Eine Liebe - ein ganzes Leben lang: Roman um ein Nachkriegs-Schicksal. Glenn Stirling
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СКАЧАТЬ Stalag kommen Ami-Sanis hierher. Viel Vergnügen. Dir kann ja nichts mehr passieren, Schwester, wenn wir den Krieg verlieren.“

      Renate achtete nicht auf Willy. Sie blickte nur in Frederic Doyles Gesicht. Er schien verstanden zu haben, was Willy gesagt hatte. Sie hätte nicht sagen können, wieso sie das glaubte, aber es kam ihr so vor.

      Willy war mit dem Beschriften fertig und lehnte sich an den Nachttisch. „Wenn ich dir ’nen Rat geben kann, Schwester, dann halte dich gut mit denen hier. Die gewinnen diesen verdammten Krieg. Na, wer weiß, ob wir das noch erleben. Ich muss zum OP, sind noch drei von unseren dort.“ Er schlurfte zu den Kanadiern hinüber. „Eh, nix Red-Cross-Paket?“

      „Lass ihnen doch ihre paar Zigaretten!“, sagte Renate scharf.

      „Drei Sondermischung für eine Navycut“, feilschte Willy mit dem Kanadier.

      Renate gab dem Captain zu trinken. Er konnte sich dabei nicht aufrichten, und im Liegen war er sehr ungeschickt dabei. Ein Teil des Tees war danebengegangen.

      Dann ging das Licht aus. Sie musste zur Stationsküche, eine Kerze holen.

      Im zweiten Zimmer, das sie zu betreuen hatte, musste einem Verletzten eine Spritze gesetzt werden. Und so ging es die ganze Nacht durch. Kurz vor neun gingen die Ärzte Visite. Auch jetzt hatte Renate kaum Zeit, und als kurz vor zehn die Ablösung kam, war sie hundemüde. Erschöpft wankte sie zu ihrem Zimmer im Obergeschoss.

      Lisbeth Zenker zog sich gerade an. Sie hatte heute ihren freien Tag. Wie auch Renate, war sie Medizinstudentin gewesen, bevor man sie als Schwester dienstverpflichtete. Lisbeth war fünfundzwanzig Jahre alt, damit etwas älter als Renate, und auch sonst wusste sie entschieden mehr vom Leben ... und von den Männern.

      „Hallo, da kommt mein Füllen! Der Professor sagte, bei dir wäre Hochbetrieb. Was sind das für Jungen?“, rief Lisbeth und fuhr sich mit den Fingern durch ihre dunkle Haarfülle.

      „Amerikaner.“

      Lisbeth machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das interessiert mich überhaupt nicht. Amerikaner! Ich will wissen, ob sie nett sind oder doof oder was sonst.“

      Renate lächelte. „Wie sie eben sind. Ich habe wenig Zeit gehabt, ihr Seelenleben zu erforschen.“

      „Wozu sprichst du so gut Englisch? Sollst doch einen mit Rückgratverletzung haben. Die OP-Schwester meinte, er wäre hoffnungslos verloren.“

      „Ich weiß nicht“, erwiderte Renate. Sie ließ sich auf dem Bett nieder und wischte sich über die Stirn. Es ist furchtbar, dachte sie. Ich bin schon so abgebrüht, kein Schicksal kann mich noch bewegen, nichts interessiert mich wirklich.

      „Der Krieg ist bald aus“, meinte Lisbeth. Sie gähnte und streckte die Arme zur Decke. „Möchte nur wissen, was dann wird.“

      „Was soll werden? Die Verwundeten werden nicht so schnell gesund, wenn der Krieg aus ist“, sagte Renate. „Ich weiß nur das eine, Lisbeth. An dem Tag, da ich nicht mehr hier sein muss, wird mein Glückstag sein.“

      „Du komische Heilige. Man muss das Leben genießen, auch in schlechten Zeiten oder gerade dann. Schaff dir einen Freund an, dann wirst du nicht so trübsinnig herumschleichen! Der Unterarzt von deiner Station, wie heißt er gleich?“

      „Doktor von Eberingen?“

      Lisbeth lachte. „Richtig, das wär’n Mann für dich. Hübsch ist er nicht gerade, aber sonst hat er doch alles, was’n Mann haben muss. Und spendabel ist er auch.“

      „Ich habe andere Interessen, als Männer zu begutachten“, erwiderte Renate und legte sich aufs Bett. „Zum Heiraten ist noch Zeit.“

      „Heiraten? Man muss doch nicht gleich die Kuh kaufen, wenn man einen Liter Milch haben will. Du, Renate, hör zu! Ich war vorige Woche mit Klein aus.“ Sie setzte sich auf Renates Bettrand und erklärte geheimnisvoll: „Weißt du, wo wir waren? Errätst du mit deiner mangelhaften Fantasie niemals. Im 'Krokodil'! Füllen, das war eine Wolke, sag’ ich dir. Klein kannte den Inhaber, und wir bekamen ein paar Flaschen Wein hintenherum. Zum Glück ging mal wieder das Licht aus, und wir saßen bei Kerzenlicht. Romantisch, sag’ ich dir. Er hatte eine Art zu küssen, Füllen, na ja, davon verstehst du nichts. Jedenfalls hat er mir versprochen, mit mir heute einen Ausflug zu machen. In seinem Dienstwagen.“

      „Hoffentlich erwischt euch der schwarze Mann.“

      „Unsinn, mein Peterchen hat alle Papiere. Der riskiert immer was. Das ist ein Kerl, sag’ ich dir. Hach, so’n Mann lässt einen diesen ganzen Karbolstall hier vergessen. Weißt du, früher hatte ich immer richtige Scheu vor den Männern, aber die sind ganz harmlos, das habe ich inzwischen festgestellt. Man muss sie nur richtig anfassen und ihnen nicht zu viel Mut machen ...“

      Was Lisbeth noch erzählte, hörte Renate nicht mehr. Sie war eingeschlafen.

      Sie träumte. Und in diesen Träumen sah sie Lisbeth in Dr. Kleins Armen, dann wieder fand sie sich in Dr. von Eberingens Gesellschaft. Dazwischen geisterte immer wieder das Gesicht des schwer verwundeten Amerikaners. Der griff nach ihr und schüttelte sie.

      Erschrocken wachte sie auf. Über sie beugte sich die Aufsichtsschwester, eine ältere Frau mit grauen Haarsträhnen.

      „Endlich wachen Sie auf! Fliegeralarm! Mein Gott, Sie liegen ja wie tot hier! Schnell, wir müssen in den Keller!“

      Renate lebte wie auf einer Insel. Um sie herum brandete das Leben, der Krieg, das Leid, der Tod. Sie wandelte wie im Traum. Sie lächelte mechanisch, sprach wie eingelernt tröstende Worte - auf Deutsch, auf Englisch. Sie hörte sich an, was ihr die Verwundeten erzählten, und immer fand sie ein nettes Wort. Aber sie empfand nicht viel dabei.

      Der Amerikaner Doyle sprach kaum. Sie ertappte sich dabei, dass sie länger an seinem Bett stand, ihn umsorgte, wie sie es in diesem Maße sonst nicht tat. Aber er zeigte mit keiner Regung, ob ihm das behagte oder nicht.

      Einer der Kanadier sprach ein wenig deutsch. „Schwester“, sagte er, „der Captain sturer Hund, verstehn. Hier oben krank, verstehn!“ Er tippte an die Stirn. „Er hängen zwei Tage in elektrischen Drähten, versteh’n?“

      Sie begriff nicht, was der Kanadier meinte. „Seid lieber nett zu ihm, er ist sehr krank!“, ermahnte sie den Kanadier auf Deutsch.

      „Der bald kaputt“, erwiderte der Kanadier. „Ich gut verstehn, was Doktor Rochlitz sagen.“

      „Das hast du falsch verstanden“, erwiderte sie und musterte die Krankenkarte Doyles. Als sie aufsah, begegnete ihr Blick dem seinen.

      „Schwester“, sagte er leise, und er sagte es auf Deutsch. Sie bemerkte das gar nicht. „Schwester, glauben Sie es auch?“

      Sie trat neben sein Bett und ergriff seine Hand. „Nein, ich glaube es nicht. Professor Doktor Rochlitz ist ein Pessimist, aber ein sehr guter Chirurg. Er wird Sie durchbringen.“

      „Wann wird er operieren?“, fragte er, und seine Stimme klang rau und belegt. Sein Akzent hob das besonders hervor. Jetzt erst bemerkte sie, dass er deutsch gesprochen hatte.

      „Ich weiß es nicht, aber er wird wissen, wann es richtig ist. Sie sind noch sehr schwach.“

      Er СКАЧАТЬ