Gorbatschow. Ignaz Lozo
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Название: Gorbatschow

Автор: Ignaz Lozo

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783806242119

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СКАЧАТЬ im Herbst 1951, Michail Gorbatschow von den Büchern loszureißen: „Ich wollte alles wissen. Meine Neugierde kannte keine Grenzen. Unten gab es eine Bibliothek, und wir pflegten dort zu lernen. Doch ich saß in unserem Zimmer. Im Studentenclub war jeden Abend etwas los.“ Liberman und Topilin kamen herein, und einer von ihnen sagte zu Gorbatschow: „Hör mal, Mischa, komm jetzt mit. Lass gut sein!“ Als dieser wissen wollte, warum er ausgerechnet an diesem Abend unbedingt dabei sein solle, lautete die Erklärung, es sei ein außergewöhnlich tolles Mädchen gekommen. „Geht schon mal vor, ich komme gleich“, erwiderte Gorbatschow.8 Noch in seinem Lebensherbst schildert er die damaligen Ereignisse mit so leuchtenden Augen, als wäre es gestern gewesen.

      Ich hatte gar nicht vor, nachzukommen. Aber dann klopfte etwas in mir. Oder jemand klopfte. […] Oder es klopfte einfach hier? [Gorbatschow zeigt auf sein Herz. – I.L.] Ich schloss das Buch und ging hinaus. Als ich im Studentenclub ankam, befanden sie sich in einer Gruppe mit Mädchen von der philosophischen Fakultät. Ich lernte alle kennen. Von Raissa war ich sofort beeindruckt, war auf der Stelle hin und weg! Aber offen gesagt, weckte ich ihre Aufmerksamkeit nicht. Oder sie verheimlichte es. Ich habe sie nie gefragt, wie sie unsere erste Begegnung empfand – während unseres gesamten gemeinsamen Lebens nicht. Ich glaube, wir hatten beide Glück. Sie und ich, wir hatten so eine Freundschaft und so eine innige Beziehung zueinander. So ein tiefes, festes und gegenseitiges Vertrauen.9

      Gorbatschow selbst hat in seinem Buch Alles zu seiner Zeit ausführlich die etwas holprigen Anfänge mit und sein Werben um Raissa Titarenko beschrieben. Entscheidend war dabei wie auch bei seinem politischen Aufstieg dreierlei: Behutsamkeit einerseits, große Zielstrebigkeit andererseits sowie drittens schlicht und einfach Glück.

      In Russland und im Westen gilt das Paar Gorbatschow als musterhaft. Selbst russische Bürger, die Gorbatschows Politik völlig ablehnen, ihn teilweise sogar schmähen, bewundern die gegenseitige Hingabe der Eheleute, die zu Lebzeiten Raissas für jeden sichtbar war. Inszenierte Zweisamkeit wie beim deutschen Bundeskanzler Kohl und seiner Ehefrau Hannelore alljährlich am Wolfgangsee hatten sie nicht nötig. Und jede russische, beziehungsweise sowjetische Frau sah, wie Michail Gorbatschow seine Ehefrau auf Händen trug, sie als gleichberechtigte, auf Augenhöhe agierende Partnerin behandelte und respektierte. Dabei scherte er sich wenig darum, dass Raissa mit ihren öffentlichen Auftritten allein oder an seiner Seite nicht dem sowjetischen Frauenbild entsprach.

      Damals jedoch, als der 20-jährige Michail Gorbatschow Raissa Titarenko im Moskauer Studentenclub kennenlernte, war diese schon liiert und ignorierte ihn deshalb anfänglich. Einmal bemerkte er Raissa mit einem hochgewachsenen jungen Mann und bat seine Freunde, Erkundigungen über ihn einzuholen. Nach einiger Zeit kam der Freund zurück mit dem für Gorbatschow niederschmetternden Ergebnis: Dies sei ein gewisser Anatoli Saretski, ein Physik-Student. Raissa und er hätten große Zukunftspläne.10 Gorbatschow stellte seine Bemühungen sofort ein.

      Nach ungefähr zwei Monaten besucht Gorbatschow ein Konzert im Wohnheim-Komplex. Der Saal platzt aus allen Nähten und vergeblich hält er nach einem Sitzplatz Ausschau. Plötzlich jedoch steht eine junge Frau auf, Raissa, und bietet ihm ihren Platz an, weil sie ohnehin gehen wolle. Einem inneren Impuls folgend schlägt ihr Gorbatschow vor, mitzukommen, und Raissa hat nichts einzuwenden.11 Daraus wird ein ausgedehnter Spaziergang von rund zwei Stunden. Anfangs siezten die beiden sich, wie es selbst bei jungen Studenten damals üblich war. Mehrere Treffen folgen, bis Raissa plötzlich nicht mehr will: „Wir sollten uns nicht mehr treffen und unserer Beziehung abbrechen, solange es noch nicht zu spät ist“, erklärt sie ihm. Völlig konsterniert erwidert er, er könne ihre Bitte unmöglich erfüllen, denn das käme für ihn einer Katastrophe gleich. „Ich werde auf dich warten“, erwidert er beharrlich. „Am Ende wurde eine Liebeserklärung daraus“, schreibt er in seinen Memoiren von 1995. Zwei Tage später sahen sie sich erneut und gingen nie wieder auseinander.

      Einziger Grund für das anfängliche Zögern Raissas war offenbar die noch nicht verwundene Trennung von Anatoli Saretski. Dieser, selbst nicht durchsetzungsfähig, hatte sie auf das Drängen seiner Mutter verlassen, der Raissa nicht gefiel.12 Was sich für die junge Frau zunächst wie ein großes Unglück und eine schwere Kränkung ausnahm, war zugleich die Voraussetzung für die lange und glückliche Ehe mit Gorbatschow.

      Ja-Wort ohne Verwandtschaft

      Im Juni 1952, nachdem Michail zahlreiche andere Verehrer ausgestochen hatte, wurden sie ein Paar, und ein Jahr später beschlossen sie zu heiraten. „Es war eine Studentenhochzeit. Einige Mädchen aus ihrer Gruppe kamen, dann meine Jungs – das war nichts Großes.“13 Weder Michails noch Raissas Eltern waren bei der Vermählung dabei. Wo hätten sie auch übernachten sollen? Das Wohnheim kam nicht infrage, und Hotels waren in Moskau nur schwer zu bekommen und zu teuer. Dennoch musste der Verlobte, um die Hochzeit zu finanzieren, Geld verdienen. Daher reiste er in den Sommerferien 1953 in die Heimat, um wieder mit dem vertrauten Mähdrescher auf dem Feld zu arbeiten und seine Eltern in die Hochzeitspläne einzuweihen.

      Parallel allerdings absolvierte er ein dreimonatiges Praktikum bei der Staatsanwaltschaft von Molotowskoje. Allein die physische Kraft, die er in jenen Monaten aufbrachte, ist bemerkenswert. „Ich bin bis zu 20 Stunden auf den Beinen“, schrieb er in einem Brief an Raissa, in welchem er ihr von seinem Alltag auf dem Feld und in der Staatsanwaltschaft berichtete. Über das Praktikum verliert er dabei keine guten Worte: Leere, Langeweile, überhebliche Vorgesetzte, die keine Autorität ausstrahlen. Sein vernichtendes Urteil lautet: „Die Atmosphäre hier ist deprimierend.“14 Offenbar war diese Praktikumserfahrung das erste Warnsignal, dass der Beruf des Juristen für ihn nicht der richtige sein könnte. Doch jetzt ging es erst einmal darum, mit dem Studium weiterzumachen und vor allem das Geld für die bevorstehende Hochzeit zusammenzubekommen.

      6 Michail Gorbatschow und Raissa Titarenko vor ihrer Hochzeit 1953

      Ich verdiente 1 000 Rubel! In der damaligen Zeit war das viel. Das waren zehn Doppelzentner Getreide, Weizen und so weiter. Ich kaufte mir den ersten richtigen Anzug in meinem Leben, einen dunkelblauen. Auf dem Weg zur Universität lag eine tolle Nähwerkstatt. Dort wurde er gefertigt. Für Raissa kauften wir weißen Chiffon-Stoff, und wir ließen daraus das Hochzeitskleid herstellen. Für Schuhe aber reichte das Geld nicht. Und so waren wir gezwungen, diese bei einer Freundin zu leihen. Es waren weiße Schuhe.15

      Auch Raissa fuhr im Sommer 1953 heim. Ihre Eltern lebten in Baschkirien, etwa 1 500 Kilometer östlich von Moskau, nahe der Grenze zu Kasachstan. „Aber ihren Eltern sagte sie nichts von der bevorstehenden Hochzeit“, so Gorbatschows Version, während seine Frau berichtet, diese seien immerhin „im letzten Moment“ in Kenntnis gesetzt worden.16 Am 25. September 1953 jedenfalls heiraten Michail und Raissa standesamtlich; die Hochzeitsfeier im Studentenwohnheim legen sie auf den 7. November, den damals größten Feiertag in der Sowjetunion zu Ehren der sogenannten Großen Oktoberrevolution von 1917.

      Kurz darauf zogen Michail, Raissa und viele andere Kommilitonen um, da ein neues Wohnheim bezugsfertig wurde. Im Oktober 1953, also nach der standesamtlichen Hochzeit, fand die Einweihung des Gebäudes auf den Lenin-Bergen statt. „Die älteren Semester der geisteswissenschaftlichen und der naturwissenschaftlichen Fächer wurden dorthin verlegt. Es wurde ‚Das Adelsnest‘ genannt.“17 Gorbatschow verwendet die alte Bezeichnung „Lenin-Berge“, die seit 1999 wieder „Sperlingsberge“ heißen. Sie gehören zu den schönsten Plätzen Moskaus und bieten einen herrlichen Ausblick auf die Stadt.

      Hier liegt ebenfalls das imposante Hauptgebäude der Lomonossow-Universität, das als Stalinbau im Zuckerbäcker-Stil zu den sogenannten „Sieben Schwestern“ Moskaus gehört. Es wurde einen Monat vor dem neuen Studentenwohnheim feierlich eingeweiht. Mit seinen 182 Metern – die Stahlspitze СКАЧАТЬ