Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Einen Moment traten Cavor und ich dem Rande so nah, wie wir wagten und spähten in die blaugetönte Tiefe nieder. Und dann zog unser Führer mich am Arm.
Dann verließ er mich und ging an das Ende der Planke und trat darauf, indem er zurückblickte. Und als er sah, dass wir ihn beobachteten, drehte er sich wieder um und ging auf ihr weiter; er ging so sicher wie auf festem Lande. Einen Moment noch war seine Gestalt deutlich, dann wurde er ein blauer Fleck und verschwand in die Finsternis. Ich sah, dass eine unbestimmte Gestalt dunkel aus der Schwärze hervorragte.
Es folgte eine Pause. »Aber sicherlich –!«, sagte Cavor.
Einer der Seleniten ging ein paar Schritte auf die Planke hinauf, drehte sich um und blickte unbekümmert auf uns zurück. Die anderen standen bereit, uns zu folgen. Die erwartende Gestalt unseres Führers erschien von neuem. Er kehrte zurück, um zu sehen, warum wir nicht weitergegangen waren.
»Was ist das dahinter?«, fragte ich.
»Ich kann’s nicht sehen.«
»Wir können dies um keinen Preis überschreiten«, sagte ich.
»Ich könnte keine drei Schritte weit darauf gehen«, sagte Cavor, »selbst mit freien Händen nicht.«
Wir blickten uns mit heller Bestürzung in die langgezogenen Gesichter.
»Sie können nicht wissen, was es heißt, wenn einem schwindlig ist!«, sagte Cavor.
»Es ist für uns ganz unmöglich, über die Planke da zu gehen.«
»Ich glaube, sie sehen nicht wie wir. Ich habe sie beobachtet. Ich möchte wissen, ob sie wissen, dass dies für uns einfach schwarz ist. Wie können wir es ihnen begreiflich machen?«
»Einerlei, wie, wir müssen es ihnen begreiflich machen.«
Ich glaube, wir sagten diese Dinge mit einer unbestimmten Halbhoffnung, die Seleniten würden uns irgendwie verstehen. Ich wusste ganz klar, dass nichts nötig war als eine Erklärung. Dann sah ich ihre Gesichter, und erkannte, dass eine Erklärung unmöglich war. Gerade hier sollten unsere Ähnlichkeiten unsere Verschiedenheiten nicht überbrücken. Nun, auf jeden Fall wollte ich nicht über die Planke gehen. Ich zog sehr rasch das Handgelenk aus der gelockerten Kettenschlinge und begann dann die Handgelenke in entgegengesetzten Richtungen zu winden. Ich stand der Brücke am nächsten, und als ich dies tat, fassten mich zwei der Seleniten und zogen mich leicht darauf zu.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nicht gehen«, sagte ich, »nichts nützen. Ihr versteht nicht.«
Ein dritter Selenit fügte seinen Druck hinzu. Ich war gezwungen, vorwärts zu gehen.
»Ich habe eine Idee«, sagte Cavor, aber ich kannte seine Ideen.
»Hört’ mal!«, rief ich den Seleniten zu. »Sachte voran! Das ist für euch alles recht schön und gut – –«
Ich sprang herum. Ich brach in Flüche aus. Denn einer der Seleniten hatte mich hinten mit seinem Stachel gestochen.
Ich rang meine Handgelenke aus den kleinen Tastern, die sie hielten, los. Ich wandte mich gegen den Stachelträger. »Zum Henker mit dir!«, schrie ich. »Davor hab’ ich euch gewarnt. Woraus in aller Welt meint ihr, dass ich bestehe, dass ihr mich stecht? Wenn ihr mich noch einmal berührt – –!«
Als Antwort stach er mich alsbald.
Ich hörte Cavors Stimme in Schreck und Bitte. Selbst da noch, glaube ich, wollte er mit diesen Geschöpfen verhandeln. »Hören Sie, Bedford«, rief er, »ich weiß einen Weg!« Aber der Stachel dieses zweiten Stichs schien eine eingedämmte Reserve von Energie in meinem Wesen freizumachen. Im Nu schnappte ein Glied der Handgelenkskette, und mit ihm schnappten alle Erwägungen, die uns widerstandslos in den Händen dieser Mondgeschöpfe festgehalten hatten. In dieser Sekunde wenigstens war ich rasend vor Furcht und Wut. Ich schlug dem Wesen mit dem Spieße gerade ins Gesicht hinein. Die Kette hatte ich um die Faust gewickelt …
Das gab wieder eine von den scheußlichen Überraschungen, von denen die Mondwelt voll ist.
Meine gepanzerte Hand schien einfach durch ihn durchzuschlagen. Er spritzte wie – wie irgendwelches weichliche Konfekt mit Likör darin auseinander! Er zerbrach einfach! Er zerquetschte und zerspritzte! Es war, wie wenn man feuchten Kuckucksspeichel trifft. Der zerbrechliche Rumpf flog ein Dutzend Meter weit und fiel mit schlottrigem Stoße auf. Ich war erstaunt. Es war nicht zu glauben, dass ein lebendes Wesen so nichtig sein konnte. Einen Moment hätte ich das Ganze für einen Traum halten können.
Dann war es wieder wirklich und unmittelbar. Weder Cavor noch die anderen Seleniten schienen von dem Moment an, als ich mich umgedreht hatte, bis zu dem Moment, als der tote Selenit den Boden traf, irgend etwas getan zu haben. Alle traten von uns beiden zurück, alle waren wach. Dieser Halt schien wenigstens eine Sekunde zu dauern, nachdem der Selenit schon lag. Sie müssen sich das alle erst klar gemacht haben. Mir ist, ich erinnere mich, wie ich mir die Sache gleichfalls klar machte. »Was nun?«, schrie mein Gehirn! »was nun?« Dann war im Nu alles in Bewegung.
Ich sah, wir mussten unsere Ketten los bekommen, und ehe wir dies tun konnten, mussten diese Seleniten abgeschlagen werden. Ich drehte mich zu der Gruppe der drei Stachelträger. Sofort warf einer seinen Spieß nach mir. Er schwirrte mir über den Kopf, und ich glaube, er flog in den Abgrund hinter mir.
Ich sprang mit aller Macht gerade auf ihn los, als der Spieß über mich wegflog. Er wandte sich zur Flucht, als ich sprang, und ich warf ihn zu Boden, trat auf ihn, glitt auf seinem zerschmetterten Körper aus und fiel. Er schien sich unter meinem Fuße zu winden.
Ich kam in sitzende Stellung, und auf allen Seiten flohen die blauen Rücken der Seleniten ins Dunkel. Ich bog gewaltsam ein Glied auseinander, wand die Kette los, die mich an den Knöcheln gehindert hatte und sprang auf die Füße, mit der Kette in der Hand. Noch ein Stachelspieß, der wie ein Speer geworfen wurde, pfiff an mir vorbei und ich machte einen Vorstoß gegen das Dunkel, aus dem er gekommen war. Dann wandte ich mich zu Cavor СКАЧАТЬ