Название: Elfenzeit 2: Schattendrache
Автор: Verena Themsen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773207
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Rian schwang sich auf einen Rücken und zog Grog hinter sich, während David und Pirx auf das zweite Pferd sprangen. Die Elfen griffen in die Mähnen, die beiden Kobolde klammerten sich an ihnen fest. Ein kurzer Ruf, ein Schnauben, und unter freudigem Johlen von Pirx galoppierten die Pferde los, die Feldwege hinunter, immer an den Schienen entlang und durch den nachlassenden Nieselregen in Richtung Worms.
*
Knapp über dem von unzähligen Füßen blankgeschliffenen Boden wurde das welke Blatt noch einmal herumgewirbelt und kratzte dann mit seinen trockenen Spitzen über das alte Holz. Nicht weit vor Alebin kam es schließlich zur Ruhe. Die Hände in die weiten Ärmel seines silberbestickten nachtblauen Gewandes geschoben, betrachtete der Elf es einen Moment nachdenklich, ehe er einen Schritt vortrat und sich bückte, um es aufzuheben. Die braunen Spitzen knisterten und brachen, als er seine Hand darum schloss. Hastig erhob er sich und trat wieder in die lockere Reihe der Audienzsuchenden zurück, bemüht, nicht vorzeitig aufzufallen.
Doch er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit. Das war nicht verwunderlich, denn im Tageslicht wirkte er so verblasst und unscheinbar wie das Blatt in seiner Hand. Wenn nicht das Funkeln in seinen großen Augen gewesen wäre, hätte man sogar glauben können, Alebin sei ein Sterblicher, den es nur durch Zufall in diese Halle verschlagen hatte. Doch er war ein Elf, einer, dessen schillernde Natur nur im Dunkel der Nacht zum Vorschein kam, und der das Licht der nächtlichen Sterne daher mehr liebte als das Blauschimmern des Taghimmels.
Es war der Grund, weshalb er eine Audienz nach Einbruch der Nacht erhofft hatte, doch sein Wunsch war nicht in Erfüllung gegangen. Auch Fanmór ermüdete dieser Tage schneller als früher, und Alebin konnte froh sein, überhaupt so früh einen Platz in der Reihe der Audienzsuchenden erhalten zu haben, welche die Wände des Saales säumten.
Allerdings hätte selbst jemand, der ihn bemerkt hätte, vermutlich wenig darauf gegeben, was er tat. So wie die meisten Crain würden auch die hier Anwesenden sich nur dann mit ihm beschäftigen, wenn es unumgänglich war. Nicht umsonst nannte man das, was er war, einen Meidling. Man mied ihn, wo man konnte. Er hatte an Gwynbaens Seite gegen Fanmór gekämpft, doch als der Moment der Entscheidung gekommen war, war er nicht freiwillig mit ihr ins Exil gegangen, sondern hatte den Meidlings-Schwur geleistet. Es war ihm nicht schwergefallen, denn es war niemals das Volk der Crain gewesen, gegen das er hatte kämpfen wollen, sondern stets nur Fanmór, der kein Crain war und nun dennoch die Herrschaft über sie an sich gerissen hatte.
Doch diese Tat hatte ihn als doppelten Verräter abgestempelt, und niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Nur seinen besonderen Fertigkeiten in der Brennkunst war es zu verdanken, dass er dennoch bei Hof hatte bleiben und seinen Dienst weiter verrichten können. Wenn es um ihr Vergnügen ging, konnten die Elfen durchaus einmal großzügig sein. Aber er war ab diesem Tag einsam geblieben, ohne echte Freunde, und selbst die wenigen Elfen, die mit ihm Umgang pflegten, taten dies meist nur widerwillig. Seine besten Freunde waren und blieben seither die Erzeugnisse seiner eigenen Kunst.
Aber ich werde mich sicher nicht beklagen, dachte Alebin. Nicht nur, dass mir das Schattenland erspart geblieben ist, ich kann aus meiner Position heraus am Besten helfen, unser Volk zu retten. Was dieser Usurpator nicht zu tun gewillt scheint, oder zumindest nicht mit den angemessenen Mitteln betreibt.
Der Blick des Elfen wanderte über die vor ihm Wartenden hinweg zum Kopfende des Saals. Dort saß Fanmòr in leicht vorgebeugter Haltung auf seinem mit Fellen und Stoffen gepolsterten Thronsessel und hielt Hof. Neben ihm standen seine Berater, und gerade jetzt trat Regiatus vor und reckte sich, um seinem Herrscher etwas ins Ohr zu flüstern. Alebin fragte sich, woher der Cervide die grünen Ranken genommen hatte, die er um sein Geweih gelegt hatte. Kein einziges verfärbtes Blatt war daran. Vermutlich hatte er magische Hilfmittel angewandt, um die Blätter zu färben, oder alle befallenen einfach herausgepickt.
Neben dem Hirschköpfigen flatterte eine Blumenelfe auf und ab, und Alebin wunderte sich, wie die Umstehenden das permanente Klingeln der über ihr hängenden Glockenblumen ertrugen. Doch weder den Baummann, dessen oberste Kopfzweige schon nahezu die Decken berührten, noch die nur in hauchdünne Gischt gekleidete Flussnixe schien es zu stören. Vielleicht hatte aber auch schon jemand einen Stillezauber über die Blumenelfe verhängt. Es hätte das hektische und zornige Flattern erklärt, und würde zu der vorgetäuschten Sorglosigkeit passen, die hier alle so gekonnt an den Tag legten.
Niemand schien an das zu denken, was in diesem Moment draußen geschah, an das Altern, das Sterben. Niemand wollte sich mehr des alten Morvidian erinnern, der vor kurzem noch an den Toren des Schlosses als Fels gestanden hatte. Alebin hatte zugesehen, wie er verblasst und schließlich ohne Wiederkehr verweht war. In diesem Moment hatte er begriffen, dass die Dinge zu langsam vorangingen, und dass es seine Pflicht war, sie zu beschleunigen. Er musste seinen Herrscher darauf hinweisen, dass es eine große Macht gab, die er nutzen konnte, um zu verhindern, dass es für allzu viele zu spät wurde.
Alebin sah wieder zurück zu Fanmór und runzelte die Stirn. Vor kurzem erst hatte der König seine beiden Kinder in die Welt der Sterblichen geschickt, und nun hielt er Hof, als sei nichts Besonderes geschehen. Die anderen Elfen klammerten sich an die Zuversicht ihres Herrschers und zogen es vor, ebenfalls so zu tun, als gäbe es den überall einsetzenden Verfall nicht. Alebin ballte unwillkürlich seine Hand zur Faust, als er daran dachte. Erneut spürte er die brüchigen Blattkanten mit unangenehmer Deutlichkeit in seine Haut schneiden.
Wie dumm musste man sein, zu glauben, dass zwei Elfen, die zu jung waren, um den Krieg gegen Bandorchu miterlebt zu haben, in der fremden Welt der Sterblichen irgendetwas erreichen konnten? Und wenn sie tausendmal vom herrschaftlichen Blut der Sidhe Crain waren und durch die Umstände ihrer Zwillingsgeburt hervorgehoben – sie hatten weder die notwendige Erfahrung noch genug Macht, um etwas gegen eine Kraft ausrichten zu können, welche die Tore zwischen den Elfenländern verschloss und die Bewohner Crains und der anderen Reiche den Folgen der Zeit und damit dem endgültigen Tod überantwortete.
Die für den Kampf gegen eine solche Kraft notwendige Macht musste anderswo gesucht werden, dort, wohin Fanmór sie verbannt hatte, damit sie ihm nicht mehr gefährlich werden konnte. Alebin würde dem Herrscher eine letzte Gelegenheit geben, dies einzusehen und das einzig Richtige zu tun.
Sollte Fanmór dennoch nicht einsehen, was allein das Beste für die Elfen war, dann würde Alebin andere Wege gehen, um dafür zu sorgen, dass die Dinge sich entsprechend entwickelten.
2.
Im Reich der Nibelungen
Hart klang das Klappern von Pferdehufen auf Asphalt von den Wänden der Häuser wider und erzeugte Wellen in den Pfützen am Straßenrand, die das mattweiße Licht der Straßenlaternen zurückwarfen. Hier und da wurde ein Vorhang zurückgezogen, und Kinder in Schlafanzügen drückten ihre neugierigen Gesichter an den Fensterscheiben platt.
Doch ansonsten zeigte niemand Interesse für das seltsame Reiterpaar, das Einzug in der Stadt der Nibelungen hielt. Die geplagten Hundebesitzer, die trotz der späten Stunde und der nassen Wege ihre Tiere ausführen mussten, hoben kaum den Kopf, und die wenigen Autos, die unterwegs waren, fuhren zügig an ihnen vorbei, um so schnell wie möglich ihre trockenen Garagen zu erreichen.
Rian sah sich aufmerksam um, musterte die Sandsteinfassaden und Fachwerkhäuser und zog unwillkürlich Vergleiche zu der einzigen Menschenstadt, die sie bisher kennengelernt hatte.
»Das hier ist so … so völlig anders als Paris«, meinte sie über das Hufklappern hinweg zu David. »So ruhig, verschlafen, keine hohen Gebäude, kaum Beton und Stahl, und fast überall sind hübsche Gärten vor den Häusern.«
David zuckte die Achseln. »Wir sind СКАЧАТЬ