Konstantinopel 1453. Roger Crowley
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Название: Konstantinopel 1453

Автор: Roger Crowley

Издательство: Автор

Жанр: История

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isbn: 9783806242430

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       Konstantinopel ist eine größere Stadt, als ihr Ruhm es verkündet. Möge Gott in seiner Gnade und Großmut geruhen, sie zur Hauptstadt des Islams zu machen.

       Hassan Ali al-Harawi, arabischer Autor aus dem 12. Jahrhundert1

       Ich werde eine Geschichte enormer Gefahren erzählen … die Geschichte von Konstantinopel, die ich mit eigenen Augen aus nächster Nähe verfolgt habe.

       Leonhard von Chios2

       Auf einen Goldenen Apfel wirft man Steine.

       Türkisches Sprichwort

      Frühlingsanfang. Ein schwarzer Drachen schwebt im Wind Istanbuls. Er kreist träge um die Suleiman-Moschee, als wäre er an den Minaretten festgebunden. Von hier aus kann er eine Stadt mit fünfzehn Millionen Einwohnern überblicken und durch seine gleichmütigen Augen das Vergehen von Tagen und Jahrhunderten beobachten.

      Wäre ein Vorfahr dieses Vogels an einem kalten Märztag des Jahres 1453 über Konstantinopel geschwebt, hätte er wohl einen ähnlichen Grundriss gesehen, auch wenn die Stadt noch längst nicht so dicht bevölkert war. Es ist ein bemerkenswerter Ort, er bildet ungefähr ein Dreieck, das an seiner östlichen Spitze leicht nach oben gebogen ist wie das aggressive Horn eines Nashorns und an den beiden anderen Seiten vom Meer umfangen wird. Im Norden liegt die geschützte Bucht des Goldenen Horns; die Südseite wird vom Marmarameer gesäumt, an das sich im Westen jenseits des Flaschenhalses der Dardanellen das Mittelmeer anschließt. Aus der Luft kann man die lückenlose Linie von Befestigungen erkennen, die diese beiden der See zugewandten Seiten des Dreiecks schützen, und man sieht, wie die Wogen des Meeres mit sieben Knoten gegen die Spitze des Horns schlagen: Die Verteidigungsanlagen der Stadt sind sowohl natürlicher Art als auch von Menschenhand geschaffen.

      Am außergewöhnlichsten jedoch ist die Grundlinie des Dreiecks. Ein Wall aus drei hintereinander gestaffelten Mauern, die in kurzen Abständen mit Türmen versehen sind. Vor diesem Wall verläuft ein mächtiger Graben, die Befestigung erstreckt sich vom Horn bis zum Marmarameer und schützt die Stadt vor Angriffen. Dies ist die tausend Jahre alte Theodosianische Landmauer, der eindrucksvollste Schutzwall des Mittelalters. Den Osmanen erschien sie im 14. und 15. Jahrhundert als ein »Knochen im Hals Allahs« – sie stellte für sie ein psychologisches Problem dar, das ihren Ehrgeiz bremste und ihre Eroberungsträume durchkreuzte. Für die abendländische Christenheit hingegen war sie das Bollwerk gegen den Islam, das sie vor der muslimischen Welt schützte und sie in Selbstgewissheit wiegte.

      Wenn man im Frühling 1453 auf diesen Ort blickte, konnte man auch die befestigte Genueser Siedlung Galata sehen, einen winzigen italienischen Stadtstaat im hinteren Teil des Horns, und genau erkennen, wo Europa endet. Der Bosporus teilt die Kontinente und durchschneidet wie ein Fluss die niedrigen bewaldeten Berge am Schwarzen Meer. Auf der anderen Seite liegt Kleinasien, Anatolien, was im Griechischen »Osten« bedeutet. Die schneebedeckten Gipfel des Olymp schimmern hundert Kilometer entfernt in mattem Licht.

      Auf der europäischen Seite erblickt das Auge sanft geschwungenes Hügelland, das sich bis zur osmanischen Stadt Edirne erstreckt, die 220 Kilometer weiter westlich liegt. Und in dieser Landschaft würde das alles sehende Auge etwas Besonderes entdecken. Auf der holprigen Straße, die beide Städte verbindet, marschieren lange Kolonnen von Männern; weiße Mützen und rote Turbane bewegen sich in dichten Massen voran; Bogen, Speere, Gewehre mit Luntenschlössern und Schilde glänzen in der tiefstehenden Sonne; vorüberpreschende Kavallerieschwadronen wirbeln Staub auf; Kettenhemden klirren und knarren. Dahinter folgen die langen Reihen aus Maultieren, Pferden und Kamelen, die all die Utensilien der Kriegführung befördern und das Personal, das dafür benötigt wird – Knappen, Köche, Büchsenmacher, Geistliche, Zimmerleute und Jäger. Und hinter ihnen kommt noch etwas. Große Ochsengespanne und Hunderte Männer ziehen unter größten Mühen Geschütze über den weichen Boden. Die gesamte osmanische Armee ist auf dem Marsch.

      Je weiter das Auge schweift, umso mehr Einzelheiten dieses Unternehmens werden sichtbar. Gleichsam wie im Hintergrund eines mittelalterlichen Gemäldes kämpft sich von den Dardanellen her eine Flotte von Ruderschiffen langsam gegen den Wind vorwärts. Frachtschiffe mit hohen Wänden laufen aus ins Schwarze Meer mit Holz, Getreide und Kanonenkugeln an Bord. Aus Anatolien strömen Schäfer, Marketender, heilige Männer und Vagabunden in Gruppen hinab zum Bosporus, sie folgen dem Ruf zu den Waffen, der von den Osmanen ergangen ist. Dieses vielschichtige Aufgebot von Männern und Material bildet die ineinander greifende Bewegung eines Heeres, das auf ein bestimmtes Ziel zustrebt: Konstantinopel, die Hauptstadt jenes kleinen Restes, der 1453 vom alten Byzantinischen Reich noch geblieben ist.

      Die mittelalterlichen Völker, die diesen Kampf ausfochten, waren überaus abergläubisch. Sie glaubten an Prophezeiungen und hielten Ausschau nach Omen. Die alten Monumente und Statuen in Konstantinopel waren für sie Quellen der Magie. Die Menschen sahen die Zukunft der Welt in den Inschriften auf römischen Säulen, deren ursprüngliche Entstehungsgeschichte in Vergessenheit geraten war. Sie deuteten die Wetterzeichen, und der Frühling des Jahres 1453 beunruhigte sie. Es war ungewöhnlich kalt und feucht. Dichte Nebelbänke hingen noch im März über dem Bosporus. Es gab leichte Erdbeben und für die Jahreszeit ungewöhnliche Schneefälle. In einer Stadt, die in gespannter Erwartung lebte, war dies ein schlechtes Omen, vielleicht sogar ein Vorzeichen für den nicht mehr fernen Weltuntergang.

      Auch die Osmanen waren abergläubisch. Ihr Ziel war der Rote Apfel, auch Goldener Apfel genannt, ein Symbol für die Beherrschung der Welt. Ihn zu erobern, danach strebte der Islam seit achthundert Jahren, eigentlich bereits seit der Zeit des Propheten, und um diesen Apfel rankten sich Legenden, Prophezeiungen und apokryphe Verkündungen. Nach der Vorstellung des anrückenden Heeres befand sich der Apfel an einem bestimmten Platz in der Stadt. Unweit der Kirche der Heiligen Weisheit stand auf einer dreißig Meter hohen Säule ein gewaltiges bronzenes Reiterstandbild von Kaiser Justinian, ein Denkmal, das die Macht des frühen Byzantinischen Reiches verkörperte und seine Bedeutung als christliches Bollwerk gegen den Osten symbolisierte. Laut Prokop, einem Geschichtsschreiber des 6. Jahrhunderts, handelte es sich um ein höchst eindrucksvolles Monument:

       Das Pferd richtet den Kopf nach Osten und wirkt sehr edel. Auf dem Pferd ruht eine große Statue des Kaisers, der gewandet ist wie Achilles… seine Brustplatte ist in heroischer Art gehalten; der Helm, der seinen Kopf bedeckt, bewegt sich anscheinend auf und ab und glänzt grell. Er blickt in die aufgehende Sonne, und er reitet, so will es scheinen, den Persern entgegen. In seiner linken Hand trägt er eine Weltkugel, wodurch der Bildhauer zeigen möchte, dass die gesamte Erde und das gesamte Meer ihm untertan sind, obwohl er weder ein Schwert noch einen Speer oder eine andere Waffe bei sich trägt, abgesehen von dem Kreuz, das auf der Weltkugel angebracht ist und dem allein er sein Königreich und seine meisterliche Beherrschung des Kriegshandwerks verdankt.1

      In dieser mit einem Kreuz besetzten Weltkugel Justinians vermuteten die Türken den Goldenen Apfel, und dies hatte sie hierher geführt: der Ruf des sagenumwobenen alten christlichen Reiches und die Möglichkeit, zum Herrn der Welt aufzusteigen, die er zu verheißen schien.

      Die Angst vor einer Belagerung war tief verwurzelt im Denken der Byzantiner. Dies war das Schreckgespenst, das ihre Bibliotheken СКАЧАТЬ