Название: Weihnachtszauber - Besinnliche Weihnachtsgedichte und -geschichten
Автор: Romana Knötig
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные стихи
isbn: 9783347139329
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Von diesem Zeitpunkt an waren die Weihnachtsmessen für Erich zu einem Pflichttermin geworden.
Er schlich unbemerkt in die Kirche und drückte sich ganz hinten in eine Ecke. Der hohe Raum war nur schwach beleuchtet, ein großer Tannenbaum neben dem Altar aufgebaut, überall roch es nach Weihrauch. Allmählich trudelten die ersten Besucher ein und eine halbe Stunde später war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt.
An Erichs freier Seite stand nun eine gut gekleidete Frau, ungefähr in seinem Alter. Sie trug einen Pelzmantel, dazu feine Handschuhe und einen modischen Hut. Ein schwerer, süßlicher Duft umhüllte sie. Bestimmt ein sündhaft teures Parfum. Erich roch seinen eigenen strengen Geruch. Er hatte heute zwar die Gelegenheit bekommen, sich zu waschen, nicht aber seine verschmutzte Kleidung. Er versuchte stillzuhalten, sich möglichst nicht zu bewegen, sodass er nicht auffiel. Doch die Frau hatte ihn längst bemerkt. Angewidert rümpfte sie die Nase und drehte sich in seine Richtung. Sie musterte ihn abschätzig von oben bis unten und verzog dabei den Mund. Erich murmelte ein leises „Tschuldigung“ und drückte sich noch fester an die Wand, um den Abstand zu ihr so groß wie möglich zu halten. Die Frau strich in heftigen Bewegungen über ihren Mantel, so, als würde Erichs Geruch daran kleben, und beugte sich dann tuschelnd zu ihrem Nachbarn. Erich verstand Wortfetzen wie „Schwein“ und „ekelhaft“ und wäre am liebsten aus der überfüllten Kirche gerannt, zurück zu seinem Plätzchen im halb abgerissenen Haus oder unter die Brücke. Er schämte sich so.
Die sonst so stimmungsvolle Atmosphäre nahm er nicht wahr, unentwegt schwirrten die Worte und abwertenden Blicke durch seinen Kopf. Wie durch einen Nebel vernahm er Pfarrer Heines Worte:
„… wir spenden nach Afrika, an Flüchtlingsorganisationen, Kinderheime, Ärzte ohne Grenzen, Nachbar in Not, usw. und versuchen damit unser Gewissen zu beruhigen. Was aber ist mit unseren Nächsten? Hilfe in materieller Form ist wichtig. Sehr sogar. Aber sollten wir nicht bei jenen anfangen, die unmittelbar in unserer Nähe sind? Spenden heißt nicht nur in die Geldtasche zu greifen! Spenden heißt auch: Interesse für den anderen zeigen, Respekt, Achtung, ein nettes Wort, eine nette Geste, ein offenes Ohr, fragen, wie es dem anderen geht…“
Und während Pfarrer Heine weitersprach und mahnte, bemerkte Erich, wie die Frau mit zögerlichen Schritten den Abstand zu ihm wieder verringerte. Zum Ende der Messe verließ sie diese eilig mit gesenktem Kopf.
Erich wartete, bis niemand mehr in der Kirche war und hängte noch gut fünfzehn Minuten dran, um sicherzugehen, dass sich auch wirklich niemand mehr im Gebäude oder außerhalb desselben befand. Als er schließlich den Ausgang erreicht hatte, stutzte er. Vor ihm stand die Frau im Pelzmantel und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen: „Frohe Weihnachten!“ Erich starrte sie verdutzt an. Dann seine Hände. Unter den Fingernägeln waren schwarze Ränder, die Handflächen bräunlich verfärbt und rau. Er hätte nach dem Besuch in der Pfarre den Friedhof besser nicht mehr aufsuchen sollen! Schnell wollte er seine Hände in den Jackentaschen verschwinden lassen, doch die Frau kam ihm zuvor. Sie packte seine Hand und schüttelte sie eifrig. „Frohe Weihnachten! Darf ich Sie noch auf einen Glühwein einladen? Meine Freunde warten schon da drüben. Bitte sagen Sie Ja!“ Erich blickte zum nahen Glühweinstand und sah mehrere Hände, die ihm entgegenwinkten, und Gesichter, die ihm zulächelten. Die Frau fasste Erichs verblüfften Blick als Zustimmung auf und nahm ihn bei der Hand. „Wie heißen Sie? …“
So standen sie noch die halbe Nacht dort, erzählten und lachten. Bis der Glühwein alle war. Von da an sollte Erich öfter Besuch in der Stadt bekommen. Es war das schönste Weihnachtsgeschenk, das er seit langem bekommen hatte: als Mensch wahrgenommen zu werden!
Weihnachten muss nicht nur am 24. Dezember sein. Wir können es jeden Tag ein kleines Stück leben.
Weihnachtszauber
Es gibt einen Zauber,
ich kanns nicht erklärn,
er ist nicht zu sehn
und auch nicht zu hörn.
Und trotzdem fühl ich
ihn tief in mir drin,
vor allem,
wenn ich ganz andächtig bin.
Dann lächle ich jeden
voll Güte sanft an,
bin fromm und zufrieden,
so gut ich es kann.
Der Schnee glitzert hell,
nicht nur auf den Bäumen,
ich spüre die Wärme,
nicht nur in den Räumen,
sondern mitten im Herz –
ich machs auf ganz weit –
denn dieser Zauber
heißt Weihnachtszeit!
Der gefallene Engel
Es war einmal ein Engel, der nicht länger ein solcher sein wollte. Also flog er zum lieben Gott und sprach: „Hier oben ist mir furchtbar langweilig. Hast du denn keine andere Aufgabe für mich? Auf Erden könnt ich vielen helfen und Gutes bewirken! Kannst du mich nicht hinunterschicken?“
Der liebe Gott dachte nach. „Hmm… Du weißt aber schon, dass ich dich dann in einen Menschen verwandeln muss?“
„Ja, ja, aber das macht mir nichts aus“, erwiderte der Engel mit fester Stimme.
Der liebe Gott überlegte erneut. „Bald ist Weihnachten und ihr Engel habt euer großes Konzert. Deine schöne Stimme würde im Chor sicher fehlen!“
„Ach was“, der Engel schüttelte den Kopf, sodass seine blonden Locken wild tanzten, „meinen Part kann Michael übernehmen!“
Der liebe Gott seufzte tief. Er wusste um die Entschlossenheit des Engels und dass ein weiterer Versuch, ihn umzustimmen, sinnlos war. „Na gut“, sagte er also, „dann soll es geschehen. Wenn du morgen Früh aufwachst, wirst du ein Erdenbürger sein.“
Der Engel wackelte freudig mit den Flügeln und fiel dem lieben Gott um den Hals. Am Abend verabschiedete er sich von all seinen Freunden und kuschelte sich sodann in eine dicke Wolke. Natürlich würden ihm die Englein fehlen, aber er wusste ja, dass er sie eines Tages wiedersehen würde und sie ohnehin gedanklich miteinander verbunden waren. Nachts fand er kaum Schlaf, zu groß war seine Aufregung vor dem morgigen Tag. Welche Aufgabe ihm der liebe Gott wohl zugeteilt hatte und wohin er ihn senden würde? Nach Afghanistan, Syrien, in den Gazastreifen? In ein Entwicklungsland? Zu von Naturgewalten gebeutelten Menschen? Vielleicht ein Waisenhaus oder Pflegeheim. Auch eine Ausspeisung für Obdachlose war möglich… Mit unzähligen Gedanken im Kopf nickte der Engel erst in den frühen Morgenstunden ein, wurde jedoch schon bald wieder von lautem Kindergeschrei aufgeweckt. Er gähnte und rieb sich müde die Augen. Zwei Mädchen im frühen Volksschulalter hüpften auf seinem Bett herum.
„Papa, aufstehn“, riefen sie ungeduldig. „Du hast uns doch versprochen, mit uns heute einen Schneemann zu bauen!“
Der Engel schielte auf den Wecker. Sonntag, sieben Uhr.
„Kommt, СКАЧАТЬ