Название: 5 Strand Krimis: Killer, Kohle und Konsorten
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745213874
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Noch zwei Jahre, dachte Moeller, als er Sarows Gesicht auf dem Computerschirm auftauchen sah. Noch zwei Jahre, dann war es endgültig vorbei für ihn mit der milden Behandlung nach dem Jugendstrafrecht.
"Sie halten doch Ihr Wort, woll?", sagte der Obdachlose in Moellers Gedanken hinein.
"Häh?", gähnte Moeller.
"Na, von wegen Frühstück und so!"
Inzwischen hatte es draußen zu regnen begonnen. Die Tropfen klatschten gegen die Fensterscheiben des Büros. Klar, dass er nicht raus will, dachte Moeller. Nicht bei dem Mistwetter.
"Sie haben sich Ihre Gratisnacht in unserem Hotel redlich verdient", meinte Moeller dann.
Simitsch verzog nur das Gesicht.
"Weißt du eigentlich, dass du da gerade kostbare Steuermittel verschleuderst, Moeller?", knurrte er zwischen den Zähnen hindurch und schob sich seine Krawattennadel zurecht. Irgendwie hatte das Ding die Eigenschaft, dauernd schief zu sitzen.
Der Obdachlose verbrachte die Nacht also in einer Ausnüchterungszelle des Präsidiums.
Als Moeller am nächsten Morgen wieder zu seiner Dienststelle fuhr, besorgte er unterwegs Brötchen.
Lüdenscheid wird oft auch Regenscheid genannt, weil es hier angeblich öfter regnet als anderswo. Aber heute machte die Stadt ihrem schlechten Ruf keinerlei Ehre. Die Sonne schien. Moeller lenkte seinen rostigen Omega quer durch die Stadt. Es ging immer wieder auf und ab, den Hügel hinauf und wieder hinunter. Bei gutem Wetter stellte Moeller sich manchmal vor, er befände sich in den Straßen von San Francisco. Nur, dass die Straßen von Lüdenscheid ein bisschen schmaler waren und statt der Golden Gate Bridge gab es nur die Talbrücken mit der A45, der berüchtigten Todesbahn, die dieser Gegend auch internationales Renommee brachte. In den USA wurden Videobänder unter dem Titel ACCIDENTS ON GERMAN AUTOBAHN vertrieben. Und die A45 war natürlich immer dabei.
Vor unvorstellbar langer Zeit soll ein längst vergessener Herrscher den Auftrag zum Bau einer Siedlung in dieser Gegend gegeben haben. Und die ersten Siedler wanderten nun von Anhöhe zu Anhöhe, konnten sich aber nicht entscheiden, auf welcher die Siedlung errichtet werden sollte. "Lüd, entscheid! - Leute, entscheidet euch!", hätten daraufhin die Gesandten der Herrschaft gerufen, woraus schließlich die Ortsbezeichnung 'Lüdenscheid' entstand. Dass man dieser Aufforderung bis heute nicht nachgekommen war, konnte jeder sehen, der auf der A45 an der Stadt vorbeifuhr. Alle Anhöhen waren besiedelt.
Als Moeller im Präsidium ankam, war Klaus Simitsch natürlich schon längst da.
"Es gibt Frühstück", sagte Moeller, als er eintrat. "Am besten du holst unseren Gast mal aus seiner Suite, Klaus!"
"Bin ich der Butler?"
"Trage ich einen Anzug?"
"Moeller, ich hoffe, du wirst irgendwann mal versetzt und ich bekomme einen richtigen Kollegen auf das Büro - keinen Herbergsvater für obdachlose Zeugen!"
6
Eine Stunde später fuhren Moeller und Simitsch zum Hebberg.
Dort befand sich die Adresse von Ferdinand Sarows Eltern.
Sarow war dort nach wie vor gemeldet.
Simitsch weigerte sich regelmäßig, in Moellers rostigen Omega zu steigen. Darum fuhren sie mit dem gut gepflegten Volvo, den Simitsch sein Eigen nannte.
Simitsch fuhr betont vorschriftsmäßig, deshalb dauerte die Fahrt vom Präsidium zum Hebberg etwas länger, als Moeller es für notwendig hielt.
Aber heute war Moeller zu müde, um darüber zu meckern.
Er registrierte beiläufig das Hauptpostamt und das Rathaus auf der Linken. Dort begann die Fußgängerzone und der Verkehr kroch, weil viel zu viele insgeheim hofften, doch noch irgendwo einen der wenigen Parkplätze am Straßenrand zu finden und nicht eines der Parkgelegenheiten um den Sternplatz herum aufsuchen zu müssen. In einem scharfen Knick führte die Straße vor der Fußgängerzone wieder Richtung Norden und wechselte zweimal den Namen. Erst hieß sie Humboldt-, dann Gas- und dann Werdohler Straße. Noch viel später würde sie sich dann Werdohler Landstraße nennen.
Moeller gähnte, als sie links am Arbeitsamt vorbeikamen und zum zweitenmal beim Forstamt. Dazwischen ging eine Straße ab, die passenderweise Dukatenweg hieß, weil hier das Finanzamt angesiedelt war. Moeller erinnerte sich mit Grausen daran, dass er im letzten Jahr des öfteren dort vorstellig geworden war, weil die Finanzdirektion es einfach nicht anerkennen wollte, dass die Kosten für ein Saxophon für Moeller Werbungskosten waren. "Schließlich stelle ich damit doch meine geistige Gesundheit wieder her, die mir im Job zeitweilig verloren geht", hatte er argumentiert. "Und damit betreibe ich gewissermaßen eine berufliche Weiterqualifikation." Dem Finanzbeamten hatte das nur ein müdes Lächeln entlockt. Und als Moeller dann versucht hatte, sein Saxophon und alles, was er an Aufnahmetechnik investiert hatte, als besondere Belastung anerkannt zu wissen, hatte der Kommissar seinen Ruf als Querulanten weg.
Auch wenn das natürlich niemand aussprach.
Im Dienstleistungszeitalter nannten selbst Ämter ihre Querulanten inzwischen Klienten. Zu deutsch: Kunden. Leider war Moeller an jenem Tag in einen Laden geraten, in dem es üblich war, nur zu bezahlen, aber nichts dafür zu bekommen.
"Sie fühlen sich also ungerecht behandelt", hatte ihn der Finanzbeamte - sicherlich auf zahlreichen Fortbildungen inzwischen psychologisch geschult - dann angesäuselt.
Wenigstens die Audiokassetten hatte Moeller schließlich durchsetzen wollen. "Damit hören wir Gangsterbosse ab", hatte Moeller behauptet. "Sie haben doch sicher die Debatte über den großen Lauschangriff verfolgt!"
"Und Sie wollen mir allen ernstes weismachen, dass die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen dabei auf IHRE Kassetten angewiesen ist? Nee, nee, das ist Ihr Privatvergnügen, Herr Moeller."
Moeller hatte gedroht zu prozessieren, was er aus irgendeinem Grund dann aber doch nicht gemacht hatte.
Mann, Simitsch, musst du unbedingt einen Weg fahren, der so voll unguter Erinnerungen ist? dachte Moeller in diesem Augenblick.
Bevor sich die Gasstraße in Werdohler Straße umbenannte, bog Simitsch nach rechts ab.
Vorschriftsmäßig machte Simitsch das Licht an, bevor er in den Oberstadttunnel einfuhr. Dann ging es über die Staberger Straße weiter bis zum Bräucken-Kreuz, wo sich insgesamt fünf Straßen trafen.
Simitsch fuhr in die Bräuckenstraße, eine gut ausgebaute Hauptverkehrsader der Stadt. Nach etwa 800 Metern bog Simitschs Volvo nach links Richtung Wefelshohl. Anschließend gleich wieder nach rechts, vorbei an einem von Grünanlagen umgebenen Altenheim und einem Jugendheim.
Dann waren sie AM HEBBERG, einer Straße, die relativ СКАЧАТЬ