Rassismus. Achim Bühl
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Название: Rassismus

Автор: Achim Bühl

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: WISSEN AKTUELL

isbn: 9783843805865

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СКАЧАТЬ Rasse«, die »rote Rasse«, die »gelbe Rasse« und die »schwarze Rasse«. Den konstruierten Menschengruppen werden zumeist die Kontinente Europa, Amerika, Asien und Afrika zugeordnet. Die Einteilung des Globus in Kontinente findet sich bereits beim antiken Schriftsteller Herodot, der Europa, Asien und Afrika nannte. Die Klassifizierung der Menschheit auf Basis der Vorstellungen des Hautfarbenrassismus fand in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s Eingang in schulische Curricula wie etwa in dem weit verbreiteten französischen Schulbuch Le Tour de la France par deux enfants aus dem Jahr 1877 der Autorin Augustine Fouillée, die das Pseudonym G. Bruno benutzte. Fouillée konstruierte vier Rassen mit der Bezeichnung »race blanche«, »race rouge«, »race jaune« und »race noire« und bezeichnete die »weiße Rasse« als die perfekteste (»La race blanche, la plus parfaite de races humaines«). Auch in meinen universitären Rassismus-Kursen sind viele Studierende über die Feststellung zutiefst irritiert, dass »Rassen« eine bloße Erfindung des Rassisten seien. Rassismus beginnt jedoch nicht erst mit der Wertung der »Rassen« bzw. mit der Unterstellung, dass »Rasse« ein Schlüsselfaktor bezüglich der Fähigkeiten, der Intelligenz sowie der Charaktereigenschaften eines Individuums sei. Vielmehr beginnt Rassismus mit der Behauptung des Bestehens »menschlicher Rassen«. Rassismus liegt bereits dann vor, wenn man von »Rasse« nicht als sozialem Konstrukt des Rassifizierungsprozesses, sondern als einer biologischen bzw. natürlichen Größe spricht, wenn man die Existenz »menschlicher Rassen« postuliert. Diese Unterstellung »menschlicher Rassen« begegnet uns auf Schritt und Tritt, sodass die Akzeptanz des wissenschaftlichen Faktums ihrer Nichtexistenz offensichtlich sehr schwer fällt. In einem griechischen Schulbuch für die Grundschule entdecke ich eine Abbildung. Zu sehen ist ein Kind mit blonden Haaren, das seine Arme ausbreitet. Zu seiner Rechten sieht man einen Jungen in einem »Mao-Blaumann«, zu seiner Linken einen Jungen in Shorts mit schwarzer Hautfarbe. Neben dem »kleinen Chinesen« steht ein Junge in einem »Eskimo-Parka«. Die Bildunterschrift lautet: »Alle Kinder dieser Erde«. Wie bei Fouillée wird griechischen Kindern, die Lesen lernen, die Existenz von vier »Rassen« suggeriert, wobei für die »race rouge« hier das Inuit-Kind steht. Das Bild bzw. Ideologem von den vier »Rassen« begegnet uns indes keineswegs nur in Materialien aus dem 19. und 20. Jh. Beim Gang durch die Hochschule entdecke ich in einem Glaskasten ein Werbeplakat mit der Bildunterschrift: »Unternehmer werden mit Spaß am Spiel. Wirtschaft hautnah erleben beim Exist-prime-cup«. Zu sehen ist ein Bild von vier jungen Menschen, zwei Mädchen und zwei Jungen, die vor einem Computerbildschirm sitzen. Wie tief der Rassismus verankert ist, kann man daran erkennen, dass hier die Personenauswahl gar in vermeintlich antirassistischer Intention erfolgt. Der abgebildete Personenkreis soll unabhängig vom Geschlecht und der »ethnischen Herkunft« als gleichberechtigt konstruiert werden. Doch auch hier wird aufs Neue der »Rassegedanke« reproduziert: »race blanche«, »race rouge«, »race jaune« und »race noire« (»hautnah« erleben!), wobei es uns nicht sonderlich wundert, dass sich »die Blondine« im konzentrischen Mittelpunkt des Bildes befindet: die »race blanche« als die edelste »Ur-Rasse«, als die weiße Norm der Dominanzkultur.

      Der Afrodeutschen Noah Sow ist beizupflichten, wenn sie die Meinung vertritt, Deutschland sei ein rückständiges Land bezüglich des Umgangs mit Rassismus. In Deutschland gibt es beispielsweise keine nennenswerte Bereitschaft, auf den Begriff »Rasse« als vermeintliche biologisch-genetische Größe zu verzichten und den Terminus »Rasse« nur als soziales Konstrukt im Kontext einer Rassismusanalyse zu benutzen. Noch immer existiert der Begriff »Rasse« in Art. 3 Abs. 3 GG. Trotz zahlreicher Stellungnahmen und Aufforderungen an die Bundesregierung ist der Terminus »Rasse« im Grundgesetz bis heute nicht ersetzt worden. Ein Grundgesetz ohne »Rasse« gibt es nicht. Dieser Tatbestand gilt indes nicht nur für das Grundgesetz; auch ein »rassefreies« Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) existiert nicht. In dem aus dem Jahr 2006 stammenden Gesetz heißt es gleich im ersten Paragrafen: »Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.« Ein im Sinne des AGG von Rassismus betroffenes Opfer, dem ein Arbeitsplatz mit der Begründung verweigert wird, dass die Kundschaft durch einen »Schwarzen« abgeschreckt werde, muss demzufolge erst einmal akzeptieren, dass es »Rassen« gibt, dass er/sie zur »Race noir« zählt, um eine Klage einreichen zu können. Dergestalt betrachtet muss das Opfer dazu bereit sein, sich rassistisch kategorisieren und damit aufs Neue diskriminieren zu lassen, um gegen eine Diskriminierung juristische Schritte einlegen zu können. Ist Deutschland (weiterhin) ein (zutiefst) rassistisches Land?

      Es sei angemerkt, dass z. B. auch in der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, die eine zeitgemäße Fassung des Hippokratischen Eides darstellen soll, bis heute das Wort »Rasse« benutzt wird, so heißt es hier:

      »Ich werde mich in meinen ärztlichen Pflichten meinem Patienten gegenüber nicht beeinflussen lassen durch Alter, Krankheit oder Behinderung, Konfession, ethnische Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische Zugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung oder soziale Stellung.«

      Bewegung gibt es bezüglich des Terminus »Rasse« in Deutschland allerdings auf Länderebene. So ersetzte im November 2013 das Bundesland Brandenburg in der Länderverfassung die Passage »wegen seiner Rasse« durch die Wortwahl »aus rassistischen Gründen«. Eine Diskussion diesbezüglich findet auf Länderebene auch in Berlin statt, bislang indes aber ohne Resultat.

      Nicht zu unterschätzen ist, dass der Rassismus sich auch im Kontext von Wörtern, Namen sowie Symbolen und Bildern manifestiert. Geht es um Benennungen von öffentlichen Institutionen und Straßen, so lässt sich bereits »vor der eigenen Haustür kehren«. Rassismus ist kein Phänomen, das sich irgendwo im (verbalen) Niemandsland abspielt. Reflektiert der Autor sein eigenes soziales Umfeld, so ist die im Jahr 2009 erfolgte Umbenennung der TFH Berlin in »Beuth Hochschule für Technik Berlin« anzuführen. Zum Zeitpunkt der Namensgebung muss es den Akteuren der Benennung bekannt gewesen sein, dass es sich bei Christian Peter Wilhelm Beuth (1781–1853) nicht nur um einen Reformer des preußischen Gewerbewesens handelte, sondern auch um ein bekennendes Mitglied der im Jahr 1811 gegründeten Deutschen Tischgesellschaft, die sich durch ihre starke antisemitische Grundhaltung auszeichnete. Zu den Texten, die im Kreis der Gleichgesinnten vorgetragen wurden, gehörte u. a. Achim von Arnims (1781–1831) antisemitischer Text »Über die Kennzeichen des Judentums«. Der Zweck des Textes bestand neben der »antisemitischen Belustigung« der Mitglieder in der Agitation für den Ausschluss der Juden aus den eigenen Reihen, was laut Arnim auch die »Absonderung« sogenannter »heimlicher Juden« einschließen sollte. Die Rede geht in ihrem mittleren Teil in einen Knittelvers über, der sich u. a. der Rassifizierungstechnik der Animalisierung (vgl. Kap. 2.6.1) bedient und den Bogen zu antisemitischen NS-Propagandafilmen spannt. Da heißt es:

      »Der Ritter ruft: Was machst Du Katz [gemeint ist ein Frankfurter reicher Jude, d. Verf.]? / Der Jude sprach: Da läuft ein Ratz [eine Ratte, d. Verf.] / Und wirklich war zu dieser Zeit / Die ganze Stadt der Ratten Beut, / Die in dem Judenschmutz geheckt. / Der Jud hätt sich so gern versteckt / Wie eine Ratt im Loche klein / Er möchte gern unsichtbar sein […].«

      Der Knittelvers endet mit der Zwangstaufe des Juden, wobei noch vermerkt wird: »Ein wenig Schläge obenrein, / Das soll ihm zum Gedächtnis sein.« Es ist einer der wohl schlimmsten antisemitischen Texte der deutschen Romantik, zumal er den eliminatorischen Hass des Autors erkennen lässt.

      Zu den Befürchtungen des Tischgenossen Beuth zählte die Vorstellung, dass die Juden in Preußen rechtlich gleichgestellt würden und somit auch Landbesitz erwerben könnten. Ein des Beschneidens unkundiger christlicher Geistlicher, so Beuth, müsste sich dann gar der Aufforderung stellen, den Sohn eines jüdischen Gutsherrn zu beschneiden. Beuth tröstete sich mit den Worten, dass »das Verbluten und Verschneiden manches Judenjungen die wahrscheinliche und wünschenswerte Folge davon sei«. Bereits die Statuten der Deutschen Tischgesellschaft sprechen Bände über die Gesinnung ihrer Mitglieder. Einzuladen, so hieß es, seien nur »Wohlanständige«, worunter Männer »von Ehre und guten Sitten und in christlicher Religion geboren« verstanden wurden und keine »Philister«, СКАЧАТЬ