DAS ORAKEL. Daphne Niko
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Название: DAS ORAKEL

Автор: Daphne Niko

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Sarah Weston Abenteuer

isbn: 9783958352056

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СКАЧАТЬ der Natur des Gottes entsprach, der in ihr Ohr flüsterte. Die Wahrheit jedoch war eine Zauberin, die unterschiedliche Formen für unterschiedliche Betrachter annahm. Da Menschen waren, was sie waren, deuteten sie die Worte des Orakels so, wie sie ihnen gerade zusagten, manchmal mit verheerenden Folgen.

      Aristea zog eine Hand durchs Wasser und verwischte ihr Spiegelbild.

      Es war im vorletzten Sommer geschehen. Ein Gesandter aus Alexandrien hatte die zweimonatige Reise nach Delphi angetreten, zu Wasser und zu Land, um den Rat des Orakels zu suchen.

      In der Nacht, in der er für würdig befunden wurde, Apollons Wort zu empfangen, stieg der Ägypter hinter zwei delphischen Priestern zum Adyton hinab und wurde angewiesen, hinter der falschen Wand zu stehen.

      Aristea saß auf dem Dreifuß der Wahrheit und starrte in eine Schüssel, die mit heiligem Wasser aus der Quelle der Kassotis gefüllt war. Am Rand ihres Blickfelds konnte sie den Supplikanten durch ein quadratisches Fenster sehen, das in die Wand eingelassen war. Seine Hände hatte er vor sich verschränkt und sein Kopf war zur Erde geneigt.

      Sie atmete tief ein und roch die vertraute Süße, die an Nektar von Honigbienen erinnerte, die sich an Orangenblüten gütlich getan hatten. Apollons heiliges Pneuma hatte das Adyton durchdrungen. Sie schloss die Augen, gab sich seinem Geist hin.

      «Welche Antwort sucht Ihr, Amenthes von Alexandrien?», hörte sie einen der Priester sagen.

      «Gibt es Rettung vor den Armeen des Theodosius, die jetzt in Unterägypten einmarschieren, oder werden sie unsere Art vernichten?»

      Unsere Art. Amenthes bezog sich sicher auf die Heiden Alexandriens, die ihre Rituale seit Ewigkeiten unhinterfragt ausgeübt hatten. Theodosius, Kaiser des östlichen Teils des Römischen Reiches und ein frischgebackener Christ, hatte im Jahr 388 einen Feldzug gegen Ägypten gestartet und geschworen, die Ketzerei jener zu zerschlagen, die an eine Vielzahl von Göttern glaubten.

      Aristea sog das Pneuma tief in ihre Lunge und wartete. Ihr Atem ging gleichmäßig und ruhig, ihr Kopf fühlte sich leicht an, als wäre er leer. Gedanken kamen und gingen ungehindert, bis sie alle ihr Bewusstsein verließen. Sie war bereit, zu empfangen.

      «Komme jetzt, oh Apollon, und führe dein Werkzeug», murmelte sie leise. Sie wollte nicht, dass jemand sie hörte, denn das Band bestand ausschließlich zwischen ihr und ihrem Gott.

      Ein Bild blitzte vor ihrem geistigen Auge auf: eine lange Halle, vom zitternden Licht in Eisenhalterungen steckender Fackeln erhellt, der Marmorboden mit dunklen Lachen befleckt. Am anderen Ende stand ein Altar. Ihr Verstand bewegte sich dorthin und verweilte bei einem blutigen Messer. Daneben summten Fliegen um einen Berg aus Eingeweiden.

      Eine blutbefleckte Hand griff nach der Klinge, hielt sie in die Höhe. Der Messerträger drehte sich um und starrte sie mit hasserfülltem Blick aus obsidianschwarzen Augen an.

      Sie zuckte. Die Vision wich nicht. Sie sah ein Trümmerfeld. Umgestürzte Marmorsäulen, zerbrochene Giebel, eine in hunderte Stücke geschlagene Büste. Auf eine der gefallenen Säulen war das Zeichen des Kreuzes gemalt.

      Mit einem Ruck öffnete sie die Augen. «Tritt näher, Amenthes von Alexandrien.» Ihr Mund brachte die Worte hervor, ohne dass sie es befahl.

      Amenthes näherte sich.

      Den Kopf unter ihrem weißen Schleier geneigt blickte Aristea ins Wasser. Kleine Wellen gingen in konzentrischen Kreisen von einer Störung in dessen Mitte aus. Sie spürte, wie die Schüssel sachte in ihren Händen vibrierte.

      «Es gibt zwei Arten von Männern. Jene, die mit dem Herzen glauben, und jene, die ihre Wahrheit laut verkünden. Beide werden das Haus betreten, das Ptolemaios gebaut hat, aber nur einer wird wieder herauskommen. Und die Gerechtigkeit wird siegreich zwischen den Ruinen stehen und die Tracht der Trauernden tragen.»

      «Das Haus, das Ptolemaios gebaut hat», wiederholte der Ägypter. «Das Serapeum?»

      «Das Orakel hat gesprochen», sagte der Priester. «Eure Bürde ist es, ihre Worte zu verstehen und Euer Schicksal zu meistern. Nun geht in Frieden.»

      Aristea hörte das Schlurfen von Füßen und das Rascheln von Stoff, als der alexandrinische Gesandte das Adyton verließ. Sie hatte seinen Namen im Buch der Seelen gesehen. Er würde den Winter nicht überleben.

      Und so war es geschehen. Aristea spritzte sich Wasser aus der Kastalischen Quelle ins Gesicht. Da es gerade mit der Schneeschmelze von den Steilhängen des Parnass kam, war es eiskalt. Es erfrischte sie, konnte die Erinnerung aber nicht fortwaschen.

      Im vergangenen Winter hatte die Nachricht Delphi erreicht, dass Theodosius' Armeen mit dem Segen des alexandrinischen Bischofs den Dionysos-Tempel im Schutz der Nacht geplündert hatten. Sie hatten die Opferaltare in Brand gesteckt und die heiligen Hallen mit ihrem Schmutz entweiht.

      Heidnische Gläubige, die seit Beginn des ägyptischen Staates unabhängig gewesen waren, strömten auf die Straßen, um ihre Empörung auszudrücken, und Christen stellten sich ihnen entgegen. Die Kämpfe dauerten zwei Tage an und forderten Verluste auf beiden Seiten, bis Theodosius' Armeen mit ihren Waffen einfielen und den Bürgerstreit in einen Krieg verwandelten.

      Die Heiden zogen sich ins Serapeum zurück und nahmen christliche Gefangene mit. Aber ihre Barrikaden hielten nicht stand. Mit großen Rundhölzern brachen die kaiserlichen Armeen die Türen auf, betraten den Tempel mit ihren Speeren und Schleudern und erstachen und steinigten die Gläubigen, bis niemand mehr übrig war.

      Das Blut befleckte den Marmor so unauslöschlich, dass nicht einmal die Täter es ansehen konnten. Sie zerstörten den Tempel und warfen seine blutigen Trümmer ins Meer. Das Serapeum, Ptolemaios' sagenumwobenes Kunstwerk, war zerstört.

      Es war das erste Mal gewesen, dass Aristea ein Massaker vorhergesagt hatte. Aber sie vermutete, es würde nicht das letzte Mal sein.

      Kapitel 6

      Sarah kannte die Stimme des Mannes, kannte den Geruch seiner Haut. Ihr Körper entspannte sich, ein Signal, dass sie seiner Anweisung Folge leisten würde. Er ließ sie los.

      Von der Vorderseite des Gebäudes her ertönte ein Grunzen. «Ich kann es nicht glauben. Er muss mir den falschen Code gegeben haben.»

      «Ich sage, es ist ein Benutzerfehler. Lass mich …»

      Ein Alarm heulte auf. Das schrille Geräusch, das Sarah noch nie zuvor gehört hatte, kam vom Gebäude.

      «Idiot. Jetzt hast du's geschafft.»

      «Lass uns verschwinden.»

      «Was ist mit dem Pfahl?»

      «Vergiss ihn. Lauf!»

      Als das schmatzende Geräusch panischer Schritte im Schlamm leiser wurde, drehte sich Sarah zu Daniel um. Er drückte auf eine Fernbedienung, um einen tragbaren Alarm abzustellen, hob eine Hand, um ihr zu bedeuten, zu warten, und spähte um die Ecke.

      «In Ordnung. Sie sind weg.»

      Sie machte einen Schritt auf ihn zu. «Warum hast du sie davonkommen lassen? Sie gehören hinter Gitter.»

      «Ich hatte nicht vor, sie laufen zu lassen.» Er presste die Lippen aufeinander. «Es gab eine Komplikation.»

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