Название: Einführung in die germanistische Linguistik
Автор: Karin Pittner
Издательство: Автор
Жанр: Языкознание
isbn: 9783534741083
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1.2 Was ist deutsch?
1.2.1 Der deutsche Sprachraum
Verbreitung
Deutsch ist Muttersprache von ca. 90 Millionen Sprechern und Sprecherinnen. Es ist Amtssprache in Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg (neben anderen) sowie in Teilen der Schweiz, Italiens (Südtirol) und in Ostbelgien. In verschiedenen Staaten gibt es deutschsprachige Minderheiten, z.B. in Rumänien, Ungarn, Brasilien, Namibia und in den USA.
Abb. 3 Das Verbreitungsgebiet von Deutsch als Amtssprache (aus Ammon 1995:13)
1.2.2 Das Deutsche als germanische Sprache
Sprachfamilie
Der historischen Sprachwissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert verdanken wir Kenntnisse über die Verwandtschaft und die Abstammungsverhältnisse zwischen Sprachen.
William Jones wies 1786 auf Übereinstimmungen zwischen Wörtern in Sanskrit (Altindisch) Griechisch und Latein hin, die ihn zu der Hypothese führten, dass diese Sprachen miteinander verwandt sind und auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden können. Dem deutschen Sprachwissenschaftler Franz Bopp gelang der Nachweis der genetischen Verwandtschaft dieser und einer Reihe von anderen Sprachen, die als indogermanische oder indoeuropäische Sprachen bezeichnet werden.
indogermanische Sprachen
Die zur Gruppe der indogermanischen Sprachen gehörenden Einzelsprachen stehen in unterschiedlich engen verwandtschaftlichen Beziehungen, so dass man die indogermanischen Sprachen in verschiedene Sprachfamilien unterteilen kann. Da der Verwandtschaftsgrad zwischen diesen häufig umstritten ist, werden sie im Folgenden einfach alphabetisch aufgelistet:
– Albanisch
– Anatolisch: Zu dieser Gruppe gehören verschiedene ausgestorbene antike Sprachen, die seit ca. 2000 v. Chr. in der heutigen Türkei und Syrien gesprochen wurden, wie Hethitisch, Lydisch, Lykisch u.a.
– Armenisch
– Baltisch: Litauisch, Lettisch u. a.
– Germanisch: s.u.
– Griechisch
– Indo-Arisch: Diese Gruppe umfasst zahlreiche Sprachen, die überwiegend im Norden und in der Mitte des indischen Subkontinents gesprochen werden oder wurden, wie Hindi, Urdu, Bengali, Maledivisch, Singhalesisch, Romani, Vedisch, Sanskrit u.a.
– Iranisch: Die iranischen Sprachen werden oder wurden v.a. im Iran, in Afghanistan, Teilen Zentralasiens und z.T. auch im Kaukasus gesprochen. Beispiele dafür sind Farsi, Tadschikisch, Ossetisch, Kurdisch, Belutschi, Altpersisch, Awestisch u.a.
– Italisch: Hierunter werden verschiedene ab dem 6. Jh. v. Chr. in Nord- und Mittelitalien gesprochene Sprach gefasst, von denen man heute v.a. das Latein kennt. Dieses ist in seiner klassischen Form zwar ausgestorben, hat sich aber in verschiedenen Ländern zu neuen Sprachen weiterentwickelt, die man als Romanische Sprachen (Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Rumänisch, Okzitanisch, Rätoromanisch, Ladinisch, Katalanisch u.a.) bezeichnet.
– Keltisch: Die Kelten waren sehr wahrscheinlich die ersten Indogermanen, die Europa erreichten. Ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. verbreiteten sie sich über fast ganz Europa und Kleinasien. In Ermangelung schriftlicher Belege ist aber kaum etwas über die vielen ausgestorbenen keltischen Sprachen bekannt. Heute noch gesprochen werden Irisch-Gälisch, Schottisch-Gälisch, Walisisch und Bretonisch. Manx starb Ende der 40er Jahre des 20. Jhs. aus, Kornisch Anfang des 19. Jhs.
– Slawisch: Zur großen Gruppe der slawischen Sprachen gehören u.a. Russisch, Tschechisch, Polnisch, Bulgarisch, Serbisch und auch das in der Lausitz gesprochene Sorbisch.
– Tocharisch: Um 1890 entdeckte man bei Ausgrabungen in China (in der heutigen uigurischen autonomen Region Xinjiang) handschriftliche Fragmente von miteinander verwandten indogermanischen Sprachen, die sich keiner bis dahin bekannten Sprachfamilie zuordnen ließen und die man daher als eigene Familie klassifizierte. Heute sind die tocharischen Sprachen ausgestorben, die jüngsten schriftlichen Belege dafür stammen etwa aus der Zeit um 1200 n. Chr.
Von den heute in Europa gesprochenen Sprachen gehören nur wenige nicht zu den indogermanischen Sprachen. Dies ist zum einen Türkisch, das mit verschiedenen zentralasiatischen Sprachen die Gruppe der Turksprachen bildet, und die finno-ugrischen Sprachen Finnisch, Estnisch und Ungarisch. Diese sind mit verschiedenen Sprachen verwandt, die am Ural und im Norden Russlands gesprochen werden. Auch im Kaukasus werden einige nicht-indogermanische Sprachen gesprochen (Georgisch, Lasisch u.a.), deren Verwandtschaftsverhältnisse nicht genau geklärt sind. Vom Baskischen dagegen weiß man, dass es mit keiner heute noch existierenden Sprache verwandt ist.
germanische Sprachen
Die meisten der indogermanischen Sprachfamilien lassen sich weiter untergliedern. So zerfällt das Germanische in die drei Gruppen Ostgermanisch, Nordgermanisch und Westgermanisch. Die ostgermanischen Sprachen sind ausgestorben. Nennenswerte Belege gibt es nur für das Gotische. Zu den nordgermanischen Sprachen gehören Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Isländisch und Färöisch. Das Deutsche wird zusammen mit Englisch, Niederländisch, Friesisch, Jiddisch und Afrikaans (die Sprache der holländischstämmigen Bewohner Südafrikas) als westgermanische Sprache klassifiziert.
Westfriesisch wird in den Niederlanden gesprochen, Saterfriesisch und Nordfriesisch dagegen in Deutschland, wenn auch nur noch von wenigen Sprechern. Ersteres im Saterland, einem kleinen Gebiet südlich von Bremen, Letzteres auf den Nordfriesischen Inseln. Manchmal werden bestimmte niederdeutsche Dialekte als „Ostfriesisch“ bezeichnet, was zu Irritationen führen kann. Diese werden zwar in ehemals friesisch besiedelten Gebieten gesprochen, gehören aber zur deutschen und nicht zur friesischen Sprache.
germanische Lautverschiebung
Die germanischen Sprachen unterscheiden sich von den anderen indoeuropäischen Sprachen durch bestimmte Lautverschiebungen, die wegen ihrer Systematik auch als Lautgesetze bezeichnet wurden. Der dänische Sprachwissenschaftler Rasmus K. Rask entdeckte regelmäßige Entsprechungen zwischen Germanisch und anderen indogermanischen Sprachen, die von Jacob Grimm 1822 systematisiert wurden und daher im Englischen als Grimm’s Law bezeichnet werden. Bei dieser ersten oder germanischen Lautverschiebung wurden die Laute /p/, /f/ und /k/ zu Reibelauten und die Konsonanten /b/, /d/, /g/ zu /p/, /t/, /k/ verschoben. Die behauchten Laute /bh/, /dh/, /gh/ verloren ihre Behauchung und wurden zu /b/, /d/, /g/. In der folgenden Übersicht repräsentiert das Lateinische den für das Indogermanische rekonstruierten Lautstand vor der Lautverschiebung:
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