Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln. Udo Hinnerkopf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln - Udo Hinnerkopf страница 8

Название: Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln

Автор: Udo Hinnerkopf

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783898019040

isbn:

СКАЧАТЬ Hände – die gehörten Heinz von der Columbus aus Gibraltar. Er nahm die vom zurückgesprinteten Skipper hinübergeworfene Heckleine in Empfang und belegte sie an einem Eisenring.

      Ich hüpfte zum Bug, um die Ankerkette durchzuholen. Doch ich holte und holte, einen Meter nach dem anderen, der Anker fasste nicht! Das Boot trieb langsam, vom Wind gedrückt, auf die »Bunte« zu und bummste achtern an die Pier – hätten die zwei hilfreichen Hände nicht auch zwei hilfreiche Füße gehabt, die sich kräftig gegen die stabile Holzreling stemmten und den Rumms erfolgreich verhinderten.

      Inzwischen hatte sich eine stattliche Anzahl Zuschauer versammelt, unter ihnen der Polizei-Offizier mit seinem »Woher-wohin-wie-lang-wie-breit«-Papier. Auch auf der »Bunten« waren plötzlich Leute erschienen. Aber ich hatte schon abgefendert.

      Nun musste schnell gehandelt und das Manöver wiederholt werden. Sehr umsichtig, wie es zunächst schien, ließ der Skipper sein Schiff an der Heckleine befestigt, gab aber viel Lose, damit sie bis zum Ende auslaufen konnte. Ich stand wieder an der Pinne, er vorne am Anker. Langsam vorwärts! Er winschte die Kette ein, hatte den Anker halb oben, da – ein Ruck! – und das Boot drehte, achtern gestoppt durch die stramm ausgelaufene Heckleine, quer in die Lücke. Das Heck schob sich zwischen Pier und das kleine Fischerboot, unser Bugspriet ragte der »Bunten« über die Reling. Die gesamte Lücke war ausgefüllt, kein Zentimeter Platz mehr, weder vorne noch achtern. Der Wind hatte geholfen, aber mit der fixierten Leine hatte es angefangen. Hallo Capitano!

      Rufe, Warnungen, Aufforderungen flogen über Deck. Ich hüpfte wieder vor zum Anker, der Capitano hinten zur Pinne. Dann wieder ich zur Pinne und er zum Anker, der frei im Wasser hing. Von nun an wurde das Hin- und Her-Spiel mit großem Ernst betrieben, mal hinten, mal vorne, mal vorne, mal hinten – und das im fliegendem Wechsel. Wir begegneten uns immer wieder mit vielsagenden Mienen in der Mitte. Zwischenzeitlich stocherten wir beide, er mit dem Bootshaken achtern nach der abgetauchten Heckleine, die sich um die Schraube gewickelt hatte, so dass der Motor nicht mehr lief. Ich mit dem Besenstiel auf dem Bugspriet, um den Anker klar zum Fallen vorzubereiten. Endlich gelang es mit Heinz’ Hilfe von außen und Aufbietung artistischer Höchstleistungen aus der Querlage wieder in die richtige Position zu kommen. Die Menge an Land staunte tonlos. Erleichtert machten wir erstmal an der »Bunten« fest, verschnauften und holten den Anker kurzstag.

      Jetzt sollte der Zweitanker mit dem Dingi ausgebracht werden. Das Dingi wurde an Deck losgezurrt und flog mit einem Platsch ins Wasser. Der Capitano stieg ein. Ich hievte den Zweitanker und eine lange Trosse hinterher. Weit genug voraus gerudert ging der Anker auf Grund. Da jedoch Starkwind zu befürchten war, musste auch noch der Stockanker, als Hauptanker, ins Wasser.

      Schon hatte ihn der Capitano im Bootchen, um ihn so zur richtigen Position zu rudern und dort fallen zu lassen – da!, ich traute meinen Augen nicht, kippte das Bootchen, vom schweren Ankermann und vom ebenfalls schweren Anker beim Überbordwerfen einseitig belastet, um. Und riss Anker und Kapitän in die Hafenflut. Nur einer seiner schwimmenden Gummilatschen markierte die Stelle der Versenkung. Zwischen bauchoben schwimmenden toten Fischen, Bananenschalen und sonstigen Hafenbeimischungen tauchte er prustend auf – und ich glaube auch etwas wütend. Aber unverdrossen schwang er sich ins Bootchen, holte den verlorenen Stockanker hoch und begann von vorne. Von Land kamen mitleidige Blicke.

      Vorsichtig wurde der Anker wieder ins Bootchen gewuchtet. Vorsichtiger als zuvor wollte El Capitano ihn wieder über Bord gleiten lassen ohne sich selbst zu weit vorzubeugen. Also ohne umzukippen! Das klappte. Ich konnte die Kette durchholen. Der Anker hielt!

      Inzwischen hatten sich die Zuschauer verzogen – bis auf zwei Ausdauernde – Heinz mit Gitta. Auch der Polizist hatte sich mit einem »hasta luego!« verkrümelt. Ich glaube allen taten die Füße weh.

      El Capitano, fest entschlossen das Werk zu Ende zu führen, kam zurück gerudert und verlangte ein Messer. Nun war nur noch die Heckleine von der Schraube zu befreien, eine Sache von einer weiteren halben Stunde. Endlich verschwand der Kapitän in der Dusche. Lange hörte ich das Wasser rauschen. Ich rauchte inzwischen die Zigarette, auf die ich bereits kurz vor der Hafeneinfahrt Lust gehabt hatte.

      Mitseglerin Ursula und der Autor nach dem Anlegemanöver im Hafen von Estepona

      Die Moral von der Geschicht: Verlass so schnell den Hafen nicht. Wir blieben vier Tage in Estepona und hörten von Heinz und Gitta die Columbus-Geschichte in allen Einzelheiten, über die an anderer Stelle in diesem Buch berichtet wird (siehe Seite 38). Es war ein schöner Platz.

      In den folgenden zwei Jahren, die wir an Bord zusammen segelten und lebten ist uns nie wieder so ein Anfängermanöver, in Fachkreisen römisch-katholisch genannt, passiert.

      09. Emilye

      Als wir in Calpe an der spanischen Mittelmeerküste anlegten, lag ihre Happy Day genau neben uns. Emilye hatte Klavierspielerhände, war zierlich und gar nicht robust, aber absolut selbstsicher – eine Person, die offenbar wusste, wie sie gegen den Wind aufkreuzen musste.

      Die blonde Frau in den abgeschnittenen Jeans sprang auf den Steg, nahm unsere Leinen an und belegte sie routiniert an den Pollern. Sie empfahl uns, zwei Springs auszubringen, da nachts manchmal heftige Böen vom Hinterland herunter fegen würden. Wir bedankten uns und sie sagte, wenn wir nachher Zeit hätten, könnte sie uns das Procedere mit den Behörden erklären. So lernten wir sie kennen und saßen abwechselnd mal bei ihr, mal bei uns an Bord und erzählten uns Geschichten. Ihre ging so:

      Zusammen mit ihrem Mann Frank war sie vor vier Jahren von Montreal aus zu einer Weltumseglung aufgebrochen. Sie hatten hart gearbeitet und mit ihrer Eventagentur so viel verdient, dass es zu einem mehrjährigen Sabbatical einmal rund um die Welt reichen würde. Zunächst überquerten sie den Atlantik von West nach Ost, segelten bis nach St. Petersburg und besuchten Schweden, Norwegen und die baltischen Länder; Dänemark und Holland gefielen ihnen besonders.

      In Frankreich angekommen ereilte sie eine schlechte Nachricht: Frank war an Krebs erkrankt. Sie ließen das Boot in La Rochelle bei einer Werft liegen und flogen nach Quebec zurück. Franks Kampf gegen den Krebs dauerte nur ein Jahr, dann verlor er ihn. Kurz vor seinem Tod bat er seine Frau, ihre gemeinsame Reise mit der Happy Day in seinem Sinn fortzuführen und zu vollenden. Emilye besaß alle Patente; die gemeinsam erlebten zweieinhalb Jahre auf dem Boot konnten von großem Nutzen für ihre weitere Soloreise sein. Im Salon hing ein gerahmtes Foto an der Wand: Frank und Emilye im Cockpit der Happy Day, strahlend, eng nebeneinander. »Er ist immer mit dabei, wo ich auch hinkomme«, sagte sie.

      Der Törn um die Welt war sein Jugendtraum. »Er sprach schon davon, als wir uns kennenlernten.« Langsam habe auch sie sich mit dem Plan angefreundet. Zuerst segelten sie an der Baie de Beauport bei Quebec mit einer Jolle, später mit einer 8-Meter-Slup auf dem St. Lawrence River. Die stählerne Happy Day war auf einer Werft nach ihren Vorstellungen gebaut worden. Das Revier um die Prince Edward Island sei jahrelang ihr Lieblingsrevier gewesen. Die vielen Buchten und kleinen Häfen und all die Inseln rundherum, »really beautiful!« Sie strahlte. »Wenn ich zurückkomme, werde ich mich dort niederlassen, mit der Happy Day vor der Türe.«

      Wie sie das aushalte allein auf dem Boot, mit all den Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, wollten wir wissen. »Am Anfang, als ich nach La Rochelle zum Schiff zurückkam und mich alleine einrichten musste, war das extrem schwer. Da hab’ ich mich oft unter Tränen gefragt, ob ich das wirklich schaffe, ja, ob ich das wirklich will. Aber ich hatte es ihm am Krankenbett versprochen, seine Augen leuchteten so dankbar, er hat mir geglaubt. Ich muss mein Versprechen einlösen«, sagte sie und wirkte dabei ganz cool.

      Es gefiel uns, dass Emilye nicht auf die Idee kam, dem Schicksal Vorwürfe zu machen, sie stellte sich einfach СКАЧАТЬ