Rassismus. Achim Bühl
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Название: Rassismus

Автор: Achim Bühl

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: WISSEN AKTUELL

isbn: 9783843805865

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СКАЧАТЬ den muslimischen Mauren bezeichnete. Auch bezüglich der Mohrenstraße erweist sich Deutschland als rückständiges Land. Eine Bereitschaft auf die Argumente der »Black Community« in Deutschland oder von Menschenrechtsaktivisten einzugehen, dass es sich bei der Bezeichnung »Mohr« um einen rassistischen Begriff handelt und eine »Mohrenstraße« ein Ausdruck mangelnder Aufbereitung der Geschichte des deutschen Kolonialrassismus darstellt, existiert seitens der Mehrheit der Stadtvertreter des Bezirks Mitte bislang nicht. Im Unterschied zur Berliner CDU, die im »Mohren« kein rassistisches Stereotyp erkennen kann und die Diskussion gar für »abstrus« hält, hat sich die Firma Sarotti von ihrer Werbefigur, dem »Sarotti-Mohr«, getrennt. Antirassistische Argumente haben dazu geführt, dass im Jahr 2004 der »Sarotti-Mohr« durch den »Sarotti-Magier« ersetzt und die Produktpalette neu konfiguriert wurde. »Der Sarotti-Mohr« hat bei Sarotti ausgedient; präziser formuliert: fast, insofern der Name »Mohr« nicht mehr benutzt wird und die schwarze Gesichtsfarbe durch einen silbrigen Teint ausgetauscht wurde. Durch den bleibenden Wiedererkennungseffekt werden indes ältere Käufer weiterhin einen »Sarotti-Mohr« erblicken. Im Berliner Bezirk Steglitz wiederum existiert bis heute als Seitenstraße der Schloßstraße die Treitschkestraße, benannt nach dem antisemitischen Historiker Heinrich von Treitschke (1834–1896). Nach jahrelangen kontroversen Diskussionen konnten die Anwohner im Dezember 2012 über eine anvisierte Umbennennung der Straße abstimmen. 78 Prozent der Anwohner sprachen sich gegen eine Umbenennung aus (vgl. Kap. 1.3.5, 1.3.11).

      Beim Umsteigen kann man sich an einem S-Bahn-Stand mit einem »Schoko-Traum« stärken. Das Werbeplakat für die »Schoko-Vanille-Schnitte mit Sahne« kommt nicht ohne den Klassiker des antinegrid-rassistischen Marketings aus: Das Foto eines kleinen schwarzen, properen Jungen mit nacktem Oberkörper wirbt für das als »Aktion« gekennzeichnete Kuchenangebot. »Schwarze« – egal ob klein oder groß – werden zumeist halbnackt abgelichtet und mit Lebensmitteln in Verbindung gebracht, bevorzugt mit Schokolade, Kakao oder Kaffee. Ihr eigentliches Wesen ist und bleibt für den Werbedesigner ihre Hautfarbe, der »schwarze Körper« wird zur Ware konstruiert. Am S-Bahn-Stand werden auch »Kameruner« verkauft. Der »Kameruner« ist eine Berliner Bezeichnung für Krapfen und gleichfalls ein sprachliches Relikt des deutschen Kolonialrassismus.

      Ein Paar Häuserzüge weiter befinden sich in Nachbarschaft der Beuth Hochschule für Technik die »Berliner Werkstätten für Behinderte«, was ich einem Lageplan der Berliner U-Bahn entnehme. Der Terminus »Behinderte« ist ein rassistischer Begriff, insofern Menschen mit Beeinträchtigungen auf ein Merkmal unter vielen ihrer individuellen Charakteristika reduziert werden. Der Begriff »Behinderte« ist ein Beispiel für die diskursive Rassifizierungstechnik der Essentialisierung (vgl. Kap. 2.1.3), insofern dieser einen Menschen entpersonalisiert und unter eine konstruierte Gruppe zwangssubsumiert. Essentialisierung wie Kollektivierung gehen bei diesem Begriff Hand in Hand, der zugleich die Gesellschaft entlastet, insofern scheinbar nicht sie Verantwortung dafür trägt, dass aus einer Beeinträchtigung eine soziale Behinderung wird, da man die Ursache in der Natur des Betroffenen verortet. Über den Sachverhalt ärgere ich mich und denke, dass es in Deutschland keinerlei Bewusstsein von der Verwendung rassistischer Sprache gibt und dies nicht einmal bei einer sozialen Einrichtung. Eine Überprüfung im Internet ergibt indes, dass die offizielle Bezeichnung der »BWB« mittlerweile »Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung« lautet. Bei den Verkehrsbetrieben hat es jedoch wohl niemand für derart wichtig gehalten, bei den ansonsten häufig erneuerten Lageplänen auch den Namen der »BWB« zu korrigieren. Kaum sind an der eigenen Hochschule die sanitären Umbauarbeiten beendet, entdecke ich in jeder Etage neue Schilder mit der Aufschrift »Behinderten-WC«.

      Am Zeitungsstand kann man die Süddeutsche Zeitung kaufen, die nicht per se als Rassismus-verdächtig gilt. Die Wochenendausgabe vom 9./10. Januar 2016 zeigt als Schwarz-weiß-Illustration eine ausgestreckte lange schwarze Hand, die zwischen die Beine eines weißen Frauenkörpers greift und deren gespreizte Finger auf der Vagina ruhen. Zu lesen ist in großen Lettern der Text: »Viele junge Muslime können nicht entspannt dem anderen Geschlecht begegnen. Das sind jedesmal hochsexualisierte Situationen. Auch das ist der Boden für den Exzess von Köln.« Das Titelblatt bedient sowohl antinegridrassistische, antimuslimisch-rassistische wie sexistische Motive und knüpft in der Darstellung an die sogenannte »Schwarze Schmach-Kampagne« (vgl. Kap. 2.6.2) der Weimarer Republik an. Die Illustration reproduziert die Vorstellung von der Existenz von »Menschenrassen«, wobei im Sinne des Hautfarbenrassismus »Schwarze« und »Weiße« als sich antagonistisch gegenüberstehende »Großrassen« präsentiert werden. »Schwarzsein« wird kausal konnotiert mit sexualisierter Gewalt und Bedrohung, der sexuelle Gewalttäter ist »der Schwarze«. Wie bei der »Schwarzen-Schmach-Kampagne«, so steht »Schwarzsein« hier für das unzivilisierte Wilde, für Menschen, die einzig ihren Trieben folgen und nicht über Moral, Sitte und Ehre verfügen. Die Grafik wiederum reduziert die weiße Frau in sexistischer Weise auf ihren nackten Unterkörper, insofern nur ihre langen weißen Beine zu sehen sind. Während die Illustration »Schwarzsein« sexualisiert (vgl. Kap. 2.5.1) und dämonisiert, stellt der Text eine Kausalverknüpfung zwischen der sexualisierten Gewalt und der Religion des Islam her und greift das im antimuslimischen Rassismus übliche Stereotyp von der »frauenverachtenden Religion« auf. Die Gestaltung der Titelseite ist, dergestalt betrachtet, ein Beispiel für Intersektionalität, d. h. der Überschneidung verschiedener Rassismen, wobei das Verflechtungskonstrukt nicht nur zu einer additiven, sondern zu einer rekursiven Verstärkung führt. Der »Schwarze« muslimischen Glaubens sieht sich einer doppelten Sexualisierung wie Dekulturalisierung ausgesetzt, die ihn einer vervielfältigten Rassifizierung unterwirft und seine rassistische Exklusion qualitativ verstärkt.

      Am Zeitungsstand der S-Bahn kann man auch den Focus kaufen, dessen Titel vom 8. Januar 2016 einen nackten weißen Frauenkörper zeigt, auf dem mehrere schwarze Handabdrücke zu sehen sind. Wie die Süddeutsche Zeitung, so reduziert der Focus die weibliche Gestalt auf ihren Körper, sodass die obere Kopfhälfte mit der Augenpartie nicht zu sehen ist. Obwohl der Frauenkörper partiell mit dem Schriftzug »Frauen klagen an« bedeckt ist, folgt das Titelbild dem Muster sexistischer Werbung, dem Prinzip des »sex sells«, indem es die erotisierende Darstellung der Frau bemüht. Das Titelbild des Focus steht ebenfalls in der Traditionslinie der antinegriden »Schwarzen-Schmach-Kampagne«, was noch dadurch verschärft wird, dass man außer dem Motiv der sogenannten »Rassenschande« sowie der »triebhaften Animalisierung« das Stereotyp des »dreckigen Schwarzen« bemüht, dessen schmutzige Hände abfärben und ihre Spuren auf dem sauberen weißen Frauenkörper hinterlassen. Auch der Focus ist ein Beispiel dafür, dass Sexismus wie Antinegrismus als Spielarten des Rassismus (vgl. Kap. 1.3) über korrelierende Tiefenstrukturen verfügen, die sich im Titelbild spiegeln. Gleichwohl gibt das Magazin vor, sexualisierte Gewalt gegen Frauen anprangern zu wollen. Während sich nach heftigen Reaktionen in sozialen Netzwerken die »SZ« zu einer Entschuldigung durchrang, verteidigte der Focus gar das Cover des Heftes.

      Rassismus beginnt bei der eigenen Denk- und Handlungsweise und folglich bei uns und nicht bei den Anderen. Deshalb noch einmal zurück zur Beuth Hochschule für Technik, die derzeit keine Bereitschaft zeigt, einen Gebetsraum für muslimische Studierende einzurichten und diesen auch so zu benennen. Stattdessen soll es einen »Raum der Stille« geben, der auch von anderen Studierenden genutzt werden kann. Man zieht sich auf das Argument der religiösweltanschaulichen Neutralität des Staates sowie auf die Raumknappheit und auf die Gleichbehandlung zurück. Auffallend ist indes, dass die religiös-weltanschauliche Neutralität in Deutschland stets instrumentalisiert wird, wenn es um den Islam geht, während diese im sonstigen Alltag sowie in der Politik kaum Beachtung findet. Angesichts des antimuslimischen Rassismus, angesichts rechtspopulistischer, islamfeindlicher Strömungen wären klare Signale angesagt, deutliche Zeichen eines »Der Islam gehört zu Deutschland«, was folglich auch »Muslime gehören zur Beuth Hochschule« СКАЧАТЬ