Voll super, Helden (1). Einer muss den Job ja machen. Rüdiger Bertram
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Voll super, Helden (1). Einer muss den Job ja machen - Rüdiger Bertram страница 3

СКАЧАТЬ was die alte Dame ihr erzählt hatte. Aber dazu war ich einfach zu perplex, weil sie so unverschämt war. Außerdem passierte genau in diesem Augenblick etwas Seltsames. Ein silberner Zug raste an uns vorbei. Viel schneller als normale ICEs oder andere Schnellzüge. Schneller als jeder Zug, den ich je gesehen hatte. Die Scheiben klirrten und unser Wagen wurde so kräftig durchgeschüttelt, dass mir die Luft wegblieb. Aber nur ganz kurz, dann war es auch schon wieder vorbei und von dem silbernen Blitz war nichts mehr zu sehen.

      »Was war das gerade?«, fragte ich verwundert.

      »Was?«, fragte Jenny zurück.

      »Na das, was da gerade in einem irren Tempo an uns vorbeigerast ist!«

      »Irgendein Schnellzug, was sonst?!«, schmatzte Jenny, weil sie sich die Schokolade in den Mund geschoben hatte. Den ganzen Riegel auf einmal.

      »Hier fahren keine Schnellzüge«, erwiderte ich. »Das ist eine Regionalstrecke. Dafür sind die Gleise hier gar nicht geeignet. Außerdem war der schneller als ein Schnellzug, das war eher so eine Art Rakete auf Schienen.«

      Jenny zuckte nur mit den Schultern, weil sie der silberne Blitz nicht weiter zu interessieren schien. Stattdessen griff sie ein zweites Mal nach meiner Schokolade.

      »Hey! Die gehört mir!«, rief ich.

      »Stimmt«, sagte Jenny. »Du und ich, wir zwei haben echt eine Menge gemeinsam.«

      »Wir? Was denn?«, fragte ich.

      »Wir sind mit dem Zug unterwegs ans Meer und mögen beide Zartbitterschokolade. Hast du noch mehr davon? Ich habe schon lange keine mehr gegessen.«

      Ich schüttelte den Kopf und schaute aus dem Fenster, um mich nicht weiter mit ihr unterhalten zu müssen. Das Mädchen war mir unheimlich, weil sie überhaupt keine Hemmungen zu kennen schien. Draußen vor der Scheibe flogen Bäume, Felder und Bauernhöfe an uns vorbei. Immer nur Bäume, Felder und Bauernhöfe und das war furchtbar langweilig. Ich tat trotzdem so, als wenn ich noch nie etwas Spannenderes gesehen hätte, und hoffte, dass wenigstens der silberne Raketenzug noch einmal auftauchen würde. Aber das tat er nicht. Ich konnte nicht mal das Meer sehen und so zogen sich die letzten Kilometer meiner Reise wie ein alter Kaugummi, der einem an einem heißen Sommertag unter der Schuhsohle klebt.

      Wetten dass …

      »Was hast du denn vor?«, fragte ich, als sich Jenny ihren Rucksack schnappte.

      Ich stand mit meinem Koffer bereits im Gang, weil ich gleich aussteigen musste. Seit der Abfahrt hatte ich alle Haltestellen gezählt und die nächste war die fünfzehnte. Genau da musste ich raus.

      »Aussteigen«, antwortete Jenny.

      »Hier?«

      »Was dagegen?«, fragte Jenny zurück.

      »Nein, natürlich nicht! Aber das ist doch ein Wahnsinnszufall, dass wir beide am selben Bahnhof rausmüssen.«

      Jenny zuckte nur die Schultern. Seit meine Schokolade alle war, hatte ihr Interesse an mir spürbar nachgelassen. Die ganze Fahrt über war sie damit beschäftigt gewesen, irgendwelche Nachrichten auf ihrem Handy zu tippen. Ich hatte unauffällig versucht, herauszufinden, was und an wen sie schrieb. Einmal hatte sie mich erwischt und mich mit ihrem stechenden Kobrablick angesehen. Da hatte ich schnell wieder aus dem Fenster geschaut.

      Als der Zug zum Stehen kam, waren Jenny und ich die Einzigen, die ausstiegen. Das Bahnhofsgebäude stand mitten im Nirgendwo. Der kleine Ort, der dazugehörte, musste irgendwo weit weg an der Straße liegen, die von den Gleisen wegführte. Meine Eltern hatten mir gesagt, dass mein Onkel jemanden schicken würde, um mich hier abzuholen. Aber es war keiner da und auch auf dem Parkplatz neben den Gleisen wartete niemand auf mich.

      »Ja, tschüss dann. War nett, dich kennengelernt zu haben«, schwindelte ich. »Du musst ja bestimmt noch weiter.«

      Jenny nickte nur und sah sich suchend um.

      »Ich werde abgeholt«, fuhr ich fort.

      »Ich auch«, sagte Jenny.

      »Du auch?«

      »Ist das so ungewöhnlich?! Wie soll man denn sonst hier wegkommen? Hier fährt der Bus doch bestimmt nur einmal die Woche, wenn überhaupt.«

      Ich hätte jetzt gerne mein Handy gehabt, um meine Eltern zu fragen, was ich machen sollte. Doch das war ja kaputt und Jenny nach ihrem zu fragen, traute ich mich nicht. Stattdessen ging ich zum Bahnhofsgebäude und rüttelte an der Tür, aber die war verschlossen. Ich schaute durch ein Fenster hinein. Auf dem Boden lag Müll und die Scheiben der alten Fahrkartenschalter waren alle eingeschlagen.

      »Weißt du, wie weit es bis zum nächsten Ort ist?«, fragte ich.

      »Zehn Kilometer«, antwortete Jenny.

      »Bist du von hier?!«

      »Nee, aber steht doch da vorne.« Jenny zeigte auf ein Schild, auf dem der Name des Ortes und die Entfernung standen. »Wetten, ich werde als Erste abgeholt? Um eine Tafel Zartbitterschokolade?«

      »Ich habe keine mehr, weil du meine Tafel schon aufgefuttert hast.«

      »Mannomann, bist du vielleicht nachtragend.« Jenny ging zu einem Süßigkeitenautomaten, der auf dem verlassenen Bahnsteig stand. »Hier kannst du bestimmt eine neue Tafel kaufen. Damit bezahlst du dann einfach deine Wettschulden.«

      »Ich habe doch gar nicht verloren, ich habe noch nicht mal mit dir gewettet!«, rief ich ihr nach.

      »Das ist ja mal wieder typisch.« Jenny betrachtete das Angebot hinter der Scheibe. »Hier kriegt man Kaugummis, Bonbons und Chips, aber keine Schokolade. Nicht mal einen Schokoriegel. Alles alle. Egal, gebe ich dir einfach meine Adresse, dann schickst du mir die Tafel per Post. Wettschulden sind Ehrenschulden.«

      »Ich habe nicht gewettet!«, wiederholte ich sauer.

      Jenny achtete nicht auf mich, sondern hämmerte mit ihrer Faust so lange gegen den Automaten, bis eine Packung Kaugummi in den Ausgabeschacht fiel. Sie griff hinter die Klappe und stopfte sich einen der Kaugummis in den Mund, ohne mir auch nur einen anzubieten. Aber das hätte ich sowieso nicht angenommen, weil es geklaut war und ich noch nie was geklaut hatte. Um Jenny nicht beim Kauen zugucken zu müssen, beobachtete ich lieber die Straße. In der Ferne tauchte ein schwarzes Auto auf. Erst war er nur ein Punkt, dann wurde er immer größer und größer.

      »Das ist bestimmt für mich«, sagte ich.

      »Träum weiter, das ist mein Taxi«, erwiderte Jenny.

      Das Auto raste mit hohem Tempo heran und hielt mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz. Aus dem Wagen stieg der dickste Mann, den ich jemals gesehen hatte. Ganz offensichtlich hatte er Schwierigkeiten, seinen dicken Bauch zu befreien, der hinter dem Steuer eingeklemmt war. Als es ihm endlich gelungen war, kam er gut gelaunt auf uns zu.

      »Herzlich willkommen«, begrüßte er uns mit einem СКАЧАТЬ