Название: Animant Crumbs Staubchronik
Автор: Lin Rina
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783959913928
isbn:
Ein Grund mehr, warum ich mich freuen sollte, heute schon am Mittag wegzukommen.
Es hatte aufgehört zu regnen, Nebelfetzen zogen durch den Park und kalt unter meinen Rock. Ich war mal wieder vor Mr Reed an der Tür der Bibliothek und als ich seine Gestalt durch den leichten Nebel auf mich zukommen sah, kam er mir beinahe schon vertraut vor. Jedes Mal, wenn mein Blick auf ihn fiel, machte sich in meinem Innern ein beklemmendes Gefühl breit, eine explosive Mischung aus Einschüchterung und Wut.
Doch heute früh war die Wut stärker als der Rest meiner Empfindungen. Denn gestern Nacht war mir eine Erkenntnis gekommen und die befähigte mich neuerdings, nicht mehr vor diesem Mann kuschen zu müssen.
»Guten Morgen, Mr Reed«, grüßte ich ihn recht neutral und er sah mich an.
»Guten Morgen, Miss Crumb«, gab er den Gruß zurück und kramte in seiner Manteltasche nach dem Schlüssel.
Innerlich brodelte ich. »Mr Reed, ist es richtig, dass ich an einem Samstag schon am Mittag gehen kann?«, hakte ich sofort nach und Mr Reed öffnete die Tür.
»Das ist richtig«, antwortete er mir, als handelte es sich um eine Selbstverständlichkeit, in die ich schon längst eingeweiht sein müsste.
»Und warum, Mr Reed, haben Sie dann nicht die Güte, mir dies auch mitzuteilen? Hätte mein Onkel es nicht heute morgen erwähnt, hätte ich es nicht gewusst«, redete ich auf ihn ein, während wir die Bibliothek betraten und er sich noch auf dem Weg in den Lesesaal den Mantel auszog und ihn über eine Stuhllehne warf.
Er schnaubte und drehte sich mir zu, während er sich seine Krawatte richtete. »Miss Crumb«, seufzte er, als ob ich ein kleines Kind wäre, doch diesmal würde ich mir das nicht gefallen lassen.
»Sparen Sie sich das«, fiel ich ihm ins Wort und starrte ihn finster an. »Gestehen Sie sich lieber ein, dass Sie nicht unfehlbar sind. Es ist nicht mein Verfehlen, wenn ich solche Dinge nicht weiß, sondern Ihres«, platzte es förmlich aus mir heraus und obwohl ich mich nicht hatte zurückhalten können, fürchtete ich gleichzeitig, dass meine Worte zu scharf gewesen waren für den Anfang dieser Unterhaltung.
Mr Reed sah mich verwundert an. »Sie haben wohl schlecht geschlafen«, kommentierte er nur, drehte sich dann auf dem Absatz um, nahm seinen Mantel in der gleichen Bewegung wieder auf und marschierte auf die Treppen zu.
»Ich habe sogar äußerst schlecht geschlafen, aber das ist sicher nicht der Grund für meine Aufgebrachtheit«, nahm ich den Gesprächsfaden wieder auf, den Mr Reed so plump hatte fallen lassen, und raffte meine Röcke, um ihm die Stufen nach oben zu folgen.
»Es ist also meine Schuld, dass Sie mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden sind?«, drehte er mir das Wort im Munde um und ich schnaufte wütend, als ich hinter ihm herhastete.
»Das habe ich nicht gesagt«, verteidigte ich mich.
»Ich halte Sie hier nicht fest. Sie können jederzeit gehen und Ihrem Onkel schöne Grüße von mir ausrichten«, meinte er recht bissig, während er nach der Klinke seiner Bürotür griff.
»Das hätten Sie wohl gerne!«, fauchte ich und seine Augen richteten sich fest auf mich.
»Ja, das hätte ich gerne!«, zischte er zurück und riss seine Tür auf, um in dem Raum dahinter der Unterhaltung zu entfliehen. Doch der Schritt, den Mr Reed in das Zimmer setzen wollte, wurde ein kleines Stolpern und er klammerte sich mit schockiertem Gesichtsausdruck an seinem Türrahmen fest.
Ich hätte ihm gerne an den Kopf geworfen, dass er gestern noch behauptet hatte, er würde mich hier brauchen, schürzte jedoch lediglich die Lippen, denn er hätte mir sicher nicht zugehört.
»Bei Gott, was ist das?!«, stieß er hervor und seine Augen wurden so weit, dass es mir ungesund vorkam.
»Ihr Büro, Mr Reed. Und zwar so, wie es aussehen müsste, damit man darin effektiv arbeiten kann!«, erwiderte ich erzürnt und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war mir egal, wie trotzig ich dabei aussah, denn ich hatte meinen Schlaf geopfert, um dem Chaos Herr zu werden.
»Waren Sie das etwa?«, fuhr Mr Reed mich an und die Wut erreichte seine Augen. Aber jetzt konnte er mich nicht mehr einschüchtern. Ich kannte seine Schwächen.
»Natürlich war ich das! Aber es hätte nicht meine Aufgabe sein sollen, sondern Ihre!«, antwortete ich ihm im gleichen Ton und Mr Reeds Finger krampften sich um das Holz des Türrahmens, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Das ist mein Büro, Miss Crumb. Sie haben darin überhaupt nichts verloren«, platzte ihm der Kragen und seine Stimme wurde deutlich lauter.
»Das sagen Sie. Aber ich habe versucht, meine Arbeit zu machen. Sie haben es nicht einmal geschafft, mir die nötigen Unterlagen bereitzustellen. Wären Sie hier gewesen, hätte ich Sie ja gefragt. Aber Sie hatten es ja für wichtig erachtet, einfach so zu verschwinden«, keifte ich zurück, löste meine Hände aus ihrer Verschränkung und zeigte anklagend mit dem Finger auf den Bibliothekar.
»Ich habe Termine wahrgenommen«, verteidigte er sich zu meiner Überraschung und ich erahnte einen wunden Punkt, den ich sogleich in Angriff nahm.
»Sie haben mich in der Stunde der Not hier allein gelassen, an einem Tag wie gestern. Sie hätten mir wenigstens Bescheid geben können, Sie Unmensch!«, warf ich ihm an den Kopf und die Wut trieb mir die Tränen in die Augen.
»Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, in mein Büro einzubrechen und all meine Ablagen zu durchwühlen«, versuchte er dagegenzuhalten, aber seine Abwehr schwankte. Die Tränen in meinen Augen machten ihn weich. Ich wischte sie weg, wollte ihm ebenbürtig gegenüberstehen und nicht wie jemand, den man zu bemitleiden hatte.
»Ablagen? Dass ich nicht lache«, rief ich und langsam wurde mir zu heiß in meinem dicken Mantel. Die Hitze des Streites drückte mir auf die Brust und ich begann an meinen Knöpfen zu fingern, ohne Mr Reed aus den Augen zu lassen. »Wenn Sie mir jetzt erzählen wollen, dass es in der Unordnung ein System gab, dann werde ich Sie einen Lügner nennen, Mr Reed!«
»Sie haben doch keine Ahnung!«, wies er meinen Vorwurf von sich.
»Doch, die habe ich, ob es Ihnen passt oder nicht. Sie scheuchen mich, Sie sehen auf mich herab, schon seit ich diese Bibliothek betreten habe. Sie schätzen mich gering und schimpfen mich eine langsame und unfähige Person. Sie machen mich klein, um sich groß zu fühlen, dabei sind Sie keinen Deut besser als ich!«, begann ich meine Schimpftirade und holte nicht lang genug Luft, als dass Mr Reed mich hätte unterbrechen können. »Sie leben eine Unordnung, die Ihnen über den Kopf wächst. Sie sind zu unorganisiert, um Ihre Arbeit in den Griff zu bekommen und wälzen Ihren Ärger auf mich ab. Wissen Sie, ich dachte, Sie wollten mich schikanieren, indem Sie mir so viele Informationen vorenthalten, aber ich habe mich geirrt. Jetzt weiß ich, dass Sie es nur vergessen haben, weil in Ihrem Kopf genauso viel Unordnung herrscht wie in Ihrem Büro!« Ich holte tief Atem, zog mir mit einem Rück den Mantel von den Schultern und ließ Mr Reed einfach stehen, während ich an ihm vorbei zum kleinen Räumchen nebenan ging.
»Miss СКАЧАТЬ