Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln. Udo Hinnerkopf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln - Udo Hinnerkopf страница 6

Название: Vom Wind Verwehte: Aussteiger unter Segeln

Автор: Udo Hinnerkopf

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783898019040

isbn:

СКАЧАТЬ es nass an Deck. Dazu strahlender Sonnenschein, es wurde wärmer. Der Kurs lag an, La Coruña voraus. Südwärts ho!

      Plötzlich ein hässliches Knacken von oben, erschrockene Blicke zum Masttop hinauf. Der Peilrahmen auf der Spitze des Großmastes wippte im Rhythmus der Bootsbewegung hin und her. Verdammt! Wenn der sich los schaukelt und runter kommt …!

      »Du bist leichter, los hinauf!« Claus griff den Bootsmannstuhl aus der Backskiste und sprintete zum Mast, rollte Groß und Genua ein – ich startete den Motor und ließ den Autopiloten langsam gegen Wind und Wellen anfahren. Das bremste das Rollen und verminderte das Schlingern. Etwas.

      Den Lifebelt mit dem Reservefall gesichert und den Bootsmannstuhl mit dem zweiten Fall verknüpft … wie gut, dass wir zwei Reservefallen hatten! Claus kurbelte, die Winsch ächzte, schon schwebte ich drei Meter über dem unter mir schwankenden Deck, pendelte vom Mast weg frei über die Wellen und wieder zurück, stemmte mich mit beiden Füßen dagegen und versuchte, mich am klammen Mastholz festzuhalten.

      Oben knirschte der Peilrahmen bedenklich. Hoffentlich kam der nicht gerade jetzt herunter! Schon stand ich auf der ersten Saling, dann auf der zweiten, war kurz darauf oben und krallte mich krampfhaft fest. Claus fuchtelte mir Zeichen von unten zu, die ich nicht verstand.

      Im schwankenden Masttop pendelte ich mit der Schiffsbewegung hin und zurück – und jedesmal schwang das weiße Deck des zum Spielzeug geschrumpften Bootsrumpfs weit unter meinen Füßen im Rhythmus der Wellen und übertrug die rollende Bewegung zu mir herauf. Um das Schwingen zu stoppen, umklammerte ich den Mast mit beiden Beinen und zurrte mit den Händen den starren, aus zwei gekreuzten Rohren von gut einem halben Meter Durchmesser bestehenden Kreuzpeilrahmen, mit einem Tampen auf dem Masttop fest. Das Ding war sperrig und einige Kilos schwer. Mehrfach schlang ich den Tampen unter den Stag- und Wantenbeschlägen durch und verknotete alles dreimal. Sicher ist sicher.

      Danach ging der Blick über das grenzenlos leere Meer bis zum Horizont. Himmel und See verschmolzen im grauen Dunst – nur der kleine, schaukelnde Bootsrumpf unter mir war gesichertes Terrain. Wie hoch hing ich über dem schmalen Deck und dem Freund, der mit dem Fernglas zu mir heraufschaute? Masthöhe 14 Meter, Fallhöhe … Wahnsinn! Würde ich an Deck landen oder im Meer? Waren die Knoten an Bootsmannstuhl und Lifebelt sicher, die Fallen stabil? Mir schwindelte.

      Endlich war das Monster gesichert. »Runter!«, rief ich. »Erst Toplicht-Kontrolle!«, echote es herauf. Mir war zum Kotzen zumute, die Schaukelei im schwankenden Mast und das Festklammern mit Beinen und Händen tat meinem sonst seefesten Magen nicht sonderlich gut.

      »Ok?«, kam es kaum hörbar aus dem Niedergang. Nur nicht kotzen, dachte ich und grinste säuerlich, der arme Mensch dort unten … Ich schluckte und nickte: »Brennt!«

      Langsam rutschte ich abwärts. Unten angekommen, fielen wir uns in die Arme und wischten heimlich ein paar Tränen ab. Später erzählte Claus, er habe ernsthaft darüber nachgedacht, was er gemacht hätte, wenn ich von oben herunter gerauscht wäre. Egal ob ich das überlebt hätte oder nicht: wo und wie sollte er in der Weite der Biskaya Hilfe finden … wohin steuern? Zurück nach Dartmouth? In den Golf hinein nach La Rochelle? Oder weiter aufs Ziel zu, nach La Coruña?

      Poseidon sei Dank war alles gut gegangen, so dass wir drei Tage später unbeschadet in La Coruña einlaufen konnten.

       Doch sie sind nicht ganz verschwunden, / jene, die Kap Horn umrunden, / die noch heut auf kleinen Schiffen, / Stürmen trotzen, Klippen, Riffen, / die den Träumen hinterher – / fahren, fahren übers Meer.

       Sie, die wieder leben lernen, / fern von Stress und Mietskasernen, / die Besitz, Erfolg, Karriere, / tauschen gegen Wind und Meere. / Auf der Fahrt nach nirgendwo / einfach rufen: Westward! Ho!

      Aus dem Logbuch von Claus

       * Wer erfahren will, was Claus, alias Capitano Claudio, nach unserem Abenteuer in der Biskaya bei Windstärke 12 vor Kap Horn erlebte, lese hier weiter: www.vallebote.de/band4-capitano-claudio/

      06. Banyo

      Ich war ein paar Tage zu früh in Cadiz. Claus, mit dem ich von Volendam am IJsselmeer durch die Biskaya bis zur spanischen Südküste gesegelt war, musste zurück nach München. Ich wartete auf Ursula, meine neue Crew, und lernte Lars und Simone auf ihrer Banyo kennen. Sie lagen neben mir und waren für mich die ersten Menschen, die als Paar den Absprung aus dem bürgerlichen Leben geschafft hatten, ohne Probleme damit zu haben, eines Tages zurück zu müssen – sollte die Bordkasse einmal so leer sein wie die dritte Flasche nach dem nächtlichen Plausch im Cockpit der Banyo.

      Lars war ein stämmiger Typ mit breiten Schultern und von Beruf Chemotechniker. Seine Frau Simone war das Gegenteil von ihm, eine zierliche Person mit langen, blonden Haaren, Sozialpädagogin, 35 Jahre jung. Sie hatten keine Kinder und wohnten in einem Reihenhaus im niederländischen Friesland. Seit zwei Jahren waren sie unterwegs. Abgelegt hatten sie in Amsterdam. Von Ijmuiden segelten sie nach Südengland, Frankreich, Galizien, Lissabon, und seit April hielten sie sich an der portugiesischen Südküste auf.

      Ihr Boot war eine drei Tonnen leichte Dufour 35, 10,75 m lang, raumschots sieben Knoten schnell und wenn kein Wind wehte, schaffte es der kleine Diesel gegen alte Dünung gerade noch so. Innen war alles zweckmäßig eingerichtet, »vielleicht etwas cool, wir wollen halt nicht zu viel Arbeit damit haben«, erklärten sie.

      »Guck mal, hier passen zwei Klappfahrräder rein«, sagte Lars und öffnete die Backskiste. Die kämen oft raus, damit machten sie ihre Landausflüge, wenn es nicht zu bergig war. Woher der Name Banyo kam, wollte ich wissen? »Wir haben früher Jazz gemacht, Simone spielt Banyo und ich Klarinette – ja ja, auch jetzt noch.«

      »Wir lieben das einfache Leben«, Simone schmunzelte. Der Käse stamme aus Edam, die Tomaten aus Dartmouth, die Chorizo und der Fundador aus La Coruña, der Vino tinto aus Portonovo und der Kaffee von Coop in Sneek. Zum Nachtisch gebe es ein Nickerchen, ab und zu unterbrochen von einem schnellen Rundumblick: Kein Schiff weit und breit, gut! Weiter schlafen.

      Einen festen Plan hatten sie nicht. Wo es schön sei, da wollten sie bleiben. In Portugal zum Beispiel. Die Leute seien sehr hilfsbereit und freundlich, vor allem die Fischer. »Und dann spürt man hier schon den Atlantik«, erklärte Lars, »das ist doch was ganz anderes!«

      Simone und Lars arbeiteten selbstständig, sie hatten für vier Jahre gespart und mehr verdient als sie ausgegeben hatten. »Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir gut über die Runden.« Simone kicherte.

      Warum sie das überhaupt machten, abseits der Gesellschaft so herumstreunern? »Genau«, sagte Lars, »wir sind vorher viel unterwegs gewesen, mit einer Tasche, einer Hose, durch ganz Europa … das hat uns gefallen. Außerdem hatten wir immer eine Jolle.« So entstand der Plan. »Mit 60 machst du das nicht mehr so unbeschwert, da hast du wahrscheinlich zu viel Angst, alles aufzugeben. Je etablierter du bist, desto mehr musst du zurücklassen.« Jetzt sei das leichter. «Wir hatten Lust und waren bereit.« Sie wollten sich später nie vorhalten: hätten wir das doch damals gemacht. Mit der Gesellschaft haben sie keine Probleme. »Klar«, sagte Lars, »wenn das alle machen würden, das wäre nicht so gut. Aber wir haben viel gearbeitet und auf einiges verzichtet, jetzt wollen wir unsere Zeit genießen.«

      Südliche Traummarina mit Palmen im Wind

      Lars berichtete in einem Nebensatz von seinem einzigen Handicap an Bord. Er werde die ersten Tage immer seekrank, er habe schon alles ausprobiert: Pillen, Zäpfchen, Pflaster, Baldrian, aber nichts helfe. Simone kicherte, »Hihihi СКАЧАТЬ