Der sterbende Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Название: Der sterbende Sherlock Holmes

Автор: Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955012328

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СКАЧАТЬ dachte an Holmes, wie er in seinem Bett nach Atem rang und wahrscheinlich die Minuten zählte, bis die erhoffte Hilfe erscheine. Hier mußte alle zeremonielle Höflichkeit weichen. Sein Leben hing von meinem Erfolge ab. Ehe mir noch der Diener den ablehnenden Bescheid seines Herrn überbracht hatte, war ich an ihm vorbei in das Zimmer getreten.

      Mit einem ärgerlichen Ausruf erhob sich ein Mann von einem Stuhl neben dem Kaminfeuer. Ich sah ein großes gelbes Gesicht, grobgeschnitten, mit starkem Doppelkinn und zwei drohend blickenden grauen Augen, die unter buschigen gelben Brauen hervor Blitze nach mir schossen. Auf dem kahlen Schädel saß, beinahe kokett zur Seite geschoben, eine kleine Sammetmütze. Dieser Schädel mußte ein ungewöhnlich großes Hirn bergen und doch, als ich die ganze Gestalt ins Auge faßte, erschien mir der Körper des Mannes klein und schwächlich, mit vorgebeugten Schultern, wie bei jemand, der als Kind an Rachitis gelitten hat.

      »Was soll das?« schrie er mit hoher Stimme. »Was erlauben Sie sich, hier einzudringen? Habe ich Ihnen nicht sagen lassen, ich sei morgen früh für Sie zu sprechen?«

      »Es tut mir leid,« sagte ich, »aber die Sache duldet keinen Aufschub. Mein Freund Sherlock Holmes –«

      Die Erwähnung dieses Namens war von außerordentlicher Wirkung auf den kleinen Mann. Der Ärger verschwand sogleich aus seinem Blick. Sein Gesicht verriet gespannte Neugier.

      »Sie kommen von Sherlock Holmes?« fragte er.

      »Ich habe ihn soeben erst verlassen.«

      »Was macht Herr Holmes, wie geht es ihm?«

      »Es geht verzweifelt schlecht. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«

      Der Mann bot mir einen Stuhl, und wir setzten uns. Bei dieser Gelegenheit sah ich einen Augenblick lang sein Gesicht in dem Spiegel über dem Kaminsims. Ein boshaftes, gemeines Lächeln schien sich darüber zu breiten. Aber ich überredete mich, es müsse ein nervöses Zucken gewesen sein, das ich zufällig gewahrte, denn im nächsten Augenblicke wandte er sich mir zu mit vollendeter Liebenswürdigkeit in seiner Miene.

      »Es tut mir sehr leid, das zu hören,« sagte er. »Ich kenne Herrn Holmes lediglich durch einige geschäftliche Beziehungen, die wir miteinander hatten, aber ich schätze seine Talente und seinen Charakter überaus hoch. Er ist ein Amateur auf dem Gebiet der Verbrechen, wie ich auf dem der Infektionen. Was für ihn der schwere Junge, ist für mich der Bazillus. Das da sind meine Zuchthäuser,« fuhr er fort, indem er auf eine Reihe von Gläsern und Röhrchen wies, die auf einem kleinen Tische standen.

      »Unter diesen Gelatinekulturen sind einige mit den schlimmsten Übeltätern der Welt, die jetzt hier ihre Zeit absitzen.«

      »Eben wegen Ihrer besonderen Kenntnisse wünschte Herr Holmes, Sie zu sehen. Er hat eine hohe Meinung von Ihnen und glaubt, daß Sie der einzige Mensch in London sind, der ihm helfen kann.«

      Der kleine Mann sprang auf, so heftig, daß das Samtkäppchen ihm übers Ohr rutschte und zu Boden fiel.

      »Wieso?« fragte er, »wieso kommt Herr Holmes auf den Gedanken, daß ich ihm helfen könnte?«

      »Wegen Ihrer Erfahrung mit tropischen Krankheiten, besonders denen des fernen Ostens.«

      »Aber was berechtigt ihn zu der Annahme, daß die Krankheit, die er sich zugezogen hat, in mein Spezialfach schlägt?«

      »Weil er beruflich in letzter Zeit mit chinesischen Seeleuten in den Docks zu tun hatte.«

      Herr Culverton Smith lächelte wohlgefällig und hob sein Samtkäppchen wieder auf.

      »O, ich verstehe, ich verstehe,« sagte er. »Ich glaube aber, seine Krankheit ist nicht so schlimm, wie Sie annehmen. Wie lange ist Ihr Freund schon krank?«

      »Seit drei Tagen.«

      »Hat er Fieberdelirien?«

      »Ja, zwischendurch.«

      »Tja, tja, das klingt doch bedenklich. Es wäre unmenschlich, wenn ich nicht zu ihm eilte. Ich kann Störungen bei meiner Arbeit nicht vertragen, Herr Doktor, aber hier mache ich selbstverständlich gern eine Ausnahme. Ich komme sogleich mit.«

      Ich erinnerte mich an Holmes' strenge Weisung.

      »Ich habe noch eine andere Verabredung,« erwiderte ich.

      »Schön, dann gehe ich eben allein. Die Adresse des Herrn Holmes ist mir bekannt. Sie können sich bestimmt darauf verlassen, daß ich in längstens einer halben Stunde an seinem Krankenlager stehen werde.«

      Mit einem bedrückten Herzen trat ich wieder bei meinem Freunde ein. So, wie ich ihn verlassen hatte, konnte das Schlimmste während meiner Abwesenheit eingetreten sein. Zu meiner ungeheuren Erleichterung fand ich aber, daß sein Zustand sich in der Zwischenzeit sehr gebessert hatte. Sein Aussehen freilich war so geisterhaft wie vorher, aber er war völlig klar im Kopfe und sprach mit zwar schwacher Stimme, aber mit größerer Bestimmtheit und Lebhaftigkeit als selbst in seinen gesunden Tagen.

      »Nun, Watson, hast du mit ihm gesprochen?«

      »Ja, er kommt.«

      »Ausgezeichnet, Watson! Ausgezeichnet! Du bist doch der beste Freund.«

      »Er wollte mit mir herkommen.«

      »Das würde alles vereitelt haben. Das durfte unter keinen Umständen geschehen. Hat er dich gefragt, was mir fehlt?«

      »Ich sprach ihm von der Krankheit und von den Chinesen in den Docks.«

      »Gut! Watson, du hast alles für mich getan, was ein guter Freund für mich tun konnte. Du kannst jetzt von der Bühne abtreten.«

      »Ich muß doch warten, bis er kommt und seine Ansicht hören, Holmes.«

      »Natürlich mußt du, aber ich habe Grund zu der Annahme, daß er seine Meinung viel offener aussprechen wird, und daß sie für dich wesentlich aufschlußreicher sein wird, wenn er glaubt, mit mir allein zu sein. Da hinter dem Kopfende meines Bettes wird gerade Platz genug für dich sein, Watson.«

      »Aber Holmes!«

      »Ich fürchte nur, dir bleibt keine andere Wahl. Das Zimmer bietet sonst keine Gelegenheit, sich zu verstecken, und das ist auch sehr gut so, denn er wird dann um so weniger Verdacht schöpfen. Hier hinter dem Bett, das wird gerade noch gehen.« Plötzlich richtete er sich auf mit vorgebeugtem Kopfe. »Ich höre schon den Wagen. Schnell, Watson, wenn du meines ewigen Dankes sicher sein willst! Und rühre dich nicht, was auch geschehen mag – rühre dich unter gar keinen Umständen! Verstanden? Aber merke dir genau jedes Wort, das gesprochen wird.« Dann sank er wieder todmatt in seine Kissen zurück, und seinen im Befehlston gesprochenen Worten folgte das sinnlose Gemurmel eines im Fieber liegenden Sterbenden.

      Von meinem Versteck aus, wohin mich zu verbergen ich so plötzlich genötigt worden war, hörte ich Schritte auf der Treppe, dann das Öffnen und Schließen der Zimmertür. Zu meiner Überraschung folgte eine langedauernde Stille, die nur von den schweren, röchelnden, unregelmäßigen Atemzügen des Kranken unterbrochen wurde. Ich stellte mir vor, daß Herr Smith neben dem Bette stand und den kranken Dulder betrachtete. Endlich wurde diese unheimliche Stille unterbrochen.

      »Holmes!« rief er. »Holmes!«

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