Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs. Charles Dickens
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Название: Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs

Автор: Charles Dickens

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783961183197

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      »Ach, sei kein Narr, Sam«, entgegnete das Mädchen begütigend: »der Herr will die Stiefel jetzt.«

      »Wenn ich auch ein Narr bin, mein Jüngferchen, so tanze ich doch nicht nach deiner Pfeife«, sagte der Stiefelputzer. »Sieh mal diese Stiefel an – elf Paar und ein Schuh, der der stelzbeinigen Nummer Sechs gehört. Die elf Paar Stiefel sind bis halb neun und der Schuh bis neun Uhr bestellt. Wer ist Nummer zweiundzwanzig, das er vor den andern etwas voraus haben will? Nein, nein: 's muß alles der Reihe nach gehen, wie Henkersmeister Knüpfauf sagt, wenn er einen heißen Arbeitstag hat. Tut mir leid, Sir, daß Sie warten müssen: die Reihe wird aber bald an Sie kommen.«

      Mit diesen Worten nahm der Mann mit dem weißen Hut wieder seine Arbeit auf und bürstete auf einen Stulpenstiefel mit erneuter Wucht los.

      Abermals Klingeln, und die geschäftige alte Wirtin im Weißen Hirsch erschien auf der entgegengesetzten Galerie.

      »Sam!« rief die Wirtin. »Wo ist der faule Schlingel – Sam! Da seid Ihr ja! Warum gebt Ihr keine Antwort?«

      »Wäre nicht höflich, zu antworten, ehe Sie gesprochen haben«, entgegnete Sam grämlich.

      »Da; putze geschwind diese Schuhe für Nummer Siebzehn und bring sie dann in das Zimmer Nummer Fünf im ersten Stock.«

      Die Wirtin warf ein Paar Schuhe in den Hof und ging weiter.

      »Nummer Fünf«, sagte Sam, als er die Schuhe aufhob, ein Stück Kreide aus seiner Tasche langte und das Merkzeichen ihrer Bestimmung auf die Sohlen schrieb. »Damenschuhe und ein Extrazimmer. Denke mir, die ist nicht mit dem Botenwagen angekommen.«

      »Sie kam erst diesen Morgen«, rief das Mädchen, die noch immer auf dem Galeriegeländer lehnte, »mit einem Herrn in einer Mietkutsche, demselben, der jetzt seine Stiefel will. Mach doch rasch; weiter hast du nichts mit der Sache zu schaffen.«

      »Warum sagtest du mir das nicht gleich?« versetzte Sam unwillig, indem er die fraglichen Stiefel aus dem übrigen Haufen herauslangte. »Konnte ich's riechen, daß sie einem andern, als einem der gewöhnlichen Dreipfennigfuchser gehörten? Eigenes Zimmer und dazu eine Dame! Wenn er so etwas von einem hohen Tier ist, so trägt er doch des Tags einen Schilling ein, die sonstigen Aufträge abgerechnet.«

      Angespornt durch diese begeisternde Aussicht bürstete Master Samuel so emsig drauf los, daß in ein paar Minuten Stiefel und Schuhe in einem Glanze dastanden, sogar das Herz des liebenswürdigen Herrn Warren mit Neid zu erfüllen (denn für den Weißen Hirsch lieferten Day und Martin den Wichsebedarf). Darauf verfügte sich der Stiefelputzer mit den Prachtproben seiner Kunst an die Tür von Nummer Fünf.

      »Herein!« rief eine männliche Stimme auf Sams Klopfen.

      Sam machte seinen besten Kratzfuß, als er einen Herrn und eine Dame beim Frühstück sitzen sah. Nachdem er diensteifrig die Stiefel des Herrn rechts und links, und die Schuhe der Dame rechts und links zu ihren Füßen niedergelegt hatte, zog er sich wieder zurück.

      »Hausknecht!« sagte der Herr.

      »Sir«, versetzte Sam, die Tür wieder schließend, während er die Hand auf der Klinke ruhen ließ.

      »Wißt Ihr – nun, wie heißt's doch gleich – Doktor Commons?«

      »Ja, Sir.«

      »Wo ist es?«

      »Pauls Kirchhof, Sir; niederer Bogengang nach der Straße zu, ein Buchladen an der einen, ein Gasthof an der andern Seite, und in der Mitte zwei Türsteher als Lizenzagenten18«

      »Lizenzagenten?« fragte der Herr.

      »Lizenzagenten«, wiederholte Sam. »Zwei Kerle mit weißen Schürzen – greifen nach dem Hut, wenn man durchgeht – ›Lizenz, Sir, Lizenz?‹ Kurioser Leuteschlag – und ihre Herren auch – Anwälte von Old Bailey, Sir – fehlt nicht.«

      »Und was wollen sie denn?«, fragte der Herr.

      »Was sie wollen? Sie, Sir! Und das wäre erst noch nicht das schlimmste. Sie setzen allen Herren Dinge in den Kopf, von denen sie sich in ihrem Leben noch nichts träumen ließen. Mein Vater, Sir, ist ein Kutscher – war Witwer – ein dicker Mann – ungemein stark. Als seine Frau starb, hinterließ sie ihm vierhundert Pfund.

      Er geht zu den Commons, den Anwalt aufzusuchen und das Geld einzustreichen – putzt sich heraus – Stulpenstiefel an – einen Strauß ins Knopfloch – breitkrempigen Hut auf – grünes Halstuch um – ganz wie so'n Kavalier. Geht durch den Bogengang, denkt an nichts, als wie er sein Geld anlegen will – kommt ein Agent auf ihn zu, langt an den Hut – ›Lizenz, Sir, Lizenz?‹ – ›Was ist das für ein Ding?‹ fragte mein Vater. – ›Lizenz, Sir!‹ – ›Nun, was soll's mit der Lizenz da?‹ sagt mein Vater. – ›Heiratslizenz›, versetzte der Agent. – ›Hol' mich der Henker, wenn mir so was einfällt‹, sagt mein Vater. – ›Ich denken, Sie könnten eine brauchen‹ – sagt der Agent. Mein Vater macht halt und besinnt sich ein bißchen. – ›Nein‹, sagt er, ›geht zum Kuckuck, ich bin zu alt und noch obendrein zu dick dazu.‹ – ›Nicht im geringsten, Sir‹, sagt der Agent. – ›Das wäre der Teufel‹, sagt mein Vater.

      – ›Können sich darauf verlassen‹, sagt der Agent: ›wir haben erst letzten Montag einen Herrn verheiratet, der zweimal so dick war wie Sie.‹ – ›Wie – ist das wirklich wahr?‹ sagte mein Vater. – ›Ganz bestimmt‹, sagte der Agent: ›Sie sind ein Schneider gegen ihn – hier herein, Sir, hier herein!‹

      Und mein Vater läuft ihm richtig nach, wie ein zahmer Affe einem Leierkasten, in eine kleine Schreibstube, wo ein Kerl hinter besudeltem Papier und blechernen Kapseln sitzt und gewaltig beschäftigt tut. ›Bitte, nehmen Sie Platz, während ich die Urkunde ausfertige, Sir‹, sagt der Advokat. ›Danke, Sir‹, sagt mein Vater, setzt sich, reißt Mund und Augen auf und glotzt die Namen an den Kapseln an. – ›Wie ist Ihr Name?‹ fragte der Advokat. ›Tony Weller‹, sagt mein Vater. – ›Kirchspiel?‹ sagt der Advokat. – ›Belle Savage‹, sagt mein Vater; denn da pflegte er sein Fuhrwerk einzustellen. Was man mit einem Kirchspiel wollte, wußte er nicht. – ›Der Name des Frauenzimmers?‹ sagte der Advokat. Mein Vater ist wie aus den Wolken gefallen. ›Hol mich der Henker, wenn ich's weiß‹, sagt er. – ›Wie, Sie wissen's nicht?‹ sagt der Anwalt. ›So wenig wie Sie‹, sagt mein Vater: ›kann man ihn nicht nachher hineinschreiben?‹ – ›Unmöglich‹, sagt der Anwalt. – ›Auch recht‹, sagt mein Vater: ›so schreiben Sie Frau Clarke.‹ – ›Was weiter?‹, sagt der Advokat und tunkt seine Feder in die Tinte. – ›Susanna Clarke im Marquis von Granby zu Dorting‹, sagt mein Vater: ›sie wird mich nehmen, wenn ich sie darum angehe – Hab' zwar noch nichts davon zu ihr gesagt: aber ich weiß, sie nimmt mich.‹ Die Lizenz wird ausgestellt und sie nimmt ihn – und was noch mehr ist, sie hat ihn jetzt, und ich habe von den vierhundert Pfund nicht ein einziges zu sehen gekriegt. Doch bitte um Verzeihung, Sir«, fügte Sam zum Schlusse bei; »aber wenn ich auf diese verdrießliche Geschichte komme, so geht's bei mir fort wie bei einem frischgeschmierten Karren.«

      Sam harrte noch einen Augenblick, ob nichts weiteres gewünscht werde, und verließ, als das nicht der Fall war, das Zimmer.

      »Halb zehn – gerade die rechte Zeit – brechen wir auf«, sagte der Gentleman, den wir dem Leser wohl kaum als Herrn Jingle vorzustellen brauchen.

      »Zeit – wofür?« fragte die Jungfer Tante kokettierend.

      »Lizenz, СКАЧАТЬ