Название: Together
Автор: Katrin Gindele
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783946843924
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Bevor dann in ihrem einundzwanzigsten Sommer die imaginären Handschellen klickten und schlussendlich die große Hochzeit stattfand.
Ich schloss meine Augen und atmete kurz durch.
Im nächsten Sommer wurde ich achtzehn.
Meine Mutter konnte es scheinbar kaum erwarten, mich unter die Haube zu bringen, schon in diesem Sommer hatte sie mit den Vorbereitungen für meine Geburtstagsfeier begonnen. Und all meine Freunde, inklusive meiner besten Freundin Natea, beneideten mich darum.
In Wirklichkeit war ich diejenige, die alle anderen Mädchen beneidete. Weil sie so leben konnten, wie sie wollten – weil sie heiraten konnten, wann und wen sie wollten.
Meine Freundin wurde nicht dazu gezwungen, sich an ihrem achtzehnten Geburtstag einen Mann auszusuchen. Dieses Privileg galt nur der Tochter einer Vorsteherin.
»Fertig«, jauchzte Flo und riss mich damit endgültig aus meinen trüben Gedanken.
»Danke, Lea. Ohne dich hätte ich das nicht so schnell geschafft.«
Meine kleine Schwester fiel mir um den Hals und ich lächelte still in mich hinein.
Sie war noch so unschuldig. Süß und voller Träume. Und weil ich die Lasten der Erstgeborenen trug, durfte sie später all ihre Träume ausleben. Die Glückliche.
Mit einem Blick aus dem Fenster wandte ich mich an meine Mutter. »Wenn ich dir beim Mittagessen helfe, darf ich dann danach bitte zu Natea?«
Schon sehr früh hatte ich gelernt, mich lieber nicht mit meiner Mutter anzulegen. Sie war eine sehr starke Persönlichkeit und es durch ihre Stellung gewohnt Entscheidungen zu treffen und auch durchzusetzen. Wenn ich von meiner Mutter etwas wollte, funktionierte das am besten durch liebevolles Betteln. Damit kam ich bei ihr viel weiter als mit einem Wutanfall.
Meine Mutter unterbrach ihre Arbeit und richtete sich auf.
»Hast du den Geschirrschrank eingeräumt?«
»Ja, Mutter.«
»Der Fußboden im Arbeitszimmer muss noch gewischt werden«, gab sie bekannt.
»Sobald du mit den Betten fertig bist, kann ich wischen«, ergab ich mich ihrem Willen. »Und heute Abend, sobald ich zurück bin, werde ich auch noch meine restlichen Sachen aufräumen.«
In meiner Position war es immer gut noch mehr anzubieten, als von mir gefordert wurde. Das brachte zusätzliche Pluspunkte.
»In Ordnung«, gab Mutter schließlich nach. »Aber bei Einbruch der Dunkelheit bist du Zuhause, haben wir uns verstanden?«
»Natürlich.«
So kurz vor der Winterruhe wollte niemand mehr in der Dämmerung draußen sein. Was immer es noch zu erledigen gab, es musste fertig sein, ehe die Sonne am Horizont verschwand.
»Das hat ja ewig gedauert«, begrüßte mich meine Freundin an ihrer Haustür. »Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.«
Mit ihren hübschen blauen Augen betrachtete sie mich vorwurfsvoll.
»Hausarbeit«, entschuldigte ich mich. »Du kennst das ja.«
»Wem sagst du das«, stöhnte Natea, fasste dabei nach meiner Hand und zusammen rannten wir die Straße entlang.
»Ich durfte heute schon beim Stall ausmisten helfen«, verkündete sie mit kraus gezogener Nase. »Und weißt du was? Meine Stute bekommt im nächsten Frühling ihr erstes Fohlen.«
Ich wusste, wie sehr Natea an ihrem Pferd hing. Die Stute war ihr ein und alles.
Meine Mutter wollte nicht, dass ich mich im Stall aufhielt, denn ich sollte als Vorzeigetochter nicht nach Dung riechen.
»Das ist schön«, sagte ich, mit meinen Gedanken meilenweit weg.
»Die anderen warten schon«, teilte mir meine Freundin mit, kaum dass wir das Dorf hinter uns gelassen hatten.
Die anderen waren Delia, Amina, Merrick, Karan und noch ein paar andere Jugendliche, deren Namen ich mir nicht merken konnte, weil wir außerhalb der Lehrzeit kaum Kontakt hatten. Nur an diesem einen besonderen Abend versammelten sich alle Jugendlichen der umliegenden Dörfer, um gemeinsam, ohne elterliche Aufpasser, ein bisschen zu feiern. Dann saßen wir alle zusammen um ein Lagerfeuer, ließen Wein herumgehen und einige Jungs erzählten Gruselgeschichten.
Ich liebte diesen einen unbeschwerten Abend und freute mich jeden Sommer wie verrückt darauf.
Kaum hatten wir die Lichtung erreicht, machte sich in mir stille Vorfreude breit. Mit angehaltenem Atem ging ich weiter, meine Augen streng nach vorne auf das Lagerfeuer gerichtet.
»Merrick ist auch schon da«, flüsterte mir Natea zu und winkte einer Gruppe Jungs, die im lockeren Halbkreis um das Feuer herumstanden und sich unterhielten.
»Sei still«, flüsterte ich zurück und drückte zur Warnung ihre Hand.
Natea kicherte. »Was ist denn? Inzwischen weiß doch sowieso jeder, dass er was von dir will.«
Deswegen musste sie es trotzdem nicht über die ganze Lichtung rufen.
Delia und Amina begrüßten uns mit einer innigen Umarmung. »Das ist alles so aufregend«, quietschte Delia. Ihre dunkelblonden Zöpfe wirkten im Schein des Feuers wie lodernde Flammen.
»Oh ja, das ist es«, pflichtete Amina ihr bei.
Ehe ich auch etwas dazu sagen konnte, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie Merrick und ein weiterer Junge in unsere Richtung kamen. Alles in mir versteifte sich augenblicklich.
Der große blonde Junge mit den strahlend blauen Augen blieb unmittelbar vor mir stehen.
»Hallo, Solea«, richtete er sogleich das Wort an mich. »Es ist schön, dich zu sehen.«
Dabei hatten wir uns gerade erst gestern während des Unterrichts getroffen.
»Hallo«, brachte ich mühsam hervor. Meine Stimme zitterte, worüber ich mich ein wenig ärgerte.
»Das ist Nicos«, stellte er seinen Begleiter vor. »Mein Cousin.«
Mir fiel sofort auf, dass sich meine beste Freundin augenblicklich versteifte. Offenbar gefiel ihr, was sie sah. Sehr sogar. Ihre Wangen röteten sich verräterisch, während sie den fremden Jungen mit großen Augen anstarrte.
Da boxte mich Delia ungeduldig in die Seite.
»Kommt ihr? Sonst sind die guten Plätze alle weg.«
Ohne meine Antwort abzuwarten, packte sie meinen Arm und schleifte mich hinter sich her. Ich schaffte es gerade noch Natea mitzuziehen.
»Ich dachte, du magst Merrick«, fragte Amina, die uns folgte. »Oder irre ich mich?«
»Ich mag ihn ja auch«, gab ich schulterzuckend СКАЧАТЬ