)
An den
Hochverehrten Commendatore
Corrado Parrinello
Viale Cappuccini 23
Montelusa
Montelusa, am 15. Oktober 1891
Hochwerthester Commendatore,
mein unersetzlicher Vorgänger, der gottselige Grande Ufficiale Emanuele Filiberto Bàrberi-Squarotti, hatte, als er mir das Königliche Polizeipräsidium übergab, ganz privat Ihre Person als jemanden gepriesen, der jeglichen Vertrauens würdig und jederzeit, im allerhöchsten Interesse unseres Landes, zur diskreten Zusammenarbeit mit unserem Amte bereit sei.
Glücklicherweise habe ich bis gestern keinerlei Nothwendigkeit gesehen, mich an Sie zu wenden und Ihre großzügige Bereitwilligkeit in Anspruch zu nehmen. Jetzt aber fühle ich mich verpflichtet, Sie über eine Frage von heikelster Feinfühligkeit in Kenntnis zu setzen, für deren Lösung ich Ihres erleuchtenden Rates bedarf, damit wir, eventuell, im Verbunde verfahren können.
Von Ihrem Vorgesetzten, dem Präfekten von Montelusa, Vittorio Marascianno, habe ich einen vertraulichen Brief erhalten, dem drei weitere an ihn gerichtete Briefe von einem gewissen Genuardi Filippo aus Vigàta beigefügt waren.
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