Neuland unter den Sandalen. Christoph Müller
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Название: Neuland unter den Sandalen

Автор: Christoph Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

Серия:

isbn: 9783702232764

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СКАЧАТЬ groß. Endlich erreichte ich auf 1180 Meter Höhe ein Dorf mit dem originellen Namen „Nasbinals“. Ich beschloss, was sonst eher selten der Fall war, in ein Restaurant einzukehren, um wieder einmal richtig zu essen. Es gab ein Nasbinalser Menü zu zwölf Euro, alles inbegriffen: Es war wie im Schlaraffenland. Zuerst brachte man mir zu meinem Erstaunen einen ganzen Liter Wein, dazu frisches Brot. Es folgte Kartoffelsalat mit Tomaten, dann eine äußerst delikate, sehr heiße Lauchspezialität. Abgelöst wurde sie durch ein Hähnchen, das auf einem feinen Risottobett lag. Schließlich ruhten meine Augen auf einer großen Platte mit verschiedenen Käsesorten, von denen ich nach Belieben abschneiden konnte. Gekrönt wurde das Essen schließlich von drei großen Eiskugeln.

      In einem günstigen Moment, da ich mich unbeobachtet fühlte, goss ich den Rest des Weines heimlich in eine Plastikflasche und packte auch die Brotreste mit ein. Es nahte der Sonntag. Ich wusste nicht, ob ich mich morgen einer zum Gottesdienst versammelten Gemeinde würde anschließen können. Vielleicht musste ich in dieser kargen Einöde alleine Gottesdienst feiern?

      Mehr als satt und leicht beduselt verließ ich das Lokal. Der Wirt murmelte noch irgendetwas von einer letzten Passhöhe, die es zu überwinden galt. Aber ich hatte zu viel Wein getrunken und schaffte es nicht mehr hinauf. Tapfer kämpfte ich mich noch ein Stück weit Richtung Pass hinauf, aber dann überfiel mich eine solche Müdigkeit, dass ich eine Siesta einlegen musste. Ich fiel in einen tiefen Schlaf. Die schweren Brummer, die an mir vorüberdonnerten, vermochten mich nicht zu wecken.

      Und doch wurde ich bald um den Schlaf gebracht: Eine Ameise fand den Weg in mein Hemd und rief all ihre Kolleginnen herbei. Da half nur schleunigste Flucht. Bei späteren Nickerchen habe ich den Siestaplatz immer sehr sorgfältig nach diesen hartnäckigen Tierchen abgesucht.

      Nur mit Mühe schaffte ich den Aufstieg zum Pass. Nun war das Zentralmassiv endgültig überwunden. Vor mir lag die vom Wirt angekündigte, endlose Abfahrt. Der frische Wind und das Wissen, dass es keine weiteren Anstiege mehr gab, machten mich restlos glücklich.

      Doch je näher die Ebene kam, umso häufiger schlugen mir ganze Wellen von heißen Luftschichten entgegen. Um 16.00 Uhr unten angekommen, konnte ich, als ich vom Fahrrad stieg, kaum mehr atmen. Es war eine Atmosphäre wie in einer Gießerei. Die Hitze hielt alles im Griff. Sie brachte alles Leben zum Stillstand. Nicht einmal der Schatten bot Linderung. Rasch floh ich in einen Laden, wo ich mir ein Eis kaufte, dessen Inhalt sich an einen kleinen Holzstecken zu klammern versuchte. Doch kaum war ich im Freien, begann die Süßigkeit von allen Seiten herabzutropfen. Unablässig war ich mit meiner Zunge damit beschäftigt, der Flucht der schmelzenden Süßigkeit Einhalt zu gebieten. Ich schleckte mal links, mal rechts, mal hinten, dann vorne, als die ganze Masse plötzlich lautlos zu Boden fiel und wie ein nicht entsorgter Hundekot im Dreck lag.

      Zwei Damen, die mein vergebliches Bemühen schmunzelnd beobachteten, spendeten mir Trost. Es waren zwei Französinnen, die zu Fuß von Le Puy aus gestartet waren. Hier erfuhr ich zum ersten Mal die Faszination der Begegnungen am Jakobsweg: Egal, welcher Rasse, Sprache oder Nationalität man angehört, man fühlt sich als Pilger im tiefsten Miteinander verbunden, ja verwandt. Man spricht sich an, ganz so, als ob man sich schon lange kennen würde und geht eine Zeit lang miteinander, oft schweigend, oft redend. Man hilft einander und teilt alles, was man hat.

      Die beiden Frauen rieten mir, ich solle bei dieser mörderischen Hitze meinen Weg unterbrechen und wie sie die Pilgerherberge aufsuchen. Doch mich zog es unaufhaltsam weiter zu den Pyrenäen, und so brach ich wieder auf. Immerhin wurde die Hitze durch den Fahrtwind etwas gemildert. Bis Rodez wollte ich es noch schaffen.

      Als ich jedoch während einer Abfahrt bemerkte, dass die Straße auf der anderen Seite wieder steil anzusteigen begann, verließen mich der Mut und die Kraft. Ich beschloss, unten in der Niederung zu bleiben und hier ein Versteck für mein Zelt zu suchen.

      Noch während ich es aufstellte, näherten sich mir aus dem Halbdunkel etwa zehn Kühe und interessierten sich brennend für den Aufbau. Glücklicherweise kamen sie wegen eines Zaunes nicht ganz an mein Zelt heran. Jedes Mal, wenn ich eine Plane ausbreitete oder etwas ausschüttelte, wichen sie verängstigt zurück, um sich nachher mit umso größerer Neugierde wieder zu nähern und den ungewohnten Besucher zu beschnuppern. Ich fand noch einen Tümpel mit Wasser, sodass ich mich andeutungsweise waschen konnte. Schließlich kroch ich mit etwas gemischten Gefühlen in mein Zelt und suchte den Schlaf.

       NUN, AUF NACH SPANIEN!

      11. Juli

      Frühmorgens, beim ersten Blick ins Freie, war weit und breit kein Vieh mehr zu sehen. Die Wasserlache, in der ich mich gestern noch gewaschen hatte, sah im Strahl der aufgehenden Sonne nicht mehr sehr appetitlich aus, und so verzichtete ich diesmal auf meine Morgentoilette.

      Nachdem alles seinen gewohnten Platz auf dem Rad gefunden hatte, nahm ich jene Steigung Richtung Rodez in Angriff, die meine gemarterten Muskeln am Vortag verweigert hatten.

      Oben angekommen, ging es trotz ebener Landstraße nur sehr langsam vorwärts, denn ich hatte zum ersten Mal auf meiner Pilgerfahrt heftigen Gegenwind. Wenigstens war die Luft, die mir da entgegenblies, angesichts der brütenden Hitze sehr angenehm. Trotzdem war ich bald erschöpft und musste eine Pause einlegen.

      Eine überdachte Bushaltestelle erwies sich als höchst willkommener Unterstand. Die Holzbank war ideal für eine Siesta. Doch an Schlaf war nicht zu denken.

      Die Schuld lag diesmal nicht bei einem Fußheer von Ameisen, sondern bei einer Armada von Fliegen, die ununterbrochen auf meiner verschwitzten Haut starteten und landeten. Eine Zeit lang wehrte ich sie mit den Händen ab, aber bald resignierte ich und wechselte unfreiwillig ins Sitzen.

      Als ich, um den verdienten Schlaf gebracht, etwas entnervt und blöde vor mich hinstarrte, entdeckte ich am Boden eine kleine Eidechse, die mich aus der Ferne begutachtete. Ihre Nervosität drückte sie mit ihrem rechten Vorderfuß aus, der sich in schneller Folge auf und ab bewegte. Ihr Wunsch, mir näher zu kommen, und ihre Bereitschaft zur Flucht hielten sich eine Zeit lang die Waage. Doch schließlich obsiegte ihre Neugierde, und sie näherte sich mir wie einst David dem Goliath, allerdings ohne Steinschleuder.

      Ihr Mut wurde reich belohnt. Als früherer Besitzer von Vogelspinnen und Laubfröschen verstehe ich mich relativ gut aufs Fliegenfangen. Bald befand sich ein erstes Opfer zwischen meinen Fingern, und ich bot sie meiner kleinen Freundin an. Und siehe da! Mit Hochgenuss ward das Insekt verspeist. Und es blieb nicht bei der einen Fliege.

      Das muss sich in Eidechsenkreisen herumgesprochen haben, denn in der Folge kamen von allen Seiten weitere Minisaurier zum Vorschein und „verlangten von Gott ihre Nahrung“, wie es im Psalm 104 heißt. Die vorher so lästigen Fliegen wurden bald zur Mangelware. Doch die erfolgreiche Jagd hatte meine Lebensgeister neu geweckt. So brach ich wieder auf, sehr zum Leidwesen der Eidechsensippe, deren „Tischlein deck dich“ ein abruptes Ende fand.

      Am frühen Nachmittag näherte ich mich dem alten Städtchen Villefranche, einer mittelalterlichen Festung, die idyllisch an einem Fluss lag. Leider fand sich im Ort nur ein privater Campingplatz für bessere Kreise. Es gab dort sogar einen Babywickeltisch, den ich allerdings nicht in Anspruch nehmen musste.

      Wenn ich schon mehr zu bezahlen hatte, wollte ich es wenigstens genießen. So blieb ich diesmal den ganzen Nachmittag beim Zelt. Es galt Karten zu schreiben, das Tagebuch nachzuführen, das Rad instand zu stellen, Proviant einzukaufen, wieder einmal richtig zu duschen und ein wenig zu faulenzen. Der Fluss war leider derart schmutzig, dass ich auf ein Bad verzichten musste.

      Gegen Abend machte ich einen Besuch im Städtchen und gönnte mir bei einer alten Brücke mit wunderbarem Blick auf den mächtigen Wehrturm ein feines Fischgericht. СКАЧАТЬ