Название: Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Автор: Jörg Olbrich
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Историческая литература
Серия: Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
isbn: 9783862825301
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Mittlerweile ging es Philipp deutlich besser. Die Prellungen an seinem Körper schmerzten noch immer, aber dies spürte er nur, wenn die Kutsche unsanft über einen Stein fuhr. Das Fieber war ebenfalls zurückgegangen. Dennoch freute er sich darauf, endlich wieder in einem Bett schlafen zu können. Um die verlorene Zeit aufzuholen, waren sie große Teile der vergangenen Nächte durchgefahren. Geschlafen hatten sie in der Kutsche und nur gehalten, damit Johann die Pferde versorgen konnte und diese sich ein paar Stunden ausruhen konnten. Unterwegs hatten sie die Tiere drei Mal gegen frische eingetauscht.
»Es wird dir in Wien gefallen. Man wird uns im Kaiserhof Unterkunft gewähren. Es wird uns an nichts fehlen.«
»Du glaubst also wirklich, dass wir im Schloss willkommen sein werden?«
»Daran musst du nicht zweifeln. Du weißt, dass ich wichtige Nachrichten für den Kaiser und König Ferdinand habe. Sie werden dankbar sein, wenn ich ihnen von den Vorfällen in Prag berichte.«
»Gilt das aber auch für mich?«
»Habe keine Sorge. Man wird dich gut behandeln. Genauso wie Johann.«
»Der Kutscher wird sicher in der Nähe der Pferde schlafen wollen.«
»Das wirst du nicht müssen«, antworte Philipp und musste lachen. Seit er Magdalena kannte, hatte er sie nie so unsicher erlebt. Der Anblick der Stadt hatte sie stärker beeindruckt, als der Sekretär erwartet hätte. Er hatte sich längst in seine Begleiterin verliebt. Allerdings war Magdalena bisher allen Bemühungen, die er um die junge Frau angestellt hatte, geschickt ausgewichen. Nach unzähligen Versuchen war es ihm aber zumindest gelungen, seine Begleiterin zur vertrauensvollen Anrede zu bewegen. Obwohl sie jetzt schon mehrere Tage gemeinsam unterwegs waren, konnte er noch immer nicht sagen, ob sie ihn nur des Geldes wegen begleitete.
»Wie lange werden wir in Wien bleiben?«
»Das kann ich dir noch nicht sagen. Ich weiß nicht, welche Aufgaben mir der Kaiser nach meinem Bericht geben wird, denke aber, dass er mich schnell wieder nach Prag zurückschicken wird.«
»Dann wirst du mir die Stadt nicht zeigen können?« Magdalena schaute Philipp sichtlich enttäuscht an.
»Ich war selbst erst einmal hier und kenne mich nicht sehr gut aus. Wir werden aber sicherlich die Zeit finden, Wien genauer zu betrachten.« Nur zu gerne würde Philipp die Gelegenheit für einen romantischen Spaziergang mit Magdalena nutzen. Er war fest entschlossen, weiter um sie zu werben. Er würde es nicht ertragen, wenn beide nach ihrer gemeinsamen Reise wieder getrennter Wege gehen würden. »Wenn du jetzt nach draußen schaust, siehst du das Schloss.«
Magdalena antworte nicht. Sie starrte wie gebannt aus dem Fenster. Philipp hätte viel darum gegeben, jetzt ihren Gesichtsausdruck sehen zu können. Im Moment konnte er sich aber leider nicht weiter um seine Begleiterin kümmern. Die Kutsche hielt auf einem Vorplatz vor dem Eingang des Schlosses an. Sofort kamen zwei Wachen auf sie zu, öffneten die Türen und forderten die Reisenden auf, auszusteigen.
»Ich muss so schnell wie möglich zum Kaiser«, erklärte Philipp mit fester Stimme.
***
Anton kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ehrfürchtig starrte er den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und Ferdinand, den König von Böhmen, an, die mit ihren jeweiligen Beratern an einem großen, ovalen Tisch saßen, der etwa zwanzig Personen Platz bot. Zeidler hatte ihm zu Beginn der Sitzung die einzelnen Namen der Anwesenden mitgeteilt. Alle hatte Anton sich jedoch nicht merken können.
Es fiel ihm schwer, sich auf die Gespräche der Adeligen zu konzentrieren und ruhig auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Alles war neu und strömte unerwartet plötzlich auf den jungen Schreiber ein, der damit gerechnet hatte, den Großteil seiner Zeit in der Bibliothek zu verbringen. Wegen seiner Unruhe fing sich Anton tadelnde Blicke seines neuen Lehrmeisters ein. Zeidler, der es gewohnt war, an den Sitzungen teilzunehmen, hockte ruhig auf dem Stuhl und machte sich ab und an Notizen. Die beiden Schreiber saßen an einem kleinen Tisch, der nahe genug bei den Adeligen stand, damit sie alles hören konnten, aber weit genug von ihnen entfernt war, um sie nicht zu stören.
Plötzlich stürmte ein Mann der kaiserlichen Wache in den Saal und richtete sofort das Wort an die Adeligen, ohne dass man ihm dieses erteilt hatte. »Draußen steht ein Philipp Fabricius aus Prag, Eure Exzellenz. Er sagt, dass er Euch dringend sprechen muss.«
»Bringt ihn herein«, befahl Kaiser Matthias ungehalten. »Ich will hören, warum uns ein Bote bei unserer Versammlung stören will. Und gnade ihm Gott, wenn es nicht wichtig ist.«
Gespannt sah Anton zu, wie ein junger Mann in den Raum geführt wurde. Diesem ging es sichtlich schlecht. Er war blass und schien Probleme beim Gehen zu haben. Außerdem hielt er den linken Arm in einer gebeugten Stellung vor dem Körper. Seine Kleidung war schmutzig. So wie er aussah, musste er in aller Eile von Prag nach Wien gereist sein.
»Mein Name ist Philipp Fabricius«, sagte der Bote, nachdem er sich verbeugt hatte und zum Sprechen aufgefordert worden war. »Ich bin Sekretär der Statthalter in der Prager Burg. Vor vier Tagen ereignete sich dort Furchtbares. Unter der Führung von Graf Matthias von Thurn wagten die Protestanten einen Aufstand. Dabei wurden die Herren Slavata und Martinitz und außerdem ich selbst aus dem Fenster der böhmischen Hofkanzlei geworfen. Wir haben mit viel Glück und unter Gottes Schutz überlebt.«
»Das ist eine Rebellion«, brauste König Ferdinand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Sein zusammengedrehter Schnauzbart zitterte dabei heftig über den sich vor Wut rötenden Wangen. »Das dürfen wir den Protestanten nicht durchgehen lassen. Wir müssen sofort einen Gegenschlag vorbereiten!«
»Noch wissen wir zu wenig«, mahnte Kardinal Klesl, der Bischof von Wien und Kanzler des Kaisers. »Wir dürfen uns kein vorschnelles Urteil bilden.«
»Berichte von Anfang an«, befahl der Kaiser und schnitt Ferdinand, der gerade gegen die Worte des Geistlichen aufbegehren wollte, mit einer herrischen Handbewegung das Wort ab.
Jetzt wird es interessant, dachte Anton. Er beobachtete, wie das Gesicht von König Ferdinand immer röter wurde. Sicherlich kochte er vor Wut. Immerhin richtete sich der Aufstand in erster Linie gegen seine Regentschaft. Würde er Matthias tatsächlich davon überzeugen können, einen Krieg gegen die protestantischen Stände zu führen?
Philipp Fabricius berichtete nun ausführlich von den Geschehnissen in der Prager Burg. Während der Kaiser eher einen gelangweilten Eindruck auf Anton machte, schien König Ferdinand seine Wut kaum noch im Zaum halten zu können. Unruhig drehte er abwechselnd an den Barthaaren an seinem Kinn und denen am Schnauzbart.
Auch den kaiserlichen Beratern war anzusehen, wie sehr sie die Worte des Sekretärs aus Prag beunruhigten. Dennoch wurde Fabricius von keinem der Anwesenden unterbrochen. Erst als er mit seinem Bericht zu Ende war, ergriff Kardinal Klesl das Wort.
»Das sind in der Tat schwerwiegende Anschuldigungen, die Ihr da gegen die protestantischen Stände erhebt.«
»Anschuldigungen?«, schrie König Ferdinand dazwischen. »Es ist doch offensichtlich, dass der Mann die Wahrheit spricht. Die Vorfälle haben tatsächlich stattgefunden. Wir müssen mit aller Entschlossenheit gegen diese Rebellion vorgehen!«
»Wir sollten den Aufstand nicht überbewerten«, entgegnete Klesl. »Die Herren in Prag werden sich schon wieder zusammenraufen.«
»Soll ich etwa zusehen, wie dieser Graf von Thurn СКАЧАТЬ