Tausendfache Vergeltung. Frank Ebert
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Название: Tausendfache Vergeltung

Автор: Frank Ebert

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783957163127

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СКАЧАТЬ in sich hinein. Seltsam war ihm zumute, aber nicht, als würde er die Staaten auf unbestimmte Zeit verlassen. Er verspürte nicht einen Hauch von Heimweh. Die Traurigkeit, die sein Herz vor Wochen überkommen hatte, war ihm inzwischen zum ständigen und ebenso vertrauten wie verhassten Begleiter geworden. Wie ein Schatten folgte sie ihm überall hin. Sie verließ ihn nur, wenn er schlief. Doch beim Aufwachen war sie wieder da, übermächtig und drückend. Er ließ dieses Gefühl einfach zu, weil er nicht wusste, wie er sonst mit ihm fertig werden sollte. Aber es war anders als das Heimweh, das er sonst verspürt hatte, wenn er zu einer langen Reise aufbrach. Die Vergangenheit lag hinter ihm. Wozu sich an Dinge hängen, die vorbei waren? Es ließ sich nicht mehr ändern.

      Die Langeweile trieb ihn, sich in einer Schlange anderer Passagiere anzustellen. Nein, er wollte nicht schon wieder rauchen. Er nahm besser einen Kaffee. Mit dem vollen, glühend heißen Becher in der Hand wandte er sich abrupt um.

      „Passen Sie doch auf!“

      Der spitze Aufschrei der Dame traf Al wie ein Schlag. Die zierliche Person stand – zwei Köpfe kleiner als er – mit weit aufgerissenen Augen und abgespreizten Armen wie erstarrt vor ihm. Der Kaffee, der soeben noch in Al’s Becher gedampft hatte, rann an ihrem hellblauen Kostüm herab. Während sie mühsam um Fassung rang, bildeten sich unter ihren zierlichen Füßen und dem dunkelblauen Bordcase kleine Pfützen. Unablässig triefte der hellbraune, milchige Kaffee hinein.

      Al hatte die graziöse Lady schlicht übersehen. Früher wäre ihm das nicht passiert. Er hätte es immer bemerkt, wenn sich jemand hinter ihm anstellte. Schon von Berufs wegen war er neugierig. Aber als er sich jetzt umgedreht hatte, wäre er beinahe über das Bordcase gestolpert. Das Resultat stand nun in Form eines begossenen, zeternden Persönchens leibhaftig vor ihm. Ein breitschultriger Flughafenpolizist schien neben ihr aus dem Boden gewachsen zu sein. Sein säuerliches Gesicht und wie er seine Uniform glattzog, ließen nichts Gutes ahnen. Bevor der Polizist losbrüllen konnte, ergriff Al die Initiative:

      „Oh, Madame, es tut mir unendlich leid – wie konnte ich nur …? Äh, also ich meine … – Entschuldigung …“

      „Sehen Sie nur, was Sie angerichtet haben. So kann ich doch nicht wegfliegen. Sind Sie immer so rücksichtslos?“, schleuderte ihm die Frau entgegen.

      „Ich weiß nicht, wo ich heute meinen Kopf habe. Wie kann ich das denn wiedergutmachen, Madame?“

      „Wiedergutmachen? Was wollen Sie denn da wiedergutmachen?“, schimpfte die Dame weiter. „Ich brauche neue Kleidung. Und hier, mein Handgepäck, überall trieft dieser Kaffee herab. Ekelhaft!“

      Angewidert schleuderte sie mit ihren Händen.

      „Hören Sie“, mischte sich jetzt der Polizist ein und trat drohend einen Schritt auf Al zu, „die Lady hat einen langen Flug vor sich. Würden Sie etwa so losziehen wollen, hä?“

      Er stemmte seine kräftigen Arme in die Hüften.

      „Natürlich nicht. Ich sagte ja bereits, dass es mir leidtut. Es war ja auch nicht absichtlich … So etwas kann doch mal vorkommen“, protestierte Al kleinlaut, bevor der Polizist weitermachte:

      „Haben Sie etwas getrunken?“

      Der Polizist bildete sich doch nicht etwa ein, Al’s Atem könnte mit Whiskeyaroma durchmischt sein? Argwöhnte der Ordnungshüter vielleicht, einen angetrunkenen Passagier vor sich zu haben? Die Flughafenpolizei fackelte mit Alkoholisierten nicht lange. Sie warf sie kurzerhand aus dem Gebäude.

      Keinesfalls wollte Al seinen Abflug riskieren.

      „Ja – äh, also das heißt … genau genommen noch nicht“, gab er zurück.

      „Was denn nun?“, hakte der Polizist ungeduldig nach, während ihn die Dame am Ärmel zupfte.

      „Lass es gut sein, George. Es ist nun einmal nicht mehr zu ändern“, beschwichtigte ihn die Dame.

      Obwohl ihr die Überraschung des Moments noch ins Gesicht geschrieben stand, schien sie sich schnell mit der unangenehmen Situation abzufinden.

      Erst jetzt musterte Al sie eingehender. Ihre Mandelaugen, ihr glänzendes, schwarzes Haar, ihre Figur, ihre Stimme – hatte sie nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit Shing-hee, mit seiner Shing-hee, die er so sehr geliebt hatte? Nur für oberflächliche Menschen sehen alle Asiaten gleich aus. Nicht für Al.

      Er wusste zu unterscheiden. Shing-hee! Sie war nicht nur für ihn immer etwas Besonderes. Nein, sie war einfach einzigartig und unvergleichlich gewesen. Für einen Moment hatte er mächtig gegen den Trauerkloß anzukämpfen, der in ihm hochzusteigen begann.

      Der Vorfall schmerzte ihn. Das hatte er wirklich nicht gewollt. Und nun setzte sich diese Frau, die allen Grund hatte, auf ihn böse zu sein, für ihn bei der Flughafenpolizei ein.

      Wirklich bemerkenswert. Wie alt sie sein mochte? Schwer zu sagen. Die kleinen Fältchen um die dunklen Augen, die auch ihr dezentes Make-up nicht verbarg, ließen ihr Alter zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren vermuten. Shing-hee war achtunddreißig Jahre alt geworden.

      „Nun tun Sie doch endlich was“, brummte der Polizist ungehalten.

      „Lass es jetzt gut sein, George, bitte!“, drängte die Lady. „Wir kriegen das schon wieder hin. Weißt du was? Ich gehe dort drüben zur Toilette und ziehe mich rasch um. Wozu hat man die Sachen im Handgepäck, nicht wahr? Der Inhalt wird ja hoffentlich verschont geblieben sein. Bis gleich.“

      Sie seufzte kurz. Dann zwinkerte sie den beiden Männern zu, bevor sie mit schnellen Schrittchen forttrippelte. Das Stakkato ihrer Absätze reicherte das Geschepper ihres Bordcase auf dem polierten Marmorboden um eine persönliche rhythmische Note an.

      Al fühlte sich zu einer Erklärung genötigt, um jeden Verdacht gegen sich auszuräumen. Er wandte sich dem Polizisten zu:

      „Glauben Sie mir bitte, Sir, die Sache ist mir wirklich wahnsinnig unangenehm. Aber in letzter Zeit bin ich manchmal etwas durcheinander.“

      „Haben Sie das öfter?“

      Al schüttelte den Kopf.

      „Nein, ich kenne das eigentlich nicht.“

      „Sie riechen doch nach Whiskey – oder täusche ich mich?“

      „Ich fürchte: ja. Nichts gegen einen Schluck – aber ich glaube, es ist mein Rasierwasser.“

      Der Polizist streckte seinen Hals vor und fächelte sich mit einer Handbewegung den Duft zu.

      „Mmh“, brummte er, „könnte sein …“, und zog seinen Kopf zurück, wobei er nicht besonders überzeugt wirkte.

      „Sie haben wirklich keinen Alkohol getrunken?“

      „Nein“, versicherte Al, bevor er in seiner Erklärung weiterfuhr: “Sehen Sie, meine Frau ist kürzlich tödlich verunglückt – bei einem Verkehrsunfall. Stellen Sie sich das vor: Sie gehen morgens aus dem Haus, wie an jedem Tag, und bekommen einen Anruf. Sie werden in das Büro des Sheriffs von Orange County bestellt, sollen sofort hinkommen. Am Telefon will keiner den Grund nennen. Erst auf der Polizeistation erfahren Sie, was geschehen ist …“

      „Oh, Mann, das tut mir leid. Es muss für Sie ein furchtbarer Schlag gewesen sein.“

      Der СКАЧАТЬ