Das Orchester, das niemals schläft. Christoph Wagner-Trenkwitz
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Название: Das Orchester, das niemals schläft

Автор: Christoph Wagner-Trenkwitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783903083691

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СКАЧАТЬ Opernorchester des Jahres 1842 zählte nicht einmal halb so viele Mitglieder wie das heutige. Während die Staatsoper anno 2017 über 148 Planstellen verfügt, betrug der Stand in der Nicolai-Zeit gerade einmal 64 Musiker, 31 davon Streicher. Nicolai musste sich also mit »Substituten« (Aushilfen) aus Burgtheater und Hofmusikkapelle behelfen, um im Großen Redoutensaal der Hofburg reüssieren zu können.

      Am Beginn des Programmes, das »Am Ostermontag den 28. März 1842, Mittags um halb 1 Uhr« (mit Rücksicht auf den Opernbetrieb konnte das Orchester nur mittags an probenfreien Sonn- und Feiertagen konzertieren) vom »sämmtliche[n] Orchester-Personal des k. k. Hof-Operntheaters« gegeben wurde, stand Ludwig van Beethovens 7. Symphonie. Dieser Klangkörper ist »entstanden, um Beethovens symphonisches Vermächtnis zu erfüllen«, wie schon Hans Weigel feststellte. Außerdem wurde die 1. Leonoren-Ouvertüre des Meisters gespielt – nicht die 3., wie auf dem Programmzettel vermerkt ist. Mit der 3., der »großen«, Leonoren-Ouvertüre hatte Nicolai bereits im Jahr davor Furore gemacht: Er ließ sie zwischen den beiden Fidelio-Akten aufführen. »Jetzt darf man den Fidelio gar nicht mehr ohne dieselbe geben«, vermerkte er stolz in seinem Tagebuch.

      Mit der Präsenz von Sängerinnen und Sängern des Operntheaters (sie sangen Mozart und Cherubini) und dem Cellovirtuosen Adrien-François Servais glich dieses erste »Philharmonische« (das freilich noch nicht so hieß) den damals üblichen Orchester-»Akademien«, Konzerten mit langen Mischprogrammen. Der Erfolg des Konzertes war jedenfalls beträchtlich, sowohl in künstlerischer als auch in pekuniärer Hinsicht. Er brachte »einen Neben-Gewinst« ein, »dessen der größte Theil der Orchester-Mitglieder bedürftig ist«, wie Nicolai an Operndirektor Carlo Balochino schrieb.

      Nicolai setzte seinen Weg als Leiter der neuen Konzertunternehmung unbeirrt fort und lud am 27. November 1842 zum »zweite[n] Philharmonische[n] Konzert« (der Name war gefunden, wurde aber noch lange nicht auf das Orchester übertragen) in den Redoutensaal. Auf Orchester- und Vokalwerke von Mozart und Louis Spohr folgte zum Abschluss Beethovens 5. Symphonie. Der Mitbegründer der Philharmoniker Dr. Alfred Becher fand prophetische Worte: »… es kann nicht fehlen, daß bei fortgesetztem Streben das Wiener Orchester den besten der Welt angereiht, vielleicht sogar allen übrigen vorgesetzt werden wird.«

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      Programmzettel des ersten Philharmonischen Konzertes

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      Die ersten Geschäftsordnungen sind nicht erhalten. Die hier abgebildete stammt aus dem Jahre 1862.

      Am 19. März 1843 nahm sich Nicolai der Neunten Beethoven an, eine Wiedergabe, die dank der 13 Proben, die für das anspruchsvolle Werk angesetzt waren, zu einer »Sternstunde«, ja gewissermaßen zu einer »zweiten Uraufführung« (Hellsberg) geriet. Drei Jahre vor der Aufführung der Neunten durch Richard Wagner in Dresden gelang den Philharmonikern der Beweis der Aufführbarkeit dieser Symphonie.

      Neben den relativ raren selbst veranstalteten Philharmonischen Konzerten und dem täglichen Operndienst trat unser Orchester auch noch bei zahlreichen anderen Veranstaltungen, großteils im Kärntnertor-Theater, an. So dirigierte Hector Berlioz am 16. Dezember 1845 zum ersten und letzten Mal die Philharmoniker und urteilte, sie würden »vielleicht von anderen Orchestern erreicht, aber von keinem übertroffen«. Als der Komponist Félicien David mit seinem international gefeierten, in Wien nur mäßig erfolgreichen Orchesterwerk Die Wüste im Kärntnertor-Theater gastierte, musste sich unser Orchester von einer Zeitung ein Lob gefallen lassen, das auch einen Hauch von Tadel enthielt: Dieser »Körper« sei »alles zu leisten im Stande … wenn er nur will«. Wir müssen an einen von Vorstand Otto Strasser kolportierten Satz Wilhelm Furtwänglers denken, der ein knappes Jahrhundert später im Anschluss an ein Konzert in London meinte, »daß wir das beste Orchester der Welt seien – wenn wir wollten«.

      In den 1840er-Jahren zählten Franz Liszt und Robert Schumann zu den Konzertdirigenten, während unter anderen Friedrich von Flotow, Conradin Kreutzer und Giacomo Meyerbeer persönlich ihre Opern am Kärntnertor-Theater leiteten – die Tuchfühlung mit den »Großen« der Branche herrschte für die Musiker des Wiener Orchesters also vom ersten Moment an.

      Krise und Abschied

      Beim achten Philharmonischen Konzert (30. März 1845) stand Beethovens Achte auf dem Programm – aber ein anderer als Nicolai am Dirigentenpult. Im Februar 1845 war der Musiker schwer erkrankt, doch das »undankbare Orchesterpersonal« (Nicolai), das schon seit Längerem kein ungetrübtes Verhältnis zu seinem gestrengen Chefdirigenten hatte, sagte das geplante Konzert nicht ab. Man betraute einen Musiker aus den eigenen Reihen mit der Leitung: Georg Hellmesberger, ein »Garant solider Mittelmäßigkeit« (Hellsberg). Bemerkenswert, wie sich Geschichte annähernd wiederholt: Als 1901 Gustav Mahler erkrankte, wurde das Konzert im März Joseph Hellmesberger, dem Enkel von Nicolais Orchesterdirektor, übertragen. Der gekränkte Mahler legte wenig später die Leitung der Konzerte zurück. Auch für Nicolai war die Ausbootung anno 1845 mit ein Grund, sein »Kind« zu verlassen. Nach zähen Kämpfen allerdings, und im vollen Bewusstsein, dass er der »Leiter des Besten, das Wien liefert«, gewesen war. Mag das Orchester seinem Gründer auch übel mitgespielt haben, so wird ihm doch bis heute mit den 1887 gegründeten, einmal jährlich stattfindenden »Nicolai-Konzerten« sowie der für besondere Verdienste um die Wiener Philharmoniker verliehenen »Nicolai-Medaille« ein ehrendes Andenken bewahrt.

      Am 7. März 1847 dirigierte Nicolai sein elftes und letztes Philharmonisches Konzert mit Mozarts großer g-Moll-Symphonie, einer Meyerbeer-Ouvertüre und der Zweiten Beethoven. Vom Kärntnertor-Theater verabschiedete sich Nicolai wenig später mit dem »göttliche[n] Don Juan, mit dem ich auch vor 6 Jahren diese Stellung antrat«.

      Nach Nicolai

      In der Oper erlebte man zwar Sternstunden, so die Uraufführung von Flotows Martha am 25. November 1847 und (nach der revolutionsbedingten Schließung des Kärntnertor-Theaters 1848/49) die Erstaufführung von Meyerbeers Der Prophet unter der Leitung des Komponisten 1850, aber die Entwicklung des Philharmonischen Orchesters war in den auf Nicolai folgenden »elf mageren Jahren« (Hellsberg) mehr oder minder vom Stillstand betroffen.

      Immerhin wirkten die Orchestermusiker unter der Bezeichnung »Gesellschaftsorchester der Musikfreunde« unter der Leitung von Joseph Hellmesberger, dem hervorragenden Geiger und Sohn Georgs, waren aber an einem »Tiefpunkt ihrer Geschichte« angelangt und auch finanziell »beinahe ausschließlich von der Oper abhängig« (Hellsberg). Dazu trug auch der ab 1853 amtierende, sehr zu willkürlichen Akten neigende Operndirektor Julius Cornet bei, der das Orchester geringschätzte und das Fehlen jeglicher Probenordnung weidlich ausnützte.

      Ein Zusammenprall mit Cornet verdient es, wiedergegeben zu werden: Der Primgeiger Wilhelm Pauli wurde eines Tages von dem rabiaten Direktor auf der Bühne angetroffen und mit den Worten angeschnauzt: »Sehen Sie zu, dass Sie sich augenblicklich ins Orchester packen.« Der Angesprochene antwortete mit dem Götz-Zitat, worauf Cornet wutentbrannt auf den Regisseur Just zustürzte und rief: »Haben Sie gehört, was der freche Mensch gesagt hat?« – »Ja.« – »Was täten Sie?« – »Ich, ich täte es nicht«, sagte Just seelenruhig.

      Mit dem Engagement des Opernkapellmeisters Carl Eckert begann 1853 eine Phase der Konsolidierung des philharmonischen Konzertwesens. Der Geiger Henri Vieuxtemps und die Pianistin Clara Schumann traten als Solisten auf, Liszt dirigierte das Orchester, und am 25. März 1855 (in einem Benefizkonzert für das Bürgerspital) kamen die Musiker erstmals in Berührung mit einer Schöpfung Richard Wagners, dem Vorspiel zum 3. Aufzug Lohengrin. Die Wiener Erstaufführung des kompletten Werkes fand erst im August 1858 am Kärntnertor-Theater statt.

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