Название: Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745205053
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"Im Moment geht es eher darum, ob SIE sich erinnern", sagte Lorant und deutete dabei auf das Bild.
Der Stiernackige schüttelte den Kopf. "Mann, hatten Sie 'ne Scheiß-Laune damals! Eigentlich könnten Sie sich mal deswegen entschuldigen. Wenn man Ihresgleichen mal anpflaumt, heißt das gleich Beamtenbeleidigung, aber wenn..."
Er war einfach nicht zu belehren.
Erinnerung ist eben was sehr subjektives, dachte Lorant und sagte laut: "Entschuldigung!" Endlich stoppte jetzt der Redeschwall des Stiernackigen, und er wandte seine Aufmerksamkeit dem Bild zu.
"Na?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nö."
"Nie gesehen? Sehen Sie genau hin."
"Nö, den kenn' ich nicht."
Jetzt mischte sich der Rotnasige ein und kehrte zum Tresen zurück. "Darf ich auch mal?"
Lorant musterte ihn.
Das Musterbild eines überzeugenden Augenzeugen, wie ihn jeder Polizist und jedes Gericht gerne sah, dachte Lorant mit einer guten Portion Sarkasmus. Er holte trotzdem eine weitere Kopie des Fotos hervor und reichte sie dem Mann.
"Halten Sie mal!", erwiderte dieser und Lorant musste ihm seine Plastiktasche mit den Flaschen halten.
Immerhin, wenn er dieses Gewicht noch tragen kann, wird er wohl nüchtern sein!, dachte Lorant. Er hoffte es zumindest.
Der Rotnasige runzelte die Stirn.
"Doch, den habe ich gesehen. Ist schon 'ne Weile her, aber ich habe ihn gesehen. Er stand dahinten bei dem Hamburger-Automaten und kam damit nicht zurecht. Und der Mariacron steht genau in dem Regal daneben. Ich konnte aber nicht dran, bis er fertig war."
"Muss ja schrecklich für dich gewesen sein!", warf der Stiernackige dazwischen.
Aber der Kerl mit der roten Nase ließ sich glücklicherweise nicht ablenken.
"Da kam so ein Typ, der ihn beim Namen nannte."
"Haben Sie den Namen behalten."
"Nein, keine Ahnung, wie der hieß. Ich weiß nur, dass der Mann auf dem Foto sich umdrehte und ziemlich überrascht war."
"Und der Typ, der ihn angesprochen hat? Erinnern Sie sich an den?"
"Ja sicher. Der war an den Armen tätowiert. Und außerdem sagte er dauernd 'woll'. Nach jedem Satz. Ziemlich blöd klingt das. Aber wahrscheinlich ist er mir deswegen in Erinnerung blieben..."
"Was Sie nicht sagen..."
––––––––
37.
Als Lorant das Lokal von Beate Jakobs betrat, waren nur ein paar Kinder dort, die ein Eis haben wollten. Das schlechte Wetter störte sie nicht dabei. Sie wollten trotzdem Eis essen. Beate Jakobs kramte geduldig in der Tiefkühltruhe herum, bis die Kleinen das Richtige gefunden hatten. Das Bezahlen gestaltete sich auch ziemlich umständlich.
"Ah, ich komme mit dem neuen Euro-Geld einfach noch nicht richtig zurecht!", meinte die alte Dame, nachdem die Kinder gegangen waren und sie sich Lorant zuwandte.
"Naja, hoffen wir, dass es fürs Erste die letzte Währungsreform ist!"
"Ja, da sagen Sie was!"
"Frau Jakobs, ich muss Sie sprechen."
"Kartoffelsalat mit Bockwurst ist jetzt alle! Aber Koteletts habe ich!"
Lorant schüttelte den Kopf. "Es geht um Ihren Gast, diesen Tätowierten."
"Herrn Kaminski?"
"Ja."
"Was ist mit ihm?"
"Seit wann ist er hier?"
"Oh, schon lange. Sechs Wochen glaube ich."
"Hat der so lange Urlaub?"
"Na, der redet nicht viel. Jedenfalls nicht mit mir."
"Tja, mit mir leider auch nicht."
"Warum fragen Sie mich das alles?"
"Nur so."
"Wissen Sie, wo sie das gerade sagen. Dieser Herr Kaminski kam mir von Anfang an bekannt vor. Die ganze Zeit habe ich überlegt: Jau, den Mann hast du doch schon mal gesehen. Und wissen Sie wat? Gestern sitze ich da und schaue mir Fotoalben von früher an. Und da sehe ich plötzlich, woher er mir bekannt vorkam. Er sah genau so aus wie der Mann meiner jüngeren Schwester, als der in demselben Alter war. Von seiner Rente hat der ja auch nicht mehr viel gehabt, der Willi. Zwanzig Jahre ist der mindestens schon tot. Aber diese Ähnlichkeit mit diesem Kaminski... "
"Ja, ja..."
"Das war neulich auch das Thema in der Sendung von Pastor Fliege: Doppelgänger! Nicht verwandt und doch das gleiche Gesicht."
Immerhin wusste Lorant nun, dass der Tätowierte -—Kaminski -—lange genug in der Gegend gewesen war, um für alle Morde als Täter in Frage zu kommen.
"Ich gehe aufs Zimmer und hau mich ein bisschen aufs Ohr", sagte Lorant.
"Ja, wie Sie wollen, Herr Lorant!"
Lorant ging die Treppe hinauf.
Kaminskis Zimmer lag am Ende des Flurs. Jedenfalls vermutete Lorant das, denn er hatte ihn einmal dort hineingehen sehen. Als Lorant vor der Tür stand, holte er ein Nageletui hervor. Er hatte sich ein spezielles Set zum Öffnen von Türen angelegt. Im nächsten Moment konnte er das Zimmer betreten. Mit der Aussage eines notorischen Säufers würde er diesen Mörder kaum überführen können. Da musste er schon etwas mehr auf den Schreibtisch von Kriminalhauptkommissar Meinert Steen legen, wenn er sich nicht einfach nur lächerlich machen wollte.
Lorant ließ den Blick schweifen.
Von Ordnung hielt Kaminski augenscheinlich nicht viel. Überall lagen T-Shirts und andere Kleidungsstücke herum. Auf dem Tisch standen mehrere Bierdosen.
Lorant wandte sich dem Schrank zu und öffnete ihn. Der Koffer fiel ihm fast entgegen. Lorant nahm ihn, legte ihn aufs Bett und öffnete ihn. Kleidungsstücke waren ohne jede Ordnung hineingepresst worden, so dass der Koffer nicht zu schließen war. Aber Lorant fand auch noch etwas anderes.
Ein gepolstertes Kuvert. Es war unverschlossen. Lorant schüttete den Inhalt auf den Tisch. Es handelte sich um Zeitungsausschnitte. SCHWERER UNFALL BEIM BOßELN, lautete eine der Überschriften. MOTORRADFAHRER VERUNGLÜCKT, hieß eine andere Headline. Lorant las weiter: 'Am Samstag kam es zu einem schweren Unfall, als ein 28jähriger Motorradfahrer СКАЧАТЬ