Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen - Gerd vom Steinbach страница 6

Название: Des Rates Schreiber - Chemnitzer Annalen

Автор: Gerd vom Steinbach

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783969405161

isbn:

СКАЧАТЬ Hildburga aus dem Lied verwandt. Wenn es auch nicht sehr gern von unserem Herrn Pfarrer gesehen wird, gehen dennoch viele Menschen zu ihr, wenn sie krank sind, denn sie vermag Kranke zu heilen. Zweifelsohne kann man auch sie zu den weisen Frauen zählen. Als unser Ruprecht auf die Welt kam, war Mutter Mechthilde ganz närrisch vor Freude, denn sie glaubte damals, der Bauerngeneral Rudolf aus unserem Lied wäre in unserem ersten Kind wiedergekehrt. Seit diesem Tag ist mir ganz bang um sie und um unseren Ruprecht. Wenn diese Mär auf die Ohren der heiligen Inquisition trifft, wird man hier Scheiterhaufen errichten. Sprecht also nicht über diese Sache. Es könnte sowohl die Mutter Mechthild als auch unserem Ruprecht zum Schaden gereichen.“ Verschwörerisch zwinkert sie ihren Töchtern zu und schiebt sie dann von sich. „So, Mädels, jetzt gebt Ruhe. Ich muss mich wieder kümmern, von allein erledigt sich meine Arbeit nicht.“

      Dieses Ansinnen steht natürlich ganz entschieden gegen die Vorstellungen der wissbegierigen Johanna. Alle Enttäuschungen dieser Welt scheinen sich auf ihrem zarten Gesicht zu verewigen und mit Schmollmund und bettelndem Blick sucht sie die Mutter zu überreden. „Erzähl doch noch, wir helfen dir dann auch und so wird die Arbeit auch noch rechtzeitig fertig.“ Magdalena lässt ihre schön gezeichneten Augenbrauen nach oben schnellen. „Das wöllte ich zu gern sehen, wie du mir bei der Arbeit hilfst, dass ich schneller fertig würde. Bislang ist dir dieser Geniestreich noch nie untergekommen, du verkehrst alle Arbeit zum Spiel, meine Süße. Na ja, spinnen und weben kannst du recht gut, aber eben das muss gerade nicht getan werden.“

      Von diesen Worten fühlt sich die Elfjährige über die Maßen hart getroffen. „Das ist gemein, Mutter! Ich habe heute schon die Stube gefegt, den Topf geputzt, die Asche aus dem Herd genommen …“

      Weder Häme noch Bosheit liegt im Lachen der Mutter, als sie dem Kind die Haare zerzaust. „Ja, eben, in der Reihenfolge, mein Spatz! Die gefegte Stube ist nun sorgsam und ebenmäßig mit Asche bestreut.“

      Puterrot wird Johannas Gesicht und Tränen der Scham treten in ihre Augen. Warum in aller Welt muss solches Ungemach immer ihr widerfahren? Enttäuscht will sie sich abwenden, da springt Elisabeth für sie in die Presche. „So schlimm kann es gar nicht sein. Ich habe gesehen, wie sorgsam das Hannel zu Werke gegangen ist. Hätte sie zu viel Asche aufgewirbelt, wäre ich gewiss deutlich geworden. Aber ich habe einen Vorschlag: wir gehen dir jetzt zur Hand und du erzählst uns heute Abend weiter, denn das interessiert mich auch.“

      Magdalena gibt sich, als wäre sie sehr empört und nur die lachenden Augen lassen ihre wahre Gemütslage erkennen. „Was denn, wird das hier eine Meuterei? Ihr seid zu zweit, ich aber bin ganz allein, wie soll ich mich da erfolgreich zur Wehr setzen können? Also gut, ich gebe mich geschlagen. Heute Abend setzen wir uns an das Spinnrad und ich erzähle.“ Jubelnd laufen die Mädchen ins Haus. Bei Preschers wird nicht alle Tage gesponnen, aber wenn, dann ist es für die Mädchen immer wieder ein Höhepunkt. Die Mutter seufzt und wischt sich die Hände am Kittel ab. Die Sorge um ihren ältesten Sohn legt sich schwer auf ihre Brust und nichts von der eben empfundenen Leichtigkeit bleibt in ihrem Inneren zurück.

      Leise neigt sich der Tag dem Ende entgegen und die Dämmerung beginnt, die Stadt in ein sachtes Blaugrau zu hüllen – die Zeit, die man die ‚blaue Stunde‘ zu nennen pflegt. Irgendwo in der Nachbarschaft bellt ein Hund seinen Zorn über den Hasen außerhalb seines Reviers in den Abendhimmel. Meister Prescher sitzt allein auf der Bank vor seinem Haus und schnitzt gedankenverloren an einem Holzkloben. Sein Blick irrt durch die Gasse, ohne irgendwo zu verweilen. Nein, ihn interessiert nicht das Stück Holz in seiner Hand, noch das Tun der Nachbarn. Den ganzen Nachmittag ist er durch die Stadt geirrt, ohne den Schreck über den Unfall des Sohnes verwinden zu können. Dabei hat er nicht einen Augenblick den Bader oder gar den Medikus suchen, sondern nur seine unbändige Angst um den Jungen bändigen wollen. Ihm ist klar, dass Magdalena besser als jeder andere das Richtige zu tun weiß. Tatsächlich ist sie mit dem Verletzten zurechtgekommen und hat den Sohn vor dem Vergehen gerettet. Jetzt ist die große Sorge des Tischlers, welche Richtung die Gespräche der Nachbarn nehmen werden. Es sind nicht viele, die über die entfernte Verwandtschaft Magdalenas mit der Mutter Mechthild Bescheid wissen, aber es genügt immerhin, wenn einer der Eingeweihten das Gerücht von Hexenzauber in Umlauf bringt. Es wird das Beste sein, am Sonntag eine große Kerze für die heilige Jungfrau anzuzünden.

      „Vater, kommst du nicht herein? Es wird langsam kühl hier draußen und du wirst dir eine Erkältung holen!“ Im Schatten der Tür steht Magdalena und blickt auf ihren Gatten. „Nun komm schon und lass dich nicht von den Sorgen auffressen. Ruprecht ist wieder bei Sinnen und erholt sich langsam. Um das Gerede der Nachbarn musst du dir keine Gedanken machen. So oft unser Großer schon verletzt war, ist es für sie ganz logisch, dass ich ihn wieder auf Vordermann bringe. Sie würden sich eher wundern, wenn das nicht gelänge. Komm also herein, schnitzen kannst du auch während wir spinnen.“

      Hans erhebt sich fast mechanisch und schüttelt dabei den Kopf – weniger aus Ablehnung als vielmehr aus Verwunderung. Wieso kennt sie immer wieder seine Gedanken?

      Die Stube ist von drei Talgfunzeln erhellt, deren Licht bei weitem nicht ausreicht, die finsteren Ecken auszuleuchten. Aber gerade so ist es schön heimelig und beim Spinnen kommt es nicht so sehr darauf an, gut zu erkennen. Weil das Haus nur aus der einen Stube und der Werkstatt besteht, hat die gesamte Familie des Tischlers Anteil an der gemütlichen Atmosphäre. Die Mutter mit den zwei Töchtern bilden mit ihren Spinnrädern ein nahezu gleichseitiges Dreieck, dessen eine Seite sich nach der Schlafstatt Ruprechts öffnet, während in den anderen Seiten einmal der Vater und zur anderen Paul jeweils mit ihrem Schnitzwerkzeug Platz genommen haben. Die Anordnung hat sich im Haus des Tischlers lange schon für solche Abende eingebürgert, nur, dass Ruprecht normalerweise auch auf seinem Schemel sitzt.

      Elisabeth, die das Singen über alles mag, hat eine melancholische Weise von Liebe und Abschied zu Ende gebracht und nun richten sich die Augen der Mädchen erwartungsvoll auf Magdalena. Hans, dem die stumme Aufforderung der Töchter nicht entgeht, schmunzelt der Mutter zu. „Na, meine Gute, mir scheint, du hast die zwei Mäuse mit einem Versprechen abgespeist. Was ist es diesmal?“

      Scheinbar gequält stößt diese einen herzerweichenden Seufzer aus. „Ach ja, ich habe einen Teil der Rudolfballade vorgetragen und weil sie dann gar so sehr gebarmt haben, wollte ich heute Abend den Vortrag fortsetzen. Nun weiß ich nicht, ob das auch unseren drei Männern zusagt.“

      Die Enttäuschung, die Mutters Antwort in das Gesicht Johannas schreibt, lässt sich nicht in Worten ausdrücken und so hakt Paul schnell ein: „Erzähl nur, Mutter. Es gibt keine schönere Geschichte über unser Volk und wir mögen sie alle. Außerdem ist es an der Zeit, dass das Hannel etwas über unsere Herkunft lernt. Ich glaube beinahe, Lisa kennt sie auch noch nicht.“

      Der Vater überlegt kurz und wirft dann ein: „Stimmt, als wir sie zuletzt hören durften, waren die zwei Mädchen noch zu klein. Es wird also Zeit, die beiden einzuweihen in die dunklen, dunklen Geheimnisse unserer Vorfahren.“

      Während die Schwestern schaudernd die Schultern nach oben ziehen, blickt Hans schmunzelnd in die Augen Magdalenas. Die schüttelt den Kopf und tadelt ihren Gatten: „Na, weißt du Hans, wir haben doch keine dunkle Vergangenheit! Ganz im Gegenteil, sie wird erhellt vom steten Licht reinen Glaubens!“

      „Wie wahr, das wollen wir dir gerne glauben – bei Wotan und den Nornen!“ Unter Prusten stößt der Vater den Satz aus, doch die undeutliche Sprechweise lässt nicht zu, dass er verstanden wird und so wirkt sein Lachanfall eher befremdlich auf die Familie.

      Magdalena lässt sich nicht stören und gleich darauf tönen die gereimten Worte, Frieden vermittelnd, durch den Raum, lassen vor den Augen der Zuhörer das Bild von den rumpelnden Wagen erstehen, die sich mühselig den Weg über die urwaldbestandenen Berge von Thüringen her an die Chemnitz bahnen.

       СКАЧАТЬ