Название: Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Автор: Jörg Olbrich
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Историческая литература
Серия: Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
isbn: 9783862825301
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»Ihr wisst genauso gut wie ich, dass mir dies im Moment nicht möglich ist«, beantwortete der König die Frage des Kardinals. »Meine Krönung in Ungarn steht kurz bevor. Ich kann jetzt nicht nach Prag reisen.«
»Wir werden die Stände zu Ruhe und Besonnenheit auffordern«, übernahm Kaiser Matthias das Wort. »Ich gedenke nicht, mit einer überzogenen Reaktion auf die Unruhen einen Krieg heraufzubeschwören.«
»Um den zu verhindern, ist es längst zu spät«, antwortete Ferdinand ärgerlich.
»Ihr wisst, dass sich der Kaiserhof die Kosten nicht leisten kann«, hielt Kaiser Matthias energisch dagegen.
»Die eingezogenen Güter der Rebellen werden die Unkosten für den Krieg reichlich kompensieren und der Schrecken der Hinrichtung wird die Stände zum Gehorsam bringen.« Ferdinand machte keinen Hehl daraus, dass er nicht damit einverstanden war, den Ständen in Prag ihre Rebellion ungestraft durchgehen zu lassen. Schließlich war er der König von Böhmen. Der Aufstand richtete sich damit vor allem gegen ihn.
»Die Entscheidung ist gefallen«, sagte der Kaiser. »Gebt dem Sekretär eine Unterkunft. Versorgt ihn mit Speis und Trank. Er und seine Begleiter sollen sich von der Reise erholen, bevor sie wieder in ihre Heimat zurückkehren. Ich werde ein Schreiben an die Herren in Prag verfassen. Ein Bote wird noch heute dorthin aufbrechen.«
Als Philipp Fabricius den Saal verließ, nahm sich Anton vor, unbedingt noch mit ihm zu sprechen, bevor der Sekretär aus Wien abreiste. Es konnte kein Fehler sein, wenn er den Kontakt mit seinem Kollegen aus Prag pflegte. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er dem jungen Mann noch öfters begegnen würde.
Nach dem Ende der Besprechung war Ferdinand der Erste, der aufstand und mit entschlossenen Schritten den Saal verließ. Ein Blick in sein Gesicht reichte Anton aus, um zu wissen, dass er den getroffenen Entscheidungen nicht im Geringsten zustimmte. Als König von Böhmen war er es, der von den Vorfällen in Prag am direktesten betroffen war. Als nur noch Matthias, Wilhelm und Anton im Raum anwesend waren, rief der Kaiser die beiden Schreiber zu sich.
***
»Das ist also dein neuer Schüler«, stellte Kaiser Matthias fest, nachdem Zeidler und Anton an seinem Beratungstisch Platz genommen hatten.
»So ist es, Eure Majestät. Er kommt direkt von der Universität und hat dort als Bester seines Jahrgangs abgeschlossen.«
Anton musste innerlich lächeln. Hatte ihn der Professor jetzt tatsächlich vor dem Kaiser gelobt? Das passte nicht zu den Worten, die er selbst sich einige Stunden zuvor von dem Alten hatte anhören müssen.
»Ich heiße dich in meinem Schloss willkommen, junger Freund. Halte dich stets an die Anweisungen deines Meisters und du kannst es als kaiserlicher Schreiber weit bringen.«
»Ich werde mein Bestes geben, Eure Exzellenz«, antwortete Anton verlegen. Er hätte nicht erwartet, vom Kaiser so direkt angesprochen zu werden. Es würde wohl noch einige Tage dauern, bis er sich daran gewöhnte, regelmäßig mit den höchstgestellten Persönlichkeiten des Reiches zu verkehren.
»Du kannst gleich damit beginnen«, sagte der Kaiser in freundlichem Ton. »Ich werde dir nun ein Schreiben an die Stände in Prag diktieren.«
Anton spürte Zeidlers Hand auf seiner Schulter. Er schaute seinen Lehrmeister an, der ihm aufmunternd zunickte.
»Liebe Getreue«, begann der Kaiser sein Diktat und Anton schrieb die Worte eifrig mit. »Es ist uns zu Ohren gekommen, was sich am Mittwoch nach der Kreuzwoche, am 23. Tag des Monats Mai in unserem Prager Schloss und der königlichen Residenz zugetragen hat. Die böhmische Kanzlei, in der höchste Sicherheit und Respekt herrschen sollten, wurde zum Austragungsort eines Streites, den es unbedingt niederzulegen gilt. Ich versichere, dass sowohl der Kaiserhof in Wien als auch der böhmische König den Majestätsbrief ehren und nicht beabsichtigen, den dort getroffenen Regelungen zuwiderzuhandeln. Ich ermahne die Stände in Prag, sich zum Wohle des Volkes friedlich zu verhalten und freundlich miteinander umzugehen.«
»Hast du alles notiert?«, fragte Zeidler und Anton antwortete mit einem Nicken.
»Schreib den Brief, versehe ihn mit dem kaiserlichen Siegel und überreiche ihn dem Boten.«
Zeidler gab Anton das Zeichen zum Aufstehen. Mit seiner letzten Anweisung hatte Matthias die beiden Schreiber entlassen. Die ungleichen Männer standen auf und verließen den Sitzungssaal.
Heidelberg, 02. Juni 1618
»Wir erwarten ein weiteres Kind.«
Friedrich blieb stehen und hielt seine Gemahlin Elizabeth vorsichtig am Arm fest. »Wann?«
»Ich denke, es wird schon im Herbst soweit sein.«
»Damit machst du mich zum glücklichsten Menschen in der Stadt.« Friedrich sah seiner Gemahlin strahlend in ihre dunkelbraunen Augen und strich ihr zärtlich eine ihrer lockigen Strähnen von der Schulter.
»Bist du das nicht schon?«, gab Elizabeth lachend zurück.
»Ich bin es immer, wenn wir zusammen sind.«
Friedrich nahm seine Gemahlin in den Arm und sie küssten sich innig. Mit dem vierjährigen Heinrich Friedrich und dem im Vorjahr geborenen Karl Ludwig, hatte die Ehe der beiden bereits zwei Söhne hervorgebracht. Der pfälzische Kurfürst war überglücklich, dass er jetzt bereits zum dritten Mal Vater werden sollte. Genau wie Elizabeth würde er im kommenden Jahr fünfundzwanzig werden. Sie konnten noch viele gemeinsame Kinder bekommen.
»Lass uns noch ein Stück gehen«, bat Elizabeth ihren Gatten und löste sich aus seiner Umarmung. Sie hakte sich bei ihm unter, und sie schritten langsam über den mit weißem Kies überzogenen Weg, der sie zwischen der blühenden Blumenpracht hindurchführte. Zu Ehren seiner Gemahlin hatte Friedrich neben dem Schloss den prächtigsten Garten angelegt, den man im ganzen Reich finden konnte. Auch wenn die Arbeiten des Baumeisters Salomon de Caus, den Friedrich eigens wegen dieser Anlage nach Heidelberg geholt hatte, noch nicht fertig waren, war der Garten bereits jetzt doppelt so groß wie die Fläche des gesamten Schlosses. Auf den vier Terrassen waren Statuen, Pflanzen, Blumen und Bäume in den unterschiedlichsten Farben und Größen perfekt aufeinander abgestimmt.
Die zahlreichen Gäste des Kurfürsten bewunderten die Anlage und lobten Friedrich ob seines Geschmacks. Um Elizabeth einen Ort zu bieten, an dem sie immer allein sein konnte, hatte Friedrich ihr an der Westseite des Schlosses noch einen kleineren Garten angelegt. Als einziger Eingang diente ein prächtiges Tor, welches der Kurfürst in nur einer einzigen Nacht hatte bauen lassen, um seine Gemahlin zu ihrem 19. Geburtstag zu überraschen.
Friedrich und Elizabeth genossen die gemeinsame Zeit in ihrem Garten, durch den sie fast täglich einen Spaziergang unternahmen. Gerade in der jetzigen Jahreszeit, wo alles in blühender Pracht stand, konnte die Kurfürstin nicht genug davon bekommen. Es war jetzt fünf Jahre her, dass Elizabeth nach ihrer Hochzeit von London nach Heidelberg gekommen war. In der Zwischenzeit hatte Friedrich alles unternommen, um das Schloss nach ihren Wünschen umbauen zu lassen.
Als Tochter vom englischen König Jakob I und Anna von Dänemark war Elizabeth einen hohen Lebensstandard gewohnt. Diesen wollte Friedrich seiner Gemahlin auch in der neuen Heimat bieten. Zunächst war der Londoner Adel gegen die Heirat gewesen, weil sie der Meinung waren, dass ein Kurfürst kein standesgemäßer Ehemann СКАЧАТЬ