Das Orchester, das niemals schläft. Christoph Wagner-Trenkwitz
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Название: Das Orchester, das niemals schläft

Автор: Christoph Wagner-Trenkwitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783903083691

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СКАЧАТЬ (D 944) erstmals ein Werk Schuberts auf das Programm unseres Orchesters. Doch was eine Wiedergeburt hätte sein können, zeitigte keine positiven Folgen. Schwächen in Organisation und Werbung, vor allem aber die »zu geringe Identifikation der Musiker mit ihrem Unternehmen führten zum vorübergehenden Untergang der philharmonischen Idee« (Hellsberg); nur zehn Konzerte hatten in dem Jahrzehnt seit dem Abgang Nicolais stattgefunden.

      Die »Wiedergeburt«

      Immerhin war es Eckert, der ab 1858 als Operndirektor amtierte, noch gegeben, die »Wiedergeburt« der Philharmoniker zu initiieren. Am 14. Jänner 1860 zeigte das Kärntnertor-Theater Die lustigen Weiber von Windsor aus der Feder des bereits elf Jahre toten Philharmoniker-Gründers, und tags darauf bat man »um die Mittagsstunde« zum »Ersten Philharmonischen Abonnement-Concert, veranstaltet von den Orchester-Mitgliedern des k. k. Hofoperntheaters unter Leitung [von] Herrn Carl Eckert«. Der Kritiker Eduard Hanslick jubelte: »Von der ersten bis zur letzten Note ein Geist und eine Hand.« War die altbewährte Qualität wiederhergestellt, so bedeutete die Organisationsform eine radikale und für alle Zukunft taugliche Neuerung. Bislang waren die »Philharmonischen« einzeln zu bewerbende und zu verkaufende Veranstaltungen gewesen; das System des Abonnements (mit zunächst nur vier Aufführungen) schuf Vertrauen beim Publikum, das sich im engen Kärntnertor-Theater drängte, um »sein« Orchester in den Bühnenbildern der Abendvorstellung konzertieren zu sehen. Bald wurde die Zahl der Abo-Konzerte auf acht festgelegt, ab 1864 waren es neun. Diese Zahl hielt fast ein Jahrhundert: Erst 1961 wurde die Anzahl der jährlichen Konzerte mit zehn fixiert.

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      Konzertmeister Joseph Hellmesberger senior sowie die Dirigenten Carl Eckert und Otto Dessoff

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      Noch 1860 legte Eckert sein Amt aus Gesundheitsgründen zurück, Matteo Salvi wurde sein Nachfolger als Operndirektor. Den aus Sachsen stammenden, erst 25-jährigen neuen Opernkapellmeister Otto Dessoff wählte die Hauptversammlung der Philharmoniker zum Nachfolger als Orchesterchef – er blieb es segensreiche eineinhalb Jahrzehnte. »Dessoff hat die Grundmauern zu dem Gebäude gelegt, in dem spätere, vielleicht brillantere Dirigenten ein- und ausgingen«, so Herta und Kurt Blaukopf. »Man kann nicht gut der feinen Welt angehören, ohne eine Abonnementskarte zu den philharmonischen Konzerten in der Tasche zu tragen«, so gab die Zeitschrift Der Wanderer 1864 der Begeisterung für die Unternehmung Ausdruck.

      Die Einführung der Abonnementkonzerte 1860 wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein als Gründungsmoment der Wiener Philharmoniker betrachtet. Erst 1942 entschloss man sich, die 100 Jahre seit der Gründung durch Otto Nicolai zu feiern. 1860 markierte übrigens auch die »Zeugung« eines Gebäudes, das für unser Orchester bis heute eine Heimat bildet: Es erfolgte die Architektenausschreibung für das neue Hofoperntheater, das neun Jahre später eröffnet wurde.

      Richard Wagner und die Wiener Philharmoniker

      Der wichtigste deutsche Opernkomponist, der den Philharmonikern erstmals 1861 begegnete, verdient einen ausgiebigeren Exkurs, der uns bis in die 1870er-Jahre führen wird.

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      Richard Wagner zu einer Zeit, als er nur mehr die Musik und nicht mehr die Politik revolutionieren wollte

      Als Revolutionär hatte sich Richard Wagner exponiert und musste 1849 aus Dresden flüchten. Nun lebte er, immer noch persona non grata in Deutschland, im Schweizer Exil. Im Mai 1861 hörte Wagner erstmals das Wiener Opernorchester – und erstmals den eigenen Lohengrin. An seine Frau Minna Planer schrieb der Meister: »Zum ersten Mal in meinem mühe- und leidvollen Künstlerleben empfing ich einen vollständigen, allesversöhnenden Genuß«. Wenige Tage später folgte ein nicht minder umjubelter Fliegender Holländer, nach dem Wagner in einer Ansprache ankündigte, im Herbst nach Wien kommen zu wollen, um hier seine neue Oper einzustudieren: Tristan und Isolde. Nach 77 Proben und einer Erkrankung des Tenors Alois Ander verabschiedete man sich von dem kühnen Projekt einer Tristan-Uraufführung in Wien, der Komponist flüchtete hochverschuldet aus seiner Penzinger Villa. Das Jahrhundertwerk erblickte erst im Juni 1865 in München das Licht der Bühne.

      Erwähnenswert ist eine Uraufführung am Kärntnertor-Theater, die zustande kam, ohne auf die erhoffte Resonanz zu stoßen. Im Februar 1864 gingen Jacques Offenbachs Rheinnixen in Szene, woraus der Franzose Jahre später die berühmteste Melodie in sein letztes Werk übernahm: die Barkarole in Hoffmanns Erzählungen.

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      Das erste Foto der Wiener Philharmoniker (1864) in der Dekoration des Kärntnertor-Theaters, links von der Mitte der Dirigent Otto Dessoff (in hellen Hosen)

      Richard Wagner mochte von den Opernbehörden enttäuscht gewesen sein, die für die Uraufführung seines Tristan nicht zu allen Opfern bereit gewesen waren; dem Wiener Orchester jedoch bewahrte er eine lebenslange Verbundenheit, die sich bereits in der Saison 1862/63 in mehreren epochalen »außerordentlichen« Konzerten manifestierte. Im Theater an der Wien erklangen nacheinander Ausschnitte aus dem Ring des Nibelungen und den Meistersingern von Nürnberg.

      Im Mai 1872, knapp vor der Bayreuther Grundsteinlegung, gastierte der Meister wieder im Musikverein, lobte die Philharmoniker bei einer Probe als »das beste Orchester der Welt« und fügte hinzu: »Bei euch und mit euch Musik zu machen ist eine Lust!« Im Konzert am 12. Mai, das auch das Walküre-Finale beinhaltete, ergab sich ein besonderer Effekt: Als Wotan den Feuergott Loge herbeirief, brach ein lautstarkes Gewitter los.

      Von Wagners Wien-Besuchen im März und Mai 1875 sind vielsagende Anekdoten überliefert. Zu einer Konzertprobe mit Bruchstücken aus Götterdämmerung kam die Hofopernsängerin Amalie Materna erschöpft von einer Probe der Goldmark’schen Königin von Saba. Als sie versuchte, sich der Probe mit halber Stimme zu entledigen, meinte Wagner: »Bitte nicht markieren! Goldmarkieren Sie in der Oper!« Beim Konzert war es abermals ausgerechnet ein jüdischer Konkurrent, der die künstlerischen Kräfte abzog. Als das frenetisch jubelnde Publikum eine Wiederholung des Trauermarsches aus Götterdämmerung erzwingen wollte, baten die Bläser den Dirigenten um Schonung, da sie abends noch Meyerbeers Afrikanerin in der Hofoper zu spielen hatten. Wagner erklärte dem Publikum die Situation und nannte das Opernwerk – ob irrtümlich oder in sarkastischer Absicht, muss dahingestellt bleiben – die »Amerikanerin«.

      Am 2. März 1876 dirigierte Wagner das einzige Mal an der Hofoper – eine Benefizvorstellung seines Lohengrin. Dem Konzertmeister streute der Dichterkomponist Rosen (»Sie spielen das ja viel schöner, als ich es komponiert habe«), konnte sich als nicht geübter Kapellmeister aber auch auf einen »heimlichen« Subdirigenten verlassen, der so manchen »Schmiss« verhinderte. Niemand Geringerer als der Wagner ergebene Hofkapellmeister Hans Richter hatte an der Pauke Platz genommen und dirigierte an heiklen Stellen »mit dem Paukenschlägel, ohne daß es Wagner gewahr wurde«, wie Joseph Sulzer, Zeitzeuge in der Cellogruppe, berichtete.

      Richard Wagner besuchte das Orchester nach 1876 nicht mehr, doch dieses reiste ihm nach: Ab den ersten Bayreuther Festspielen halfen über viele Jahre Musiker der Wiener Philharmoniker im Festspielorchester aus. Nicht alle waren Freunde des »Zukunftsmusikers« Wagner. Der Hofopernfagottist Wilhelm Krankenhagen etwa notierte in seine Götterdämmerung-Stimme:

      Der Zukunft Musik СКАЧАТЬ