Die Stunde der Wahrheit. Christian Macharski
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Название: Die Stunde der Wahrheit

Автор: Christian Macharski

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783947365012

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СКАЧАТЬ Herrchens traf. Aus großen Knopfaugen blickte er zurück und zog instinktiv den Schwanz ein. Will spürte den Zorn in sich aufsteigen. Mit hochrotem Kopf brüllte er: „Du kleiner Scheißköter. Du hast der Brief kaputt gerissen. Ich werd dich …“

      Noch bevor er seine Drohung konkretisieren konnte, drehte Knuffi sich um und rannte junkend und schlitternd zurück in die Küche.

      Nur Sekunden später ertönte von dort die verärgerte Stimme von Marlene: „Was ist denn jetzt schon wieder los, Will? Der kleine Knuddelbär ist ganz verängstigt.“

      „Nix. Ist schon gut“, rief Will zurück. So schnell die Wut gekommen war, so schnell hatte er sie auch schon wieder unter Kontrolle gebracht. Er atmete einmal tief durch und sagte dann zu dem Mann vom Finanzamt, der das ganze Schauspiel ohne größere Gefühlsregung verfolgt hatte: „Ja, was darf ich Sie denn mal anbieten? Ein Dujardeng?“

      Der Mann hob die linke Augenbraue und antwortete: „Einen Arbeitsplatz und die Aktenordner der Jahre 2014 bis 2016.“

      Es wurde kalt im Raum.

      Schmerz

      5

      Dienstag, 25. Juli, 19.58 Uhr

      Ausgepumpt saßen die Spieler der zweiten Mannschaft des SV Grün-Gelb Saffelen auf dem Aschenplatz. Trainer-Urgestein Karl-Heinz Klosterbach, der die Mannschaft bereits im achtzehnten Jahr coachte, tigerte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und ab und schüttelte unentwegt den Kopf. Er hatte es nie leicht gehabt mit dieser Truppe. Sechzehn Jahre lang war es der Mannschaft nicht gelungen, aus der Kreisliga C aufzusteigen, dafür waren sie in diesem Jahr zum ersten Mal abgestiegen – weil zur beginnenden Saison im September erstmals die Kreisliga D eingeführt worden war. Karl-Heinz Klosterbach gehörte zu den wenigen Trainern in dieser Liga, die im Besitz einer Trainerlizenz waren. Zwar besaß er nur die C-Lizenz Breitenfußball, die lediglich bis zur Kreisliga A galt, aber das sollte allem Anschein nach bis zu seiner Pension reichen. Schon seit Jahren hatte der SV Grün-Gelb Saffelen unter großen Nachwuchssorgen zu leiden. Das führte dazu, dass jeder Spieler, der einen halbwegs geraden Pass über zehn Meter schlagen konnte, in die ebenfalls chronisch unterbesetzte erste Mannschaft abberufen wurde, die aber immerhin in der Kreisliga B spielte. Und so kam es, dass Fredi Jaspers und Richard Borowka trotz ihrer bereits stolzen 43 Jahre immer noch zu den Leistungsträgern der Reserve zählten. Niemals hatten oder hätten sie woanders gespielt als in dieser Mannschaft. Seit dem Ausscheiden aus der A-Jugend waren sie dort zusammen mit ihren Freunden Tonne, der aufgrund seiner Körperfülle schon immer Torwart war, und Spargel, der trotz akuten Spielermangels meist Edelreservist war und seinem Trainer an heißen Tagen half, Wasserflaschen aufs Feld zu werfen. Zum Dank für seine Unterstützung an der Seitenlinie wurde er hin und wieder eingewechselt für taktische Fouls im Halbfeld. Am heutigen Abend hatte Spargel allerdings in der Startformation gestanden, weil außer ihm nur noch sieben weitere Spieler erschienen waren. Klosterbach hatte vor Wut darüber in der Kabine sogar einen Tisch umgeworfen, aber was sollte er machen? Gleich drei Mann waren verhindert, weil sie mit ihrem Kegelclub in El Arenal waren, und zwei hatten Spätschicht. Ausgerechnet heute, wo die Qualifikation zur ersten Runde im begehrten Selfkant-Cup stattfand und sogar erstmals seit Jahren glücken konnte. Denn das Losglück war den Saffelenern hold gewesen, da es ihnen nicht nur ein Heimspiel beschert hatte, sondern als Gegner auch noch die dritte Mannschaft vom SV Krautdorf. Krautdorf war zum einen qualitativ ebenbürtig, zum anderen verband die Mannschaft mit Saffelen eine jahrzehntelange, bittere Rivalität, was für großes Interesse und einen neuen Zuschauerrekord sorgte. Mehr als 60 Fans standen rund um den Aschenplatz und verwandelten mit ihren gegenseitigen wüsten Beschimpfungen das kleine Stadion am Saffelbach in einen wahren Hexenkessel. Auch die übrigen Voraussetzungen waren optimal: Es herrschte ideales Fußballwetter und Krautdorf hatte ebenfalls nur sieben Feldspieler und einen Torwart zusammenbekommen, Chancengleichheit war also gegeben. Der große Nachteil der dünnen Personaldecke auf beiden Seiten offenbarte sich allerdings nun in der Halbzeitpause. Konditionell waren alle am Ende. Die Saffelener saßen schweißgebadet auf dem Boden, nur Spielführer Borowka stand neben dem Platz und rauchte.

      Karl-Heinz Klosterbach lief mit seinen breiten O-Beinen von einem zum anderen und versuchte jeden Einzelnen gestenreich zu motivieren: „Komm Junge, wir haben die doch am Rande der Niederlage.“ „Wenn der letzte Pass in die Tiefe mal kommt, dann haben wir die im Sack.“ „Du musst dich nur was konzentrieren bei die Ballannahme, dann funktioniert das auch irgendswann.“ „Tonne, versuch doch einfach mal, die Bälle festzuhalten.“ „Spargel, das war ein wunderschönes gestrecktes Bein, was du da eben gezeigt hast. Warum seh ich das nicht öfters von dir?“

      Und in der Tat, das Spiel befand sich auf des Messers Schneide, noch war alles möglich. Es stand immer noch 0 : 0 und das, obwohl es schon drei Elfmeter für Saffelen gegeben hatte. Der Pfiff des Schiedsrichters ertönte und widerwillig trotteten die Mannschaften zurück auf den Platz. Die ersten paar Minuten plätscherte die Partie dahin, als dem gegnerischen Rechtsverteidiger plötzlich und unerwartet ein langer Ball nach vorn gelang, der die gesamte Saffelener Abwehr überrumpelte. Der Krautdorfer Stürmer lief allein auf Tonne zu, der zitternd auf den Einschlag wartete. Borowka zog als letzter Mann einen Sprint an und heftete sich an die Fersen des Angreifers. Schlimme Seitenstiche hätten ihn nach ein paar Sekunden fast zur Aufgabe gezwungen, aber dank seines eisernen Willens hielt er durch und konnte den Angreifer gerade noch außerhalb des Sechzehnmeterraums mit einem rustikalen Bodycheck stellen. Der Krautdorfer schlug hart auf der Asche auf und wand sich brüllend auf dem Boden. Irgendetwas in seiner Schulter hatte geknackt. Sofort kam es zu einem Handgemenge zwischen den Spielern und auch vereinzelte Zuschauer ballten ihre Fäuste, aber der Schiedsrichter hatte die Situation schnell wieder unter Kontrolle. Umsichtig wie er war, zeigte er Borowka lediglich die gelbe Karte, obwohl aufgrund der Notbremse auch eine rote vertretbar gewesen wäre. Das erzürnte zwar die Krautdorfer, die nun einen Spieler weniger hatten, weil ihr Stürmer mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch benommen vom Platz geführt wurde, aber dafür erhielten sie einen Freistoß in aussichtsreicher Position. Klosterbach beorderte mit hektisch rudernden Armen Fredi Jaspers nach hinten in die Mauer, obwohl dessen Aufgabe als Mittelstürmer normalerweise darin bestand, ganz vorn auf Bälle zu warten, die niemals kamen. Zu dritt stand er nun dort mit Borowka und Spargel und wartete mit den Händen vor dem Unterleib auf den Freistoß. Als der Krautdorfer Spieler Anlauf nahm, entdeckte Fredi eine Mücke auf seinem linken Unterarm, die er mit seiner Hand verscheuchen wollte, und so kam es, dass eine Verkettung unglücklicher Umstände zu einem folgenschweren Unfall führte. Der mit Vollspann und voller Wucht getretene Ball landete direkt im ungeschützten Genitalbereich von Fredi Jaspers, der mit weit aufgerissenen Augen zu Boden ging. Die Schmerzen, die seinen Körper fluteten, waren kaum zu ertragen. Er schnappte verzweifelt nach Luft und wälzte sich stöhnend auf dem Boden hin und her. Borowka zögerte nicht lang und machte das, was ein guter Freund in einer solchen Situation macht. Er ging auf den Schützen zu und zertrümmerte ihm mit einem trockenen rechten Haken das Nasenbein.

      Nun brachen alle Dämme im Stadion am Saffelbach. Die Zuschauer stürmten das Feld und es entwickelte sich eine wüste Schlägerei, die das Schiedsrichtergespann diesmal nur mit allergrößter Mühe wieder in den Griff bekam. Eine rote Karte und mehrere Stadionverweise später raufte Karl-Heinz Klosterbach sich das schüttere Haar ob der wieder einmal verpassten Chance auf einen historischen Sieg. Das Spiel wurde beendet, weil Saffelen nach der roten Karte und der schweren Verletzung von Fredi nur noch über sechs Spieler verfügte, was laut Reglement zum sofortigen Spielabbruch führt. Die Niederlage am grünen Tisch war damit besiegelt. Fredi Jaspers lag keuchend neben der Trainerbank und sprühte sich unentwegt Eisspray in die Hose.

      „Wie geht es dir?“, fragte Borowka besorgt, als er dazukam. Er sah aus wie ein Krieger, der aus der Schlacht heimkehrt, denn sein Trikot war voller Blutflecken.

      „Meine Fresse, tut das weh!“, keuchte Fredi, immer noch nach Atem ringend. „Meine Nüsse sind schon so dick wie Straußeneier und dunkelblau. Und das Scheiß-Eisspray СКАЧАТЬ