Название: Kärntner Totenmesse
Автор: Roland Zingerle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Wörthersee Krimi
isbn: 9783969446478
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„Es ist eine Tragödie! Eine Tragödie, was da passiert ist.“ Sorgers Stimme war dünn und heiser.
„Ja, das stimmt“, pflichtete ihm Doktor Werginz bei und nickte dabei heftig.
„Die Dinge sind so, wie sie sind.“ Frau Moritschs Urteil klang fest und endgültig. „Aber das heißt nicht, dass wir sie hinnehmen müssen.“ Sie vollführte eine wegschleudernde Armbewegung. „Herr Sablatnig ist hier, um den Mörder meines Sohnes zu stellen und ihn seiner gerechten Bestrafung zuzuführen.“ Während sie redete, blickte sie geradeaus, als spräche sie über die Köpfe eines großen Publikums hinweg. „Auf die Polizei ist kein Verlass. Sie steht entweder im Dienst der herrschenden Partei, oder sie tut gar nichts. Das nehmen wir nicht hin.“ Sie blinzelte einige Male, dann sagte sie: „Con piacere, Signore, sí, prego“, und nahm wieder ihre Kaffeetasse samt Unterteller vom Tisch.
„Dieser Fall“, wandte sich nun Sorger an Heinz, „dieser Fall muss unbedingt aufgeklärt werden, hören Sie? Es hängt viel davon ab.“ Es klang, als hätte auch er ein persönliches Interesse daran, doch Heinz vermutete, er wollte als guter Freund von Frau Moritsch deren plötzlichen Wechsel in die geistige Umnachtung überspielen.
„Deshalb sind wir hier“, beschwichtigte Doktor Werginz, der es plötzlich eilig zu haben schien. „Wenn Sie uns bitte entschuldigen, Herr Sablatnig und ich machen uns gleich an die Arbeit.“ Er wandte sich an die ehemalige Landesrätin: „Liebe Frau Doktor Moritsch, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, ich melde mich bei Ihnen, sobald es etwas Neues gibt.“ Da er nicht einmal versuchte, ihr die Hand zu reichen, ging er offenbar davon aus, dass sie ihn nicht wahrgenommen hatte.
Heinz verabschiedete sich in gleicher Weise von ihr und reichte Diplomkaufmann Sorger die Hand. Als er sich zum Gehen wendete, sah Frau Moritsch ihn mit einem verschleierten Blick an und sagte: „Herbert, die Causa Sankt Magdalen! Vergessen Sie nicht die Causa Sankt Magdalen!“
War Heinz vorhin noch davon ausgegangen, Doktor Werginz heiße mit Vornamen Herbert, begriff er nun, dass sie jemanden meinte, der wohl nur noch in ihrer Erinnerung existierte.
Doktor Werginz hatte die Seniorenresidenz im Eilschritt und schweigend verlassen, der Dame am Rezeptionstisch hatte er nur ein Kopfnicken zukommen lassen. Heinz hatte zu tun gehabt, ihm hinterherzukommen, er hatte sich hilflos gefühlt, der Situation ausgeliefert.
Jetzt, als sie das Gebäude verlassen hatten, blieb der Anwalt abrupt stehen und wandte sich ihm zu. „Herr Sablatnig, ich habe mir schon im Vorfeld die Freiheit genommen, einen Termin bei Frau Magistra Mühlwirth für Sie zu vereinbaren, Rudis ... die Büroleiterin von Landesrat Moritsch. Bitte seien Sie pünktlich um 17 Uhr in der Landesregierung.“ Er kramte hektisch in der Innentasche seines Sakkos und zog, sehr zu Heinz’ Erleichterung, eine Visitenkarte hervor, die er ihm reichte. „Bitte rufen Sie an, sobald Sie etwas herausgefunden haben, meine Sekretärin informiert mich und ich rufe schnellstmöglich zurück. Auf Wiedersehen.“ Er gab Heinz die Hand und eilte davon. Während seines gesamten Monologs hatte er ihn nicht eines Blickes gewürdigt.
Heinz stand da und sah zu, wie der Anwalt auf einen schwarzen Mercedes zueilte, ein Modell der neuesten S-Klasse-Generation. Die Blinker des Wagens leuchteten kurz auf, als Zeichen, dass er das Öffnen-Signal von Werginz’ Schlüssel erhalten hatte, und gleich darauf war der Anwalt eingestiegen und fuhr davon.
In Heinz’ Kopf blitzten Versatzstücke der Informationen auf, die er in der vergangenen halben Stunde erhalten hatte, sein Gehirn fühlte sich an, als hätte es einen Muskelkater. Er senkte seinen Blick zu der Visitenkarte, die seine Hände wie einen Schatz hielten. In letzter Zeit konnte er sich Namen, Termine und andere Informationen kaum noch merken, da war dieser schriftliche Anhaltspunkt ein echter Segen. Den Namen von Landesrat Moritschs Büroleiterin hatte er schon wieder vergessen, den Termin um 17 Uhr wusste er noch. Schnell zog einen Kugelschreiber und notierte die Uhrzeit auf die Rückseite der Visitenkarte, nun konnte nicht mehr viel schiefgehen. Allerdings fragte er sich, wie er unter diesen Voraussetzungen einen Mordfall aufklären sollte. Er würde alles aufzuschreiben, was ihm unterkam – aber er würde Hilfe brauchen. Hier wurde es kompliziert, denn die beste Unterstützung, die er bekommen konnte, war die seiner Schwester Sabine, die Chefinspektorin bei der Kriminalpolizei war, und das würde sich schwierig gestalten. Nichtsdestotrotz musste er es versuchen.
Er zog sein Handy, doch schon der erste Tastendruck machte ihm klar, dass der verdammte Akku wieder einmal seinen Geist aufgegeben hatte.
Seufzend ging er zu seinem Auto, setzte sich auf den Fahrersitz und steckte das Handy an das Ladegerät am Zigarettenanzünder. Es würde einige Zeit dauern, bis das Ding genug Saft hatte, um sich überhaupt einschalten zu lassen.
Heinz lehnte sich zurück und schloss die Augen. Irgendwie ging es ihm nicht anders als seinem Handy, sein Akku war leer, und er brauchte eine Pause. Seit Wochen hatte er keinen Auftrag mehr angenommen und auch davor nur solche, die sich leicht erledigen ließen und daher wenig Geld einbrachten. Das hatte dazu geführt, dass seine finanzielle Lage existenzbedrohend geworden war. Aber nicht nur von seinem Beruf, auch von seinen Freunden und seiner Familie hatte er sich zurückgezogen. Das lag daran, dass er den Umgang mit seinen Mitmenschen neuerdings als extrem anstrengend empfand, umso mehr, je näher sie ihm waren. Anfangs hatten ihn alle noch mit Anrufen bombardiert. Direktor Oberhofer von der Fiducia Versicherungsgesellschaft, sein bester Auftraggeber, hatte ihn mit zunehmender Ungeduld für diverse Nachforschungen engagieren wollen, ihn schließlich beschimpft und jede weitere Zusammenarbeit aufgekündigt. Verena, die Frau seiner Träume, die sich nicht dazu entschließen konnte, mit ihm zusammen zu sein, wollte ihn „aus seinem Schneckenhaus“ herauslocken, wie sie sich ausdrückte, hatte es aber ebenfalls irgendwann aufgegeben. Seine Eltern und seine Schwester Sabine meldeten sich immer noch, doch meist ignorierte er ihre Anrufe. Er konnte ihnen nicht begreiflich machen, dass er niemanden sehen und nichts hören wollte und dass der einzige Ort, an dem er sich geborgen fühlte, seine Wohnung war – möglichst abgeschottet von der Außenwelt.
Und genau da schloss sich der Teufelskreis. Wenn es so weiterging, würde er sich seine Wohnung nicht mehr leisten können, ein Szenario, das ihn derart in Panik versetzte, dass er es lieber ignorierte. Er wusste nicht, wie das alles weitergehen sollte.
Nach geraumer Zeit öffnete er die Augen wieder und seufzte. Vielleicht brachte der aktuelle Auftrag so viel ein, dass er wieder einige Zeit über die Runden kam, das war immerhin Anreiz genug, es zu versuchen. Er würde Doktor Werginz erste Ergebnisse liefern und dann mit ihm über sein Honorar verhandeln. Dazu musste er aber wissen, worum es in dem Mordfall überhaupt ging. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass in wenigen Minuten die Mittagsnachrichten im Radio kamen, da würde er wohl die Basisinformationen erhalten. Und danach war sein Handy vielleicht so weit aufgeladen, dass er Sabine anrufen konnte.
Kapitel 3
Donnerstag, 12.30 Uhr
Heinz lenkte seinen VW Corrado auf das oberste Parkdeck der City Arkaden und wählte einen Stellplatz nahe einem der Eingänge. Er nahm immer das oberste Parkdeck, wenn er hierherkam. Einerseits fühlte er sich auf dem Dach des Einkaufszentrums unter freiem Himmel wohler als in den niedrigen unteren Decks, andererseits hatte er hier bisher noch immer einen Parkplatz gefunden, selbst an Samstag-Nachmittagen.
Die City Arkaden waren nicht nur Klagenfurts größtes Einkaufszentrum, sondern wohl auch das am stärksten frequentierte. Zumindest hatte Heinz das Gefühl, hier immer im Gedränge zu sein – was aber СКАЧАТЬ