Zur aktuellen Diskussion um Fachkräftemangel: Warum finden manche Firmen keine Mitarbeiter?
// Von Dirk Ohlmeier
Das Thema Fachkräftemangel sorgt für rege Diskussionen – nicht zuletzt auch durch das Buch von Martin Gaedt, der ein differenziertes Bild des Themas zeichnet: Haben wir am Ende vielleicht gar keinen Fachkräftemangel?
Stellen, die seit sechs Monaten vakant sind
Für jedes Unternehmen, das händeringend nach passenden Mitarbeitern sucht, muss diese Frage klingen wie Hohn. Aber vielleicht geht es ihnen ja ähnlich wie einem unserer Kunden:
Wir wurden von einem mittelständischen Unternehmen beauftragt, einen Leiter Projektmanagement zu rekrutieren. Das Unternehmen selbst hatte die Vakanz bereits sechs Monaten ausgeschrieben, allerdings kaum Bewerbungen erhalten und die Bewerbungen, die eingegangen sind, entsprachen nicht den Vorstellungen der Fachabteilung.
Die speziellen Herausforderungen mittelständischer Unternehmen
Erwähnt werden sollte, dass der Klient vor einigen Herausforderungen steht, die viele insbesondere mittelständische Unternehmen haben:
Das Unternehmen ist Marktführer in seinem Segment, auf dem Bewerbermarkt allerdings relativ unbekannt.
Der Standort des Unternehmens liegt in einer, besonders für junge Kandidaten, nicht attraktiver Region.
Die monetären Rahmenbedingungen der Vakanz sind im Vergleich zu anderen Unternehmen nicht besonders überzeugend, da sich die Rahmenbedingungen am Standort und am aktuellen Gehaltsniveau des Teams orientierten.
Wenn wichtige Informationen fehlen
Direkt zu Beginn wurde ein weiteres Problem deutlich. Im Telefongespräch mit dem Personalleiter wurde schnell klar, dass relevante Informationen zu der Position fehlen. Beim Klärungstermin vor Ort mit der Fachabteilung und Personalabteilung erlebten wir, was wir auch aus einer Vielzahl anderer Prozesse kennen:
Nämlich dass die Fachabteilung ein breites Anforderungsprofil an die Position stellt und dieses dann bis zur Stellenbeschreibung auf eine Schlagwortliste reduziert wird, wodurch wichtige Punkte verloren gehen oder an Bedeutung verlieren.
Eine Stunde Zeit am Anfang spart 10 Stunden im Prozess
Erst im gemeinsamen Gespräch mit allen Verantwortlichen konnten das Profil, die Zielrichtung und die menschlichen Faktoren eindeutig geklärt werden. Nur so kann ein komplettes und realistisches Bild an den Bewerber vermittelt werden. Leider nimmt sich nicht jedes Unternehmen die Zeit für ein solches Gespräch. Dabei sollte eine gute Suche immer mit einer umfangreichen Aufnahme beginnen.
Insbesondere, weil wir immer wieder erleben, dass Personalberater erst von Unternehmen beauftragt werden, wenn die jeweiligen Vakanzen seit mehreren Monaten nicht besetzt werden konnten. Dies führt dazu, dass der Druck der Fachabteilung, die Position schnell mit Kandidaten zu besetzen, enorm groß ist. Eine Stunde Zeit am Anfang spart 10 Stunden im Prozess.
Wenn Entscheidungen sich verzögern
Als wir durch eine breit angelegte Suche und direkte Kontakte innerhalb von vier Wochen die ersten qualifizierten Kandidaten präsentierten, mussten wir feststellen, dass andere Prioritäten aktuell wichtiger waren und ein Feedback seitens der Entscheider Wochen auf sich warten ließ.
Die dann anschließenden Bewerbungsgespräche sollten sich ebenfalls um drei Wochen später verspäten. Zu diesem Zeitpunkt standen dem Unternehmen von den möglichen fünf Kandidaten nur noch zwei zur Verfügung.
Was qualifizierte Kandidaten abschreckt
Die anderen qualifizierten Kandidaten hatten in der Zwischenzeit einen Arbeitsvertrag bei anderen Unternehmen unterschrieben. Zwar konnte einer der verbleibenden Kandidaten für die Position gewonnen werden, aber die Frage, ob Prozesse so langwierig sein müssen, bleibt bestehen.
Manchen Unternehmen fällt es schwer, vakante Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen – nicht immer ist der Fachkräftemangel schuld. 5 Tipps, was Sie als Unternehmen tun können, um für Bewerber sexier zu werden:
1. Sex Sells!
Wie viel Sex-Appeal hat der Job? Der Spannungsbogen liegt zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Streuen Sie keine Erwartungen, die nicht gehalten werden können. Die Enttäuschung darüber, wenn die Stellenanzeige vom wirklichen Tagesgeschäft zu sehr abweicht, kann kaum aufgefangen werden.
Tipp: Aber stellen Sie auch keine abschreckenden Anforderungskataloge auf. Wir erleben immer wieder, dass es die Extremen sind, die dominieren. – Gestalten Sie eine gesunde Mischung. Betrachten Sie den Job von außen und arbeiten Sie heraus, was die Position attraktiv macht.
2. Qualität entsteht durch Abstimmung
Anforderungsprofile, die nicht aktuell sind, die nicht marktkonform sind, die nicht zwischen Fach- und Personalabteilung abgestimmt worden sind, kosten wichtige Zeit.
Tipp: Nehmen Sie sich die Zeit und setzen Sie sich vor der Veröffentlichung von Stellenausschreibungen mit dem Fachabteilungsleiter und ggf. mit den jeweiligen Teammitgliedern zusammen, um die fachlichen und vor allem die menschlichen Anforderungen an den Kandidaten abzuklären. Machen Sie sich aber auch ein Bild von den aktuellen Marktbedingungen.
3. Struktur sichert Ihren Rekrutierungsprozess
Fehlende Zeitplanung und fehlende Strukturen im Rekrutierungsprozess führen nicht nur dazu, dass Bewerber, noch nicht einmal durch automatisierte Emails, über den Erhalt ihrer Bewerbung informiert werden. Sondern auch dazu, dass Bewerber aufgrund zu langer Rückmeldezeiten, erst nach Wochen erfahren, ob Sie im Rekrutierungsprozess einen Schritt weiter sind.
Nach dieser Zeit lassen die Bewerbungsgespräche häufig noch länger auf sich warten. Qualifizierte Mitarbeiter, die aktiv auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen oftmals bis dahin nicht mehr zu Verfügung.
Tipp: Implementieren Sie einen Rekrutierungsprozess mit klar definierten Zeitpunkten, die sowohl Rückmeldungen, Termine für die nächsten Prozessschritte, als auch Fristen für einen Plan B beinhalten, wenn die Vakanz nicht vom Unternehmen selbst besetzt werden kann, um finanziellen Auswirkungen vorzugreifen.
4. Rekrutierungsmaßstäbe überdenken
Viele Unternehmen gehen an qualifizierte Kandidaten vorbei, weil Flüchtigkeitsfehler im Lebenslauf gefunden werden, weil das Foto schlecht gemacht wurde oder weil der rote Faden nicht sofort eindeutig erkennbar ist.
Erschreckend, wenn man bedenkt, dass viele dieser Punkte durch ein kurzes Telefonat ausgeräumt werden können.
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