Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King. Andreas Suchanek
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СКАЧАТЬ sich aus seinen Augenwinkeln. Er bereute längst, was er damals getan hatte. Zuerst war es der Schock gewesen, dann die Panik und schließlich Kalkül. Die Schülerin war schließlich tot, was brachte es schon, wenn er den Mörder offenbarte – nichts. Stattdessen hatte er dafür gesorgt, dass sein Schweigen entlohnt wurde. Die Super-8-Aufnahme war sicher verwahrt, war es bis heute. Leider wusste außer ihm niemand, wo sie sich befand. Damit war der letzte Beweis, der den Mörder überführen konnte, für alle Zeit begraben.

      Mittlerweile fraß der Krebs sich durch die Eingeweide des Direktors, und vor dem letzten Atemzug hatte er sein Gewissen einem Priester gegenüber erleichtern wollen. Das Telefonat war heute Mittag erfolgt, morgen früh hätte die Beichte abgenommen werden sollen.

      »Marietta King ist tot«, zischte die Stimme hasserfüllt. »Tot, verdammt noch eins. Es war notwendig, wissen Sie. Genau wie ihr Ableben es nun ist, Herr Direktor. Sie sind der Letzte, der die Wahrheit kennt. Der Letzte in einer langen Linie. Ich hoffe, es ist Ihnen ein Trost, dass Ihr Tod die Geschichte beendet.« Ein weiterer Ruck.

      Blutrote Schlieren liefen über sein Gesicht, alles verschwamm. Beinahe hatte er das Gefühl, dass der hauchdünne Draht Haut, Fleisch und Knochen durchschnitt. Das also war die Strafe für sein Schweigen.

      »Ruhen Sie in Frieden, Direktor«, erklang die Stimme ein letztes Mal. »Und grüßen Sie mir Marietta.«

      Dann verschwand die Umgebung und der Direktor fiel in ewige Schwärze.

      *

      Zu viert standen sie da und warteten. Direkt gegenüber drang grelles Neonlicht aus den Fenstern der Sheriffstation.

      Harrison konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen. Die anderen hatten ihm in wenigen Worten berichtet, was vorgefallen war, doch die Worte ergaben einfach keinen Sinn. Noch immer wartete er darauf, dass Marietta um die Ecke sprang, über beide Ohren grinsend, und sie ihm enthüllten, dass alles ein Scherz gewesen war.

      Billy blutete aus einer Kopfwunde, Shannon lag weinend in den Armen von Jamie. Der wiederum sah aus, als wäre er einem Gespenst begegnet und zitterte. Sein Gesicht war kreidebleich und er murmelte leise etwas vor sich hin. Trotzdem versuchte er, Shannon Trost zu spenden, was Harrison ihm hoch anrechnete.

      Nachdem seine Freunde ihn über das Funkgerät zur Flucht aufgefordert hatten, war Harrison gerannt, als wäre der Teufel hinter ihm her gewesen. Im Wald angekommen, standen Billy, Shannon und Jamie neben einer dicken Eiche und wirkten völlig verloren.

      Als sie ihm sagten, was geschehen war, dass jemand Marietta getötet hatte, war er in einen Schockzustand gefallen. Zumindest glaubte er das. Die weiteren Geschehnisse waren mechanisch erfolgt.

      Von der nächsten Telefonzelle hatte er seinen Vater angerufen und stockend berichtet, was geschehen war.

      Jetzt standen sie hier und warteten.

      Minuten später kam sein Dad herbeigeeilt, die Aktentasche in der rechten Hand. »Um Gottes Willen, Harrison.«

      Er umarmte ihn stürmisch. Obwohl Harrison das eigentlich nicht mochte, tat es ihm heute gut. Er fühlte sich so leer und allein.

      »Seid ihr in Ordnung?«, fragte Dad an die anderen gewandt. »Was ist das an deiner Stirn, Billy, du blutest.«

      »Nur eine Platzwunde«, sagte der Freund stockend.

      Harrisons Dad wirkte völlig aufgelöst, versuchte aber, die Ruhe zu bewahren. »Ich habe bereits auf dem Sheriff-Department angerufen und erzählt, was geschehen ist. So richtig wollte man mir wohl nicht glauben, doch das wird sich ändern. Ein Streifenwagen wurde bereits zu eurer Schule geschickt. Sobald man Marietta dort findet, wird die Hölle los sein. Die Presse wird sich auf euch stürzen.«

      Shannon schluchzte auf.

      »Ich habe bereits meine Kontakte spielen lassen. Der Staatsanwalt und der Bürgermeister wissen Bescheid und sind momentan vermutlich mit ihrem Krisenstab dabei, die Folgen abzuschätzen. Eines ist sicher«, er schluckte. »Ab morgen wird Barrington Cove eine andere Stadt sein. Wenn wir jetzt gleich dort hineingehen, möchte ich, dass ihr keine Aussage ohne meine Anwesenheit macht. Ist das klar!«

      Alle nickten.

      »Gut.« Harrisons Dad fuhr sich durch das lichte Haar. »Der Sheriff wird eure Eltern informieren und ich kann euch erst mit deren Zustimmung vertreten, denn ihr seid minderjährig. Daher müsst ihr die Aussage verweigern, bis ich das geklärt habe.«

      »Aber …« Billy drückte ein Taschentuch auf die Platzwunde, als ein Blutstropfen über seine Nase rollte. »Wir haben doch nichts getan.«

      »Hört mir jetzt genau zu. Ihr seid in die Schule eingebrochen und alleine das ist schon strafbar. Doch wenn irgendjemand dort drinnen an eurer Aussage zweifelt, dann wird der Staatsanwalt euch schnurstracks anklagen. In wenigen Stunden wird die Öffentlichkeit erfahren, dass Marietta tot ist. Und das, was dann all die lieben, netten Eltern dort draußen wollen, ist, dass ihr eigenes Kind sicher ist. Ein Schuldiger muss her.«

      Harrison hatte oft mitbekommen, wie sein Dad mit Mandanten ähnlich gesprochen hatte. Er bereitete sie so darauf vor, was auf sie zukam. Vermutlich würde es sogar noch schlimmer werden. Harrison konnte momentan trotzdem nicht an sich selbst denken. Er sah immer wieder Marietta vor sich. Wie sie lachend mit den anderen im Dunkeln verschwand, während er alleine zurückblieb.

      Er sah in Gedanken wieder den Mann, der mit dem Super-8-Band an ihm vorbei ging. War das der Mörder gewesen? War der verdammte Kerl tatsächlich so nahe an ihm vorbei gegangen?

      »Also, seid ihr bereit?«, fragte Harrisons Dad.

      Sie nickten.

      Der Regen nahm weiter zu.

      Gemeinsam überquerten sie die Straße.

      Sein Dad ging voran und öffnete die Tür.

      Sie betraten die Sheriffstation.

      Ende des 1. Teils

      II

      Auf tödlichen Sohlen

      von Nicole Böhm

      »Wir funken auf Kanal 4«, sagte Jamie und drückte Harrison das Walkie-Talkie in die Hand. »Kannst du dir das merken oder muss ich es dir aufschreiben?«

      »Idiot.«

      »Dann mach’s mal gut, Hairy-Boy. Lass dich nicht von den Geistern holen.« Jamie gab Harrison einen Klaps auf die Schulter, legte seinen Arm um Shannon und folgte den anderen nach oben Richtung Sekretariat.

      »Nenn ihn nicht immer Hairy-Boy«, sagte Shannon und boxte ihn in die Seite. »Das mag er nicht.«

      »Würde ich auch nicht, wenn ich für die Haare auf meinem Rücken einen extra Friseurtermin bräuchte.« Jamie zwinkerte ihr zu. Wo bliebe der Spaß, wenn er den СКАЧАТЬ