Название: Der Taugenichtssassa
Автор: Robert Müller
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
Серия: #MeToo
isbn: 9783347058378
isbn:
Die Frau sah mich plötzlich nicht nur oberflächlich, sondern nachdenklich an. Irgendetwas hatte ich da losgetreten, ohne zu wissen, was. Daher bemühte ich mich eilig das gleich wieder zu reparieren.
„Ich bin Ihnen hoffentlich mit meinen Worten nicht zu nahe getreten, gnädige Frau. Wenn doch, entschuldigen Sie bitte meine Distanzlosigkeit. In einem Hotel wie diesem ist das strengstens untersagt.“
Die Frau sah mich weiter ernst an und schien zu überlegen. Nach einer langen Nachdenkpause huschte wieder das schon bekannte schelmische Lächeln über ihr Gesicht und sie sagte:
„Junger Mann. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Einer älteren Frau wie mir tut es durchaus gut zu hören, dass ein junger Mann von vielleicht 20 Jahren mich attraktiv findet, mich, eine dreimal so alte Frau. Mehr noch: ich würde dies gerne öfter hören. Daher habe ich einen Vorschlag.“
„Und der wäre?“, fragte ich verunsichert.
„Nun, mein Mann und ich sind für drei Tage hier in Wien. Ich kenne die Stadt nicht, würde diese aber gerne kennenlernen. Anders gesagt. Ich könnte gut jemanden brauchen, der mir die Stadt zeigt. Sind Sie, junger Mann, ein Wiener, oder wenigstens jemand, der sich hier gut auskennt?“
„Ja, das bin ich.“
„Würden Sie mir die Stadt zeigen, mich herumführen? Natürlich gegen Bezahlung.“
„Ja, schon. Jedenfalls in meiner dienstfreien Zeit.“
„Und wann ist die?“
„Ich habe diese Woche Frühschicht, also von 6 Uhr morgens bis 14 Uhr Dienst. Danach habe ich frei.“
„Ganz frei? Wartet keine Familie oder Freundin auf Sie?
„Nein. Ganz frei. Ich bin solo. Aber wie steht es mit Ihnen? Will nicht Ihr Mann mit Ihnen Wien erkunden, abends in die Oper, in ein Theater oder zu einem der berühmten Heurigen gehen? Irgendwas wird er ja wohl mit Ihnen unternehmen wollen, wenn er Sie hierher mitnimmt. Oder?
„Ja. Das wollte er ursprünglich auch. Aber dann kamen noch zusätzliche Termine herein. Daher geht das nun nicht. Er jagt von einem geschäftlichen Termin zum anderen, von einem abendlichen Essen mit Geschäftsfreunden zum anderen. Gerade mal zum Schlafen wird er spät abends hierherkommen und nach dem Frühstück wieder gehen. Kurz: Ich bin hier fast das, was man eine Strohwitwe nennt.“
Mit diesen Worten holte sie ihr Portemonnaie heraus und drückte mir 100 Schilling in die Hand.
„Das ist für das Auto einparken und ein paar Koffer schleppen zu viel, gnädige Frau“, protestierte ich scheinheilig. Denn in Wahrheit war ich hocherfreut über das geradezu fürstliche Trinkgeld.
„Dann nehmen Sie es als Anzahlung für Ihre Tätigkeit als mein persönlicher Stadtführer. Und kommen Sie um 14 Uhr wieder hierher! Abgemacht?“
Ich nickte. Daraufhin ergriff sie mit ihrer warmen, ungemein weichen Hand meine, drückte sie zart als Zeichen unserer Vereinbarung und schob mich aus dem Zimmer.
Ich blieb noch eine Weile vor der Tür stehen, gleichzeitig verwirrt und neugierig, was mich heute und in den nächsten drei Tagen erwarten würde. Der Beginn war jedenfalls sehr verheißungsvoll.
Kap_3 Führerdienste
Knapp nach 14 Uhr klopfte ich an der Tür zu Zimmer 311. Diesmal nicht in meinem Livree, sondern im Alltagsgewand. Beim Umziehen in meinem Dienstzimmer hatte ich mich für eine lange Stoffhose aus einem dünnen, ochsenblutfärbigen Wollstoff und ein weißes Hemd entschieden, dessen lange Ärmeln ich aber hochgekrempelt hatte, um den Blick auf meinen trainierten Bizeps zu ermöglichen. In meiner Hosentasche hatte ich zudem eine ‚Fliege‘ eingesteckt. Mit dieser Kleidung hielt ich mich für alle Eventualitäten gerüstet, vom Besuch einer Kirche bis zum Spielcasino, vom Schickimicki-Lokal bis zum urigen Heurigenlokal.
„Kommen Sie herein“, tönte es von innen, was ich mir nicht zweimal sagen ließ.
„Wie gefalle ich Ihnen?“, setzte die Frau unmittelbar nach meinem Eintreten fort, und drehte sich im Kreis. „Ist das Gewand passend für das, was wir vorhaben?“
Anders als bei ihrer Ankunft war die Kleidung nun nicht mondän, sondern recht leger, ohne aber gewöhnlich oder billig zu wirken. Statt der sonst zunehmend üblichen Bluejeans trug sie eine 7/8tel-Hose aus einem beigen, fast durchsichtigen Stoff. Fast, denn von der Unterhose sah man nichts – oder sie trug gar keine. Jedenfalls war diese Wahl angesichts der sommerlichen Hitze in der Stadt sicher eine bessere Wahl als eine dicke Bluejeans. Oben trug sie eine lila Bluse, also jene Farbe, wie sie von Lesben gerne demonstrativ getragen wird, nicht nur bei der Regenbogenparade, die vor wenigen Wochen hier am Ring abgehalten worden war.
So als könnte die Frau meine Gedanken lesen, unterbrach sie meine Begutachtung mit den Worten: „Junger Mann, Ihnen kann man die Gedanken förmlich von der Stirn ablesen. Nein, die Farbe meiner Bluse hat nichts mit meiner sexuellen Orientierung zu tun. Immerhin bin ich ja mit einem Mann zusammen, nicht mit einer Frau.“
Das sagt noch gar nichts, dachte ich mir. In der Geschichte gab es genug Paare, sogar Ehepaare, wo sich später herausstellte, dass der Mann schwul ist oder die Frau lesbisch. Zu ‚lesbisch‘ fielen mir gleich die erste Ehefrau von Kaiser Joseph II. oder eine frühere österreichische Frauenministerin ein. Na gut, für das Amtsverständnis der Letzteren mag das sogar hilfreich gewesen sein, beide Varianten eines (auch geschlechtlichen?) Zusammenlebens am eigenen Leib erfahren zu haben.
Zudem konnte die Frau erfreulicherweise offenbar doch nicht alle meine Gedanken ablesen. Denn gleichzeitig mit der Frage nach lesbisch oder nicht hätte ich zu gerne gewusst, ob sie unter der blickdichten Bluse einen BH trug. Wenn nicht, so hatte sie für das von ihr genannte Alter und angesichts der Größe und Lage der Hervorwölbungen eine beachtlich straffe und jugendlichen Figur.
„Ja, das passt sehr gut und betont Ihre jugendliche Figur hervorragend. Wirklich ganz wunderbar“, tat ich das Ergebnis meiner langen Begutachtung ohne jede Flunkerei aus purer Höflichkeit kund.
„Sie Schmeichler“, entgegnete die Frau, obgleich man ihr ansah, dass mein Lob angekommen war. Zu Recht übrigens, denn mein Lob war völlig ehrlich gemeint. Die Frau sah wirklich nicht aus wie eine Sechzigjährige!
„Nur beim Schuhwerk“, wandte ich dann doch ein, „sollten Sie etwas Bequemeres anziehen, etwas mit niedrigem Absatz. Immerhin werden wir doch eine Weile zu Fuß gehen …“
„Turnschuhe?“, fragte die Frau zurück, der man ansah, dass sie diese eher unpassend fände. „Zudem hätte ich gar keine hier. Die Schuhe, die ich anhabe, sind die bequemsten, die ich mithabe.“
„Dann werde ich Sie zuerst in ein Schuhgeschäft lotsen, wo Sie sicherlich für wenig Geld etwas Passendes finden werden. Schließlich kann ich Sie nicht auf Händen zurück ins Hotel tragen, wenn Ihre Füße schmerzen oder Sie gar Blasen bekommen.“
„Nun, das wäre etwas, was ich schon immer gerne einmal erlebt hätte und was daher gegen den Kauf neuer Schuhe spricht“, hakte die Frau mit dem mir schon geläufigen, ja fast lieb gewonnenen schelmischen Schmunzeln ein. „Nicht einmal in der Hochzeitsnacht wurde ich auf Händen über die Schwelle getragen.“
Das hat man davon, wenn man einen so viel älteren Mann heiratet, dachte ich schadenfroh, СКАЧАТЬ