Название: 1000 Seiten Krimi Spannung - Acht Top Thriller
Автор: Pete Hackett
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783745200065
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Mein Gott, Michi! Für das -ael wäre nun wirklich noch Zeit genug gewesen. Aber Christine konnte sich den Michi einfach nicht abgewöhnen. Es hatte mich schon damals genervt, als wir noch zusammen in einer Beziehungskiste gesteckt hatten, die dann irgendwann den Weg alles Sterblichen gegangen war.
Asche zu Asche, Staub zu Staub.
Woran hatte es gelegen? Daran, dass sie es nicht lassen konnte, mich Michi zu nennen?
Nein, wohl kaum.
Eher schon an dem grauenhaften Kaffee aus Nicaragua, den ich in unserer gemeinsamen Zeit immer hatte trinken müssen. Aus Solidarität.
Am Ende war die Solidarität zu meinen Geschmacksnerven allerdings doch stärker gewesen als die zum Volk von Nicaragua.
Aber, was soll's!
Die Asche dieser von Anfang an wohl etwas morschen Kiste ruhte in Frieden. Wir waren Freunde geblieben, oder sollte ich richtigerweise vielleicht besser sagen geworden? Jedenfalls verstanden wir uns hervorragend, seit wir nicht mehr zusammen waren.
Kaffee aus Nicaragua hatte ich danach nie wieder angerührt und um jeden Dritte-Welt-Laden einen meilenweiten Bogen gemacht.
Aber der Michi war geblieben.
Wie würde ein Mann vom rhetorischen Schlag eines OB Dr. Werneck doch gleich dazu sagen? Ein Stück Kontinuität ...
Ich lächelte.
Und dieses Lächeln war vermutlich ein klein wenig gezwungener, als ihm gut tat. Wahrscheinlich hatte ich in diesem Punkt jetzt eine fatale Ähnlichkeit zu Oberkrampfmeister Dr. Werneck, doch zum Glück war kein Spiegel in der Nähe, so dass mir dieser Anblick erspart blieb.
Christine runzelte die Stirn, als sie mir die Hand drückte.
Ich sagte: "Auf so eine Chance hast du immer gewartet, nicht wahr, Christine?"
"Ja, Michi!"
Sie nickte und schwenkte dabei ihr Sektglas so schwungvoll zur Seite, dass mindestens ein Drittel des Inhalts zu Boden ging.
Aber so war sie nun einmal.
Auf der nächsten Demo würde sie sicher mitmarschieren und sich für die Rechte von Minderheiten und sozial Unterprivilegierten einsetzen. Und hier und jetzt sorgte sie schon einmal dafür, dass für die türkischen Putzfrauen − sorry, Raumpflegerinnen natürlich − auch in Zukunft noch genug Arbeit blieb.
So lobe ich mir eine politisch engagierte Künstlerin! Ein ABM-Programm aus dem eigenen, ohnehin nur gerade noch halbvollen Glas!
Nobel, nobel!
Sie lachte und zeigte dabei ihre zwei Reihen makelloser und mit Zahnweiß auf Hochglanz polierter Zähne. Sie schien mir ziemlich aufgedreht zu sein, und ich verstand sie nur allzu gut.
Sie hatte allen Grund, sich großartig zu fühlen.
Sie kam näher zu mir heran, und ich befürchtete schon, dass sie mir mein gutes Sakko beplempern würde, aber ich hatte Glück. Christine bekleckerte erst einmal sich selbst. Dann machte sie mich auf einen windigen Jüngling mit strähnigen hellblonden Haaren aufmerksam, der gerade ein Foto von Dr. Werneck machte.
"Der kommt von der Zeitung!", meinte Christine.
"Vom Lokalteil?"
"Nein, vom Feuilleton!"
Wahrscheinlich ein Volontär, dachte ich mir. Und wahrscheinlich doch von der Lokalredaktion − ganz gleich, was er vielleicht herumerzählt hatte, um sich wichtig zu machen. Weshalb sollte er sonst ein Foto vom OB schießen?
Hier in der Gegend war Dr. Werneck ja vielleicht eine große Nummer, aber nationwide war er natürlich bedeutungslos.
Doch ich behielt meine Gedanken für mich. Ich wollte Christine schließlich nicht die Freude verderben.
"Wir haben uns 'ne Weile nicht gesehen", meinte sie.
"Stimmt", nickte ich und grinste. "Und? Wie geht's mit der brotlosen Kunst?"
"Sie ist nicht mehr ganz so brotlos. Aber berückend ist es auch nicht."
"So heißt du also immer noch nicht van Gogh oder Picasso?"
"Ich wäre schon zufrieden, wenn ich Immendorf oder Penck hieße!"
Wir lachten beide. Und dann stießen wir unsere Gläser an.
"Und du?", fragte sie.
"Was ist mit mir?"
"Heißt du inzwischen Konsalik oder Stephen King?"
"Nein, immer noch Mike Hell."
Sie ahmte mit der freien Hand einen Revolver nach. "Peng!"
Wir lachten erneut, und in dem Moment wusste ich, dass es wirklich eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen.
"Was ist mit deinem großen deutschen Gesellschaftsroman?", fragte sie dann nicht ohne Ironie.
"Der? Der ist noch immer nicht über Seite fünfundvierzig hinaus. Und diese fünfundvierzig Seiten mag ich inzwischen nicht mehr."
"So bist du also ein geldgieriger Kommerzschreiber und Zeilenschinder geblieben!"
"So ist es."
"Ich wusste nicht, dass es überhaupt noch jemanden gibt, der Western kauft!"
"Och, ein paar hunderttausend sind es immer noch. Aber sie werden weniger, da hast du Recht. Über kurz oder lang werde ich mich in etwas anderes hineinarbeiten müssen."
"Und woran dachtest du da?"
"Bergromane zum Beispiel."
Ich hatte das ganz cool dahergesagt und dann ihre Reaktion abgewartet. Und die kam auch prompt. Ihre Augen quollen hervor und sie sah mich an, als sei ich ein Alien aus den Tiefen des Weltraums. Ich genoss diesen raren Augenblick, denn es ist gar nicht so einfach, jemanden in echtes Erstaunen zu versetzen, der selbst schon so schrill wie Christine ist.
Sie fragte: "Bergromane? Habe ich das richtig verstanden?"
"Ja, Bergromane, das hast du richtig verstanden."
"Aber, wenn Western out sind, dann sind Bergromane doch mindestens MEGAout!"
"Falsch. Bergromane sind MEGAin."
"Hätte ich nicht gedacht."
"Sozusagen der MEGAhit. Liebe und Schicksal vor dem Hintergrund einer ungezähmten Bergwelt, Menschen, die in ihrer Heimat fest verwurzelt sind. Darauf fahren die Leute regelrecht ab. Vor allem in den so genannten neuen Bundesländern!"
"Ich werd' verrückt! Ein norddeutscher Protestant schreibt über süddeutsche Katholiken ..."
"... für Atheisten aus dem flachen Mecklenburg."
"Verrückt!"
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