Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit. Marie Brennan
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Название: Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit

Автор: Marie Brennan

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Onyxpalast

isbn: 9783966580762

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СКАЧАТЬ kriechen und jeglichem Meister dienen, der dich am schlimmsten auspeitscht.«

      Scham und Furcht nagten an seinen Eingeweiden, wie ein Wurm, der seinen Stolz auffraß. Er spürte, wie sich ein Winseln aufbaute, das unter Nadretts Hand nicht hervorbrechen konnte, und rollte verzweifelt mit den Augen. Als Nadrett losließ, legte der Tote Rick den Kopf schief und senkte seinen Blick. »Ich werde dich nicht hintergehen.«

      Sein Herr lachte. »Natürlich nicht. Du wirst genau das tun, was ich sage. Und du hast Glück: Ich habe heute eine Verwendung für dich. Folge mir.«

      Der Tote Rick hasste sich dafür, aber er gehorchte.

      Ihr Weg war lang und wand sich durch den schäbigen Lärm des Goblinmarkts. Der ständige, schleichende Verfall machte es beinahe unmöglich, auf direktem Weg irgendwohin zu gehen. Zu viele Kammern und Verbindungsgänge waren verschwunden. Ganze Sektionen waren beinahe völlig abgeschnitten, und ihr einziger Zugang führte durch Flecken, die zu durchqueren zu unsicher war. Ein Fae, der einen Fuß dort hinsetzte, war in Gefahr, an einem ganz anderen Ort wieder herauszukommen – oder überhaupt nicht.

      Londons Fundament verrottet unter ihm, dachte der Tote Rick. Die Leute erzählten immer noch Geschichten von der Pracht des Onyxpalasts, doch das war alles, was noch übrig war: Geschichten und diese zerfallenden Bruchstücke. Und der Goblinmarkt ist das verrottetste von allen.

      Der Ort, zu dem Nadrett ihn führte, war nicht ganz auf dem Marktterritorium und war es nicht ganz nicht. Der Nachtgarten gehörte niemandem außer den Flüchtlingen, die auf Decken unter den wuchernden Bäumen schliefen. Er lag dort, wo einst das Herz des Onyxpalasts gewesen war, und in einem vergangenen Zeitalter war er der Lieblingsplatz der Höflinge gewesen. Aber jetzt floss der Walbrook stinkend durch sein Herz, und die Blumen wuchsen unter erstickendem Unkraut.

      Ein Trio Goblins lungerte auf einer gesplitterten Bank herum und stand auf, als Nadrett durch den Eingangstorbogen kam. Schotten, und dem Toten Rick nicht vertraut. Er hätte menschliches Brot darauf gewettet, wenn er welches gehabt hätte, dass sie Neuankömmlinge waren. Temporäre Bewohner des Nachtgartens, die ihre Dienste an den Goblinmarkt – an Nadrett – verkauften, im Tausch gegen einen Aufstieg. »Wir haben ihn leer geräumt«, sagte der Anführer. »Hab zwei Kerle, die jedes der anderen Tore bewachen.«

      Nadrett klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich an den Toten Rick. »Du kennst deine Aufgabe. An die Arbeit.«

      Er starrte an seinem Herrn vorbei in die verlassene Wildnis des Gartens. »Wer ist es?«

      »Welchen Unterschied macht das? Irgendeine Sterbliche. Sie geht dich nichts an.«

      Weiblich also. Aber nicht das kleine Mädchen im Käfig. Der Tote Rick schluckte und schmeckte Galle. Nicht das kleine Mädchen. Einfach irgendein anderer Mensch, der wahrscheinlich nie irgendetwas getan hatte, um dieses Schicksal über sich zu bringen.

      Nadretts bloßes Einatmen reichte, um ihn anzutreiben. Der Tote Rick biss die Zähne zusammen, verwandelte sich wieder in seine Hundegestalt und rannte in den Nachtgarten hinaus.

      Ein Meer an Aromen füllte seine Nase. Die Flüchtlinge mochten wohl für den Moment fort sein, aber ihre Gerüche blieben: Hauselfen und Goblins und Pucks, Hofelfen und naturliebende Irrwische, einige so neu, dass sie noch einen Nachhall ihrer Heimat in sich trugen. Kühle Erde und der dichte Teppich aus Vegetation, der darüber wuchs. Einst war der Garten mit aromatischen, nachtblühenden Blumen bepflanzt gewesen – Nachtkerzen, Jasmin –, und einige der zäheren hatten bis jetzt überlebt. Vor ihm lag der stinkende Walbrook. Die zerfallenden Zauber hatten die Spiegelung des eingegrabenen Flusses mit ihrer verschmutzten Realität vermischt und den Boden um ihn herum vergiftet.

      Der Tote Rick hielt nahe einer der noch erhaltenen Fußgängerbrücken über den Fluss inne, weil er dachte, dass er vor sich eine Bewegung sähe. Es stellte sich bloß als ein Feenlicht heraus, das ziellos durch die Luft schwebte. Die meisten von ihnen hatten die Decke verlassen, wo sie, wie die Leute erzählten, früher veränderliche Konstellationen gebildet hatten, doch der Tote Rick glaubte, dass er in der Entfernung ein stärkeres Leuchten sah.

      Er tapste darauf zu, wobei er sich im Unterholz hielt. Ja, da war Licht vor ihm, hinter diesem Hain aus kränkelnden Apfelbäumen. Er ließ sich auf den Bauch sinken und kroch eine Pfote nach der anderen vorwärts, bis er etwas sehen konnte.

      Die Sterbliche war kaum mehr als ein Mädchen, höchstens fünfzehn Jahre alt. Sie saß mit dem Rücken an einem Steinblock, die Knie eng an die Brust gezogen. Der Tote Rick fragte sich, ob sie wusste, dass sie gerade auf einem Grab saß. Ihr Kleid war relativ fein. Sie sollte lesen können – aber Ranken waren über die Inschrift gewachsen, sodass man diese leicht übersehen konnte, wenn man nicht danach suchte. Und ihre Aufmerksamkeit lag anderswo, als sie die Umgebung nach Anzeichen einer Bedrohung absuchte.

      Anzeichen von ihm.

      Feenlichter schwebten über der kleinen Lichtung, als würden sie versuchen, sie zu trösten. Sie besaßen gerade genug Bewusstsein, um auf die Wünsche anderer zu reagieren. Die Furcht des Mädchens hatte sie vielleicht angezogen. Oder hatte sie sie zu sich gerufen? Stell keine Fragen, knurrte der Tote Rick in sich hinein. Betrachte sie nicht als Person – erledige einfach deine Aufgabe.

      Das Knurren entkam seiner Schnauze, ohne dass er es wollte. Die Sterbliche japste und ging in eine wachsame Hocke.

      Sie hätte nicht im Licht sitzen sollen. Sie wird halb geblendet sein, sobald sie wegrennt.

      Umso besser für ihn.

      Der Tote Rick knurrte erneut, diesmal mit Absicht. Da war eine Lücke in den Hagedornbüschen. Er schlich hindurch, machte kein Geräusch, dann fletschte er scharf die Zähne. Daraufhin schlich er weiter: noch ein Knurren. Für einen verängstigten Verstand würde es klingen, als sei sie umzingelt.

      In jeder Richtung außer einer: dem überwucherten Pfad, der vom Grab wegführte. Und tatsächlich sprintete sie los.

      Er rannte beinahe schon, ehe sie sich bewegte. Sie war menschlich und trug ein Kleid. Er war ein Hund und kannte seinen Weg durch den Garten. Ein umgefallener Baum hatte schon vor Jahren den Pfad nach links blockiert, sodass sie, selbst wenn sie in diese Richtung lief – und er hörte, wie sie es versuchte –, am Ende nach rechts laufen musste. Und der Tote Rick war dort und wartete darauf, sie weiter zu hetzen.

      Nadrett hatte ihn so oft geschickt, um dies zu tun, dass es beinahe Routine war. Aber das Mädchen überraschte ihn. Sie stürzte sich durch ein wucherndes Stechpalmengebüsch, zischte, als dieses sie kratzte, und nahm einen weniger offensichtlichen Pfad. Der Tote Rick fluchte innerlich. Zwei Kerle, die jeden der anderen Eingänge bewachten – aber bewachten sie alle davon? Oder nur diejenigen, die noch irgendwohin führten? Der Torbogen vor ihm öffnete sich in einen Korridor, der ungefähr fünfzig Fuß weiterführte, bis zu einer kaputten Stelle des Onyxpalasts.

      Es waren fünfzig Fuß gewesen, als er das letzte Mal nachgesehen hatte. Vielleicht waren es jetzt weniger.

      Der Tote Rick sprintete weiter. Ein ausgetrockneter Springbrunnen in der Nähe der Wand schenkte ihm einen Vorteil. Er sprang an der riesigen Fratze in dessen Mitte hoch, während seine Zehennägel am gezwirbelten Gestein kratzten, und stürzte sich durch die Luft zum Torbogen. Er landete mit einem gewaltigen Krachen, aber das diente ihm ganz gut: Er hörte, wie das Mädchen stolperte und fiel und sich dann hektisch aufrappelte und in die andere Richtung rannte, weg von was auch immer für einem riesigen Monster, das am Torbogen lauerte.

      Riesig – nein. Monster – ja. Genau das bin ich geworden.

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